Die Heiz- und Nussperiode

Ich habe versehentlich ein neues Buch angefangen. Im weiteren Sinne hat Anke Gröner Schuld daran, die es irgendwann empfohlen hat, hier war das. Mit einer knappen, aber doch eindringlich lobenden Erwähnung hat sie es da als beeindruckendstes Buch des Jahres 2023 benannt. Ich habe das Buch damals vorgemerkt und verwunschzettelt. Ich sage es ja, Blogs wirken. Ein Mensch aus dem so überaus freundlichen Publikum hier ist im ebenfalls weiteren Sinne mitschuldig, das Buch wurde mir geschenkt, dafür noch einmal Dank.

Im engeren Sinne wollte ich allerdings nur eben etwas aufräumen, wollte ich nur nebenbei die Bücher auf dem Nachttischstapel ein klein wenig umsortieren und wieder pedantisch gerade ausrichten, las ich dabei wie versehentlich kurz in den Anfang dieses Buchs hinein. Blieb dann prompt hängen, setzte mich wohl auch ein wenig, las weiter und weiter, vergaß das Aufräumen – und da ging sie hin, die Konsequenz in der Abfolge der Lektüre und der geregelten Buchauswahl, die Selbstdisziplin auch und überhaupt die Ordnung in der Beschäftigung. Hat sich doch wieder ein Werk vorgedrängelt, ist es doch wieder alles ein furchtbares Durcheinander.

Anatol Regnier, „Jeder schreibt für sich allein“, über Autorinnen und Autoren im Dritten Reich. Das Thema passt zum einen gut, fast perfekt hinter Klaus Manns Wendepunkt, das Buch hat zum anderen aber auch einen starken Zug in die weiteren Kapitel, einen geradezu spannenden Anfang, wenn man bei dem Thema von Spannung überhaupt reden mag, und so einen Tonfall, der einen trägt und lockt … ich blieb jedenfalls hängen. Und das ist gut so.

Das Buch "Jeder schreibt für sich allein" von Anatol Regnier

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Im Fachblog für Bewölkung wird gerade nachgelegt.

Ich kann da kaum mithalten. Vielleicht müsste ich öfter auf Türme steigen, um mehr Wolken über Hamburg abbilden zu können. Das dann auch einmal vornehmen, die Petri-Kirche ist immerhin nebenan und ich war seit Ewigkeiten nicht mehr dort oben.

Wolken über dem Ruderclub Allemannia an der Außenalster

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Am Dienstag wurde mein Home-Office zum ersten Mal zwischendurch von der Überlegung unterbrochen, ob das fortschreitende Frösteln noch durch einen zweiten Pullover gerichtet werden konnte oder ob doch schon die Heizperiode begonnen werden musste. 19 Grad am Schreibtisch, dann 18 Grad, Tendenz flott fallend. Ich beobachtete das wie ein Kapitän, der die Instrumente auf der Brücke ansieht, und übertrug die Daten dann ebenso ins Logbuch, also ins Blogbuch. Die Hand am heißen Kaffeebecher, kühle Zahlen auf dem Bildschirm und draußen der Dauerregen. Dazu der nasse Eichelhäher auf dem Balkongeländer, der das mit der Futterperiode auch noch einmal ansprechen wollte, assistiert von einer jungen Krähe: „Wir wollen mit ihnen über Nüsse reden.“

Aber selbstverständlich habe ich noch keine Heizung angedreht. Es macht zu wenig Spaß, wenn man sofort nachgibt. Sich erst etwas herausfordern, sich erst noch etwas vertrösten, dann schließlich zögerlich belohnen.

Affektkontrolle kann so bereichernd sein.

Eine absterbende Blüte in Großaufnahme, hängende Blütenblätter

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Beim NDR ein Beitrag wie von mir bestellt. Zum einen hatte ich das Thema gerade erst mit der Herzdame. Als wir vor ein paar Tagen, da war es noch Sommer, mehrere Stadtteile in kurzer Zeit passierten und die Temperatur-Unterschiede uns einigermaßen krass vorkamen. Als hätten wir zwischendurch die Stadt und die Klimazonen, wenn nicht gleich den Kontinent gewechselt und nicht nur drei, vier Stationen mit der S-Bahn passiert. Zum anderen hatte ich kurz darauf einen Call im Home-Office, mit anderen Menschen aus Hamburg, und es war schon an der Kleidung offensichtlich, dass wir diesen Tag grundverschieden wahrgenommen haben. Man sah, dass die Wohnungen deutlich abweichend temperiert sein mussten, T-Shirt und Rollkragen auf den Bildchen im Display.

Und das ist tatsächlich so. Die Temperatur hängt stark vom Stadtteil ab: „An heißen Tagen trennen Altona-Nord und Blankenese nicht nur acht Kilometer Distanz, sondern auch acht Grad Celsius.“

Das ist sogar noch ein wenig mehr, als ich angenommen habe. Der vermutlich eher klein ausfallende Freundeskreis Hammerbrook wird den seltsamen Stadtteil im Text drüben prominent erwähnt finden, als innerstädtischen Backofen. Wobei unser kleines Bahnhofsviertel in erwartbarer Weise als Stadtmitte nicht viel besser wegkommt.

Im Bild schön passend die lebensbejahende Bebauung im Backofengebiet.

Dunkle Bürofasssaden am algengrünen Südkanal

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2 Kommentare

  1. Einige blogposts zurück erwähnten Sie die Corona-Lesungen von Sven Walser aus dem Ernst Deutsch Theater: Der Zauberberg. Vielen vielen Dank dafür! Und dafür, dass das Internet nichts vergisst… Ich bin wieder eingetaucht in die Lektüre des Zauberberg (zuletzt vor über 60 Jahren gelesen!) und stelle wieder fest, wie anders ich heute lese als damals, obwohl ich als junges Mädchen auch sehr beeindruckt war.

  2. Der Grad der Versiegelung, die Gesamtfläche von Beton machen einiges aus. Bäume, so flüstert man, sollen helfen, aber die müssen natürlich gewollt sein. (Will gar nicht wissen, wie das hier ohne das viele Grün wäre.) Nach einer Woche um die 15 Grad draußen ist es hier unterm Dach in meinem kleinen Denklabor nun unangenehm ausgekühlt. (Vor allem, wenn man spät abends noch aktiv ist.) Gerne würde ich also die Heizperiode beginnen, auch wenn vielleicht im späten Oktober noch einmal Sommer ausbricht. Aber dieser Leviathan von labyrinthischem Heizsystem in diesem Haus ist tief unten in seinem dunklen Keller noch nicht erwacht. Tapfer bleiben!

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