Auf dem Stadtspaziergang am Sonntagmorgen, ich gehe wieder etwas nach, begegnen mir 24 Obdachlose. Hätte ich genauer hingesehen, wäre ich nur ein wenig aufmerksamer gewesen, die Zahl wäre sicher noch höher ausgefallen.
Immer wieder in den letzten Monaten und Jahren hatte ich das Gefühl, es sei eine Höchstzahl erreicht, dann wurden es erneut mehr. Seit Beginn der Pandemie ist die Lage auf der Straße eskaliert, Sie erinnern sich vielleicht noch an die Anfänge der Entwicklung. Die Medien berichteten zunächst häufig über den sprunghaften Anstieg der Verelendung, in meinen Texten stand ebenfalls einiges dazu.
Die Schlange vor der Essensausgabe in der Kirche gegenüber wurde länger und länger, bis hin zu Bildern, bei denen man unwillkürlich an Charles Dickens denkt oder an Bilder aus der Weimarer Zeit – hungrige Menschen warten im Regen auf etwas Suppe und Brot. Mein Indikator für die soziale Not im Blickfeld vor der Haustür.
Die Lage hat sich seit den ersten Coronajahren aber nicht wieder geändert. Man muss es sich vielleicht ab und zu bewusst machen, in unserem neuen, mehr oder weniger postpandemischen Alltag, dass dieses veränderte Normal da draußen nicht sehr alt ist.
Oder, noch ein Beispiel, ich gehe zum Einkaufen, ich zähle wieder mit: Zwölf bettelnde Menschen am Straßenrand. Nur auf dem Hinweg.
Währenddessen werden in der Stadt Scheindiskussionen geführt, etwa über das Bettelverbot im ÖPNV. Darf es das nun geben oder nicht, soll es das geben. Da hat man Meinungen dazu und sagt sie auch, schreibt sie, druckt sie, sendet sie. Dabei ist es vollkommen egal, ob es da ein Verbot gibt oder nicht. Es ist sowieso nicht daran zu denken, dass so ein Verbot jemals durchgesetzt werden könnte. Hundertschaften von Kontrolleuren müssten dafür pausenlos durch die Bahnen, immer wieder durch alle Wagen geschickt werden, das ist nicht realistisch. Es ist wie mit den Zone-30-Regelungen: Es ist egal, ob es sie gibt oder nicht, es hält sich eh niemand daran.
Und ich bin wieder bei der Herbeibehauptungskultur, die ich als so kennzeichnend für unsere Zeit empfinde. Wir sagen, das Betteln sei verboten, wir sagen, man solle langsam fahren, und wir hören dann auf. Die Umsetzung interessiert nicht, es ist alles egal.
Aber man hat doch etwas geregelt, und darin liegt die Tat. So meint man.
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Hier eine zusammenhangslose Möwe. Warum auch nicht.
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Ansonsten ein bemerkenswert sportlicher Wochenanfang, Aufgaben dicht an dicht, oder, um es doch einmal bemüht positiv auszudrücken: Vollbeschäftigung.
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