In der Innenstadt aber ringen nun die Feste gewaltig miteinander, und es wurden vielfältige Dekowaffen gewählt. Hier die immer größeren, immer gruseligeren Halloween-Figuren, Särge sogar. „Dem Tod einen Platz im Leben geben“, mit diesem Satz wirbt übrigens der Bestatter um die Ecke, aber das nur am Rande. Mumien, Monster und Mutationen etc. in den Schaufenstern, dazu Spinnwebzierrat, Plastikspinnen und dergleichen.
Daneben die ersten Weihnachtsbäume in anderer Farbordnung und dick aufgetragener Heimeligkeit. Die ersten pausbäckigen Engelchen auch und verlockend sein sollende Geschenkpakete auf Gabentischen mit Preisschildern daran. Die ersten roten und goldenen Kerzen, der erste Sprühschnee an Scheiben. In einer der großen Straßen arbeiten sie an der Dezemberbeleuchtung über dem Fußweg, und unten an der Elbe, am Strand St. Pauli, sehe ich im Vorbeigehen irgendwas mit Weihnachtszauber im Titel.
Ich lese eben das Wort pausbäckig nach, es hieß früher paußbäckicht, das ist auch schön. Diesen Begriff mal in einem Call als Kompliment anbringen, Du siehst so paußbäckicht gesund aus. Nein, lieber nicht.
Auf den Straßen ab dem Freitagnachmittag bereits einige kostümierte Menschen verschiedener Altersstufen unter den Passanten. Die ersten Halloween-Partys müssen irgendwo laufen. Wen schert schon der genaue Termin, das althergebrachte Datum. Wir sind so weit erstaunlich traditionsflexibel geworden, auch das hätten wir noch vor ein paar Jahren von uns nicht erwartet. Die Feste dehnen sich mittlerweile alle etwas aus, sie weichen links und rechts auf dem Kalender aus und sind jeweils eher Festwoche als Stichtag. Ein paar Tage mehr oder weniger, es geht alles ins Ungefähre, und so unpassend ist das nicht.
Wenn man auf das Wetter achtet, auf die Dunkelheit, auf den Nebel (frischer Dunst wird heute im stets empfehlenswerten Landlebenblog geliefert) – es ist ungefähr Halloween. Es stimmt schon.
In Planten un Blomen wird die Eisbahn eröffnet. Es ist eine der größten unter freiem Himmel in Europa, lese ich. Weil ich neuerdings an der Stadt mehr teilnehme, gehe ich am Abend dorthin und sehe mir an, wie die ersten dort auf den Kufen kreisen. Offensichtlich glücklich, das wieder tun zu können. Es sind wohl nur Menschen auf dem Eis, die das gut können, alles wirkt ungemein schwungvoll und sportlich. Enthusiastische Kreise werden gezogen, wenn man sich so etwas vorstellen kann, und das ist etwas deutlich Schöneres als die informierten Kreise aus den Nachrichten.
Es war aber knapp mit dem Eis in diesem Jahr, auch das lese ich später nach. Es war viel zu warm, sie haben es fast nicht hinbekommen, wie geplant zu eröffnen. Ich gehe um die Eisbahn herum, ich war noch nie hinter der Eisbahn. Alles mal gesehen haben, auch die Winkel, die ich immer ausgelassen habe. Auf den Bänken vor und hinter der Anlage sitzen an diesem Abend Menschen in der Dunkelheit und sehen den Fahrenden zu. Einige halten Händchen dabei. Ältere Paare sind es, die da Arm in Arm sitzen, im stockdunklen Park, und auf die jungen Menschen auf dem Eis sehen. Lächelnd, sich umarmend.
Auch schön, das kann man sich ruhig alles einmal ansehen. Es ist wieder etwas filmmäßig, es geht in Richtung romantische Komödie, Woody Allen in seiner guten Zeit vielleicht. Man muss sich erneut New York in den Hintergrund denken, wie so oft. In der nächsten Szene dann schon die Erinnerungen, die andere Zeitebene und die andere Schauspielergeneration. Die Jugend der beiden Alten auf der Bank wird nachgespielt. Die Szenen auf dem Eis damals, vielleicht das Kennenlernen, der erste Kuss und dergleichen, vermutlich doch.
Schön ist das, am Abend in Planten und Blomen vor der Eisbahn. Man muss dafür nicht selbst aufs Eis, es ist alles freiwillig. Nie im Leben habe ich auf Schlittschuhen gestanden. Dieses Vergnügen habe ich komplett verpasst, mehr durch Zufälle als durch Absichten. In den richtigen Jahren war keine passende Fläche in der Nähe und keine Freunde machten so etwas.
Ich käme auf dem Eis vielleicht zurecht, denke ich mir. Ich kann immerhin mit Inlineskates fahren, und es wird doch ähnlich sein. Aber ich habe doch das rechte Alter für den Anfang verpasst, glaube ich, und es macht nichts, es macht gar nichts.
Es läuft allerdings laute Musik, die mir nicht gefällt. Man kann nicht alles schön finden, muss es auch nicht. Ich setze mir die Noise-Cancelling-Kopfhörer auf, ich danke wem auch immer für diese so überaus segensreiche Erfindung, ich tausche den Soundtrack einmal schnell durch.
Ich bitte den verlässlichen Herrn Guaraldi, es für mich besser zu machen, und der hat prompt etwas parat, wie in jedem Jahr.
Bald, es ist doch eine enorm traditionslastige Jahreszeit, kommen zwei Schulmails, in denen auf den Besuch der Eisbahn mit den Klassen oder dem Jahrgang hingewiesen wird. Ich kann das präzise vorhersagen, ich könnte die Formulierung schon weitgehend aufsagen, bilde ich mir ein.
Für die Söhne wird es daher später Erinnerungen von dort geben. Von dieser gut besuchten Eisfläche im großen Park, und sie können dann in fünfzig, sechzig Jahren auf einer der Bänke im Dunkeln sitzen und sich erinnern, an 2024 oder andere Jahre. In welcher Stimmung auch immer, bestenfalls lächelnd, bestenfalls zu zweit.
„Nichts bleibt, mein Herz, und alles ist von Dauer.“ Es ist am Ende doch der zentrale Satz, den der Herr Kästner damals geschrieben hat.
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Hier gab es gestern die Erkenntnis, das der jüngste Sohn am Mittwoch in der Schule kostümiert für Halloween zu erscheinen hat … ein schneller Plan muss daher heute noch her. Ob demnächst berichtet wird, wie man(n) das erste Mal auf dem Eis steht ….
Zur zeitlichen Flexibilität:
Am Samstag, 26.10., habe ich in einem großen Supermarkt zwei junge Männer in Oktoberfest-Kluft gesehen. Irgendwo schien man noch an diesem Tag den laufenden Monat statt dessen Ende zu feiern.
Oder vielleicht gab es auch schon eine Halloween-Party und die beiden finden die bayrische Bier-Sause ähnlich gruselig wie ich. So hintersinnig wirkten sie allerdings nicht.