Es gab, die Reihe wird fortgesetzt, eine asiatisch anmutende Hühnersuppe, frei nach dieser theoretischen Grundlage. Suppen passen in den Monat und ich kriege eh nicht mehr alle Familienangehörigen zu einer bestimmten Tageszeit zum Essen. Wir brauchen leicht aufwärmbare Gerichte, nachts aufwärmbare Gerichte. Teenagertaugliches Zeug brauchen wir, und viel davon.
***
Morgens bin ich kurz in den Park neben dem Supermarkt gegangen, um nachzusehen, ob der nun endlich nach bekannter Lyrikvorgabe georgemäßig totzusagen sei. Aber es wirkte immer noch alles recht belaubt und belebt dort, es war nicht einmal alles ordnungsgemäß gelb eingefärbt, außerdem gab es spielende Kinder auf dem Basketballfeld im Bild. Also nein.
Abwarten. Der November wird schon noch aufholen, er tat es bisher immer irgendwann. Falls die Vorjahre überhaupt noch etwas beweisen, man hat mittlerweile doch einige Zweifel.
Später eine Alsterrunde. Natürlich gegangen, nicht gejoggt, ich habe mich bis dahin noch im Griff. Leer war es auf den Wegen um die Alster herum, ungewohnt leer. Lange habe ich dort nicht mehr so viel Freiraum erlebt. Einige Szenen fast ohne Menschen gab es, nur Wasservögel im Bild, Kormorane, Schwäne, Blässhühner, Stockenten.
Am jahreszeitlich angemessenen Wetter wird das Ausbleiben der Menschen gelegen haben. Am elaborierten Novembergrau, das bis in die Details des Landschaftsbildes wirkte, bis in die Gesichter der wenigen Passanten auch. An der schwachnebeligen, diesigen, feuchtklammen Luft lag es gewiss, am Ausbleiben einer lockenden Helligkeit und dann daran, dass es schon am Vormittag so aussah, als wollte es gleich wieder dunkel werden. Es lohnte sich doch kaum, da erst rauszugehen.
Wir haben diese Phase des Jahres erreicht, in der man die Unfähigkeit zum Winterschlaf wieder allgemein bedauert.
Sogar weniger enthusiastische Sportmenschen als sonst sah ich, deutlich weniger. Auch die blieben an diesem Tag zu Hause und aßen vermutlich Lebkuchen oder ähnliches Zeug, damit sie bald wieder etwas abzutrainieren haben. Wenig Joggende also, und die liefen in seltsam anmutenden Outfitkombinationen. Unten kurze Hose, oben dicke Wollmütze, oder dünnes Muskelshirt und selbstgestrickter Schal sowie wollene Fäustlinge dazu, so etwas.
Ansonsten etliche Paare mit Kinderwagen. Oft mit den Großeltern oder befreundeten Menschen dabei. Männer gingen neben Männern, Frauen gingen neben Frauen, fast unweigerlich war das so, und viele gingen schweigend. Es war, so muss es allgemein empfunden worden sein, kein Plaudertag.
Nicht wenige sahen auf ihrer Runde arg gelangweilt, übermüdet, abgekämpft, zumindest lustlos aus. Ein blasses Elternpaar mit von Gähnkrämpfen entstellten Gesichtern. Ich erinnere mich an diese Phase bei uns, und mit Grauen. Man reißt sich zusammen, man schiebt um die Alster, denn man muss ja einmal raus. Die Kinder brauchen Luft, und eine weitere Motivation gibt es da nicht, braucht man auch nicht.
Einmal etliche Gänse im Tiefflug über den jungen Familien. Ein wenig sah es für einen Moment aus wie auf einer werbenden Skandinavienpostkarte, es fehlte nur etwas Weiß im Bild, etwas Winterschönheit in der Landschaft. Damit ist aber vorerst weiterhin nicht zu rechnen.
Schließlich die paar Menschen, die allein um die Alster gingen, mit den Kopfhörern auf und in eigener Musikwelt. Die manchmal recht schnell gingen, so wie ich. Und die dabei ein bekanntes Tiktok-Meme auszuleben schienen: „I’m going on a stupid walk for my stupid mental health.“ Eine geschichtliche Erläuterung dazu noch aus Corona-Zeiten findet man hier.
Mit finsterer Miene pflichtgemäß losgestapft, weil muss ja, warum auch immer. Es gibt mittlerweile Tausende von Versionen dieser Clips, und es ist keineswegs auszuschließen, dass ich ebenfalls danach ausgesehen habe, dass ich von Entgegenkommenden derartig einsortiert wurde.
Es passte schon, im weitesten Sinne. Aber ich mag den Monat, das immerhin. Es ist mir alles recht, das Grau, die Leere, die Ruhe, die frühe Dunkelheit auch. Und die Lebkuchen.
***
Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Vor meinem Fenster wird gerade dichter Nebel geboten – da passt zum Novembergefühl doch sehr
Danke für die Erklärung des „stupid walks“. Der Begriff ist mir schon öfter begegnet, aber es fehlte der Zusammenhang.
Hier gab es übrigens gestern auf Wunsch der Jugend Kartoffelsuppe, nur so als Anregung für Sie.
Danke, dass sie ab und zu auch Erinnerungen an die Kleinkindzeit einstreuen… und zwar nicht rückwirkend durch die rosa Brille schöngeredet, sondern so wie es eben war/ist.
„Ein blasses Elternpaar mit von Gähnkrämpfen entstellten Gesichtern. Ich erinnere mich an diese Phase bei uns, und mit Grauen.“