Klischee-Herbst der goldigen Art

Gehört: Ein Zeitzeichen zu Chopin und auch ein Kalenderblatt. Die feinen Damen in Paris fühlten sich damals verpflichtet, heißt es da, in seinem Sterbezimmer in Ohnmacht zu fallen. So etwas lernt man doch gerne. Und sein Herz wurde dann in einem Cognac-Glas nach Polen verbracht, wo es sich bis heute befindet, auch interessant. Aber Zeitzeichen und Kalenderblätter eh meistens gute Unterhaltung.

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Man sollte oder könnte zumindest auf Spaziergängen gründlich zur Kenntnis nehmen, was einem begegnet und was man sieht. Bis hin zu den Aushängen an den Kirchen, an denen religionslose Menschen wie ich eher vorbeilaufen, was soll da schon stehen. Gottesdienste, Seniorennachmittage, Adventsveranstaltungen, dies, das, eher nicht so interessant.

Aber eben doch. Dem Konzertkalender von St. Jacobi in der Innenstadt entnehme ich etwa, was ich längst hätte wissen können, nämlich dass es dort an jedem Donnerstag, außer an Feiertagen, um 16:30 eine halbe Stunde Orgelmusik gibt, bei freiem Eintritt. Und Orgelmusik, gerade im Herbst und Winter, nehme ich gerne mit.

Eine Jacobs-Figur an einer Säule in St. Jacobi

César Franck wurde am letzten Donnerstag gespielt, er war mir nicht geläufig. Aber bei klassischer Musik ist bei mir eh alles Bildungsbrache, auch wenn ich gerne und viel Bach oder etwa Händel höre. Sonst habe ich nur vereinzelte, eher zufällige Kenntnisse und geläufig ist mir manchmal das, was vermutlich fast alle kennen. Ein wenig von dem oben erwähnten Chopin etwa, die Gassenhauer von Brahms und Beethoven und dergleichen, die Mozart-Tophits.

Aber das ist alles ohne jede Expertise, ohne Hintergrund und also ohne diesen besonderen Genuss, der sich vermutlich erst durch besonders kundiges Wahrnehmen und langes Studium ergibt, wenn man mit Klavier im Wohnzimmer, Hausmusik und dergleichen aufgewachsen ist und vielleicht auch selbst musizieren kann.

Egal, dennoch ab und zu Klassik hören. Dennoch manchmal etwas mutig gut finden, auch laienhaft.

Die Kirche war ordentlich besucht. Das wird dort eine erfolgreiche Reihe sein, nehme ich an, und vermutlich hat sie nun einen neuen Stammgast. Wenn ich mir die Termine denn erkämpfen kann, aber eine halbe Stunde Orgelmusik pro Woche klingt auch nicht wie ein maßlos übertriebenes Ansinnen.

Orgeln sind nicht jedermanns Sache, aber hier zur Illustration noch etwas von César Franck:


Nächste Woche Bach am Donnerstag, das gleich mal fester einplanen.

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Ansonsten Klischee-Herbst der ausgeprägt goldigen Art. Das gleiche Programm wie immer, es ist alles bekannt aus den Vorjahren, ohne jede Originalität in der Ästhetik oder Überraschung im Stil. Dennoch stehen wir staunend und verzückt vor dem, was uns saisonal geboten wird und möchten jeden Oktobersonnenuntergang einrahmen und am liebsten behalten. Es ist das gleiche Gefühl, das wir bei den ersten Kastanien haben, nach denen wir uns begeistert bücken und die wir auch so gerne festhalten wollen.

Wir schlichten Gemüter.

Ein Baum mit Herbstlaub an einer Uferpromenade in der Hafencity

Während es weiter noch wärmer wird und das gestern halb im Scherz erwähnte T-Shirt-Wetter nun von vielen in aller Deutlichkeit ausgelebt und vorgeführt wird, in der Fußgängerzone sehe ich Szenen wie im frühen September, schließen die Eisbuden, fällt das Laub, dunkelt es früher, novembert es im Hintergrund heran.

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5 Kommentare

  1. Wir waren kürzlich in Schweden im Urlaub und dort begegnete uns in der Kirche das „Orgelbaguette“ – was nichts anderes heißt, als dass eine Stunde bei freiem Eintritt georgelt wird und eine halbe Stunde vorab belegte Baguettes verkauft werden. In der Stadtbücherei wurde derweil das „Bücherbaguette“ beworben, Lesung mit gleichem Prinzip. Scheint so eine beliebte Herbstaktivität dort zu sein.

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