Geht doch

Es gibt demnächst Thomas Mann als Playmobilfigur, lese ich in den kleineren Meldungen, zu seinem 150. Geburtstag. Mit einem Buch als mitgeliefertem Kleinteil in der Packung, mit den Buddenbrooks. Es gab schon Goethe und Schiller in dieser Spielzeug-Reihe, auch Fontane, das wusste ich gar nicht. Und, er ist ebenfalls als bedeutender Autor zu werten, es gab Luther. Eine schreibende Frau gab es wohl nicht, man muss nicht lange zählen.

Wenn sich alle Literaturaffinen oder Bildungsbeflissenen aus der Boomer-Generation jeweils einen Thomas Mann von Playmobil als Deko für den Schreibtisch zu Weihnachten schenken, dürfte der wirtschaftliche Erfolg der Produktion gesichert sein. Wobei der Luther bei den Sonderfiguren sicher nicht einzuholen ist, der war oder ist ein besonderer Verkaufsschlager.

Ob nach Thomas Mann noch einmal jemand aus der neueren Literaturgeschichte dieser Richtung vorstellbar wird? Die Bachmann vielleicht, mit dem Zubehörteilchen Max Frisch, den sie an die Hand nimmt? Klackend kann man ihn an sie herandrücken? Sarah Kirsch mit Aquarellpinsel oder Mascha Kaléko mit gepacktem Koffer. Aber das sind dann eher Insider, ein Verkaufserfolg wäre äußerst zweifelhaft.

Den Grass könnte man sich dagegen leicht als Figur vorstellen, mit abnehmbarem Schnurrbart und rotweißer Blechtrommel.

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Mit der Herzdame spaziere ich am Sonntag durch die neuesten Ecken der Hafencity . Ab und zu dort das murmeln, was alle aus Hamburg mit einem gewissen Alter dort von sich geben: „Wir wissen noch, wie hier nichts war.“

Ein Neubau mit bemerkenswerter, modern verschachtelter Fassade in der Hübenerstraße, Hafencity

Einige Erinnerungsaspekte bekommen wir nicht mehr zusammen, es stehen Neubauten in den Bildern herum. Irgendwo dort haben wir einmal Lindy-Hop getanzt, aber die eine Kaimauer passt nicht ins Bild, wie ging das zu. Ist das alles verlagert worden, fließt das Wasser nun woanders, ist es ein Erinnerungs-Glitch.

Wenn man an den Elbbrücken aussteigt, wo die U-Bahnlinie noch knapp vor dem Wasser endet und irgendwann rübermachen wird, geht man durch fast menschenleere Neubaugebiete. Hier und da noch etwas Brachland und Baustellenschutt am Straßenrand, einige verloren wirkende Bagger. Wenn man durchs ganze Revier auf die historischen Landungsbrücken zugeht, wird es nach und nach immer voller um einen herum. Als würde man in einem Film alle paar Meter auf einer besonders langen Kamerafahrt mehr und mehr Komparsen aus den Nebenstraßen ins Bild strömen lassen, so sieht das aus.

Der Versmannkai mit Blick in Richtung Elbbrücken

Erreicht man dann die Stellen, an denen man die ersten guten Foto-Aussichten auf die Elbphilharmonie hat, wird es derart volksfesthaft voll um einen herum, dass man schon wieder bitterböse Essays über den Overtourism und die Disneyfizierung von Städten und Häfen schreiben möchte.

Man kann schließlich nicht mehr geradeausgehen. Man muss sich überall durchdrängeln und biegt endlich als Mensch, der tatsächlich Strecke machen möchte, entnervt ab. Schlägt sich quer und durch eher untouristische Abkürzungen in die gute, alte Innenstadt, in der man an Sonntagen ausreichend Platz für sich hat. „Geht doch“, möchte man da sagen, und mit diesem Satz, mit dem man in der Hafencity noch die anderen am liebsten aus dem Weg pöbeln wollte, nun zur Abwechslung die eigene Bewegungsform meinen.

„Geht doch!“

In den Bildern habe ich heute noch etwas Vorrat aus dem Sommer abgebaut. Es fällt kaum auf, es sind in der Hafencity längst nicht überall herbstliche Bäume oder Büsche im Bild.

Hongkongstraße, das Greenpeace-Gebäude

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Abends sehr schlecht gelaunt und in Anbetracht der anstehenden Termine verfrüht verärgert die neue Woche erwartet, die sich im Kalender besonders vollgepackt präsentiert, vielleicht sogar rekordverdächtig für dieses Jahr. Mich dann intensiv darüber geärgert, dass ich mich geärgert habe, dann über meine Entspannungsunfähigkeit geflucht, dann über alles. Wenn man es draufhat, hat man es drauf.

Nichts angezündet. Immer auch das Positive werten.

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Einer der kleinen Zufälle noch, einer der eher liebenswerten Art: Auf dem Weg ins Theater am Sonnabend, zu Macbeth in den Kammerspielen, hörte ich Tusk von Fleetwood Mac, weil ich die neulich gesehene Doku auf arte immer noch etwas verarbeite, wie auch eine Art stark verspäteten Crush auf Stevie Nicks.

Tusk hat diesen eingängigen Rhythmus, der da das ganze Stück durchgetrommelt wird, und im Theater gab es dann zwischendurch einen etwas spartanischen, harten Soundtrack – sehr ähnlich diesem Trommelrhythmus, wenn nicht genau gleich, jedenfalls eine schlüssige Fortsetzung. Ich fand wieder alles sehr fein verbunden.

Es ist aber auch ein gutes Stück, um in die Woche zu starten, glaube ich, ein gewisser Rhythmus für die nächsten Tage wird gebraucht. Das mal lauter und öfter hören.

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