Eine Anmerkung noch zum gestern verlinkten Filmchen mit dem Weihnachtsoratorium aus der Leipziger WG. Die Aufnahmen waren mehr als zehn Jahre alt, und wenn Sie einmal darauf achten, was die Musizierenden da für Kleidung tragen – das wirkt nicht deutlich gealtert. Die könnten uns durch die Bank heute noch so begegnen. Sie würden nicht weiter auffallen, man würde nicht irritiert und mehrfach hinsehen, was ist das jetzt, aus welcher Zeit kommt dieser Mensch denn.
Ich weiß nicht recht, was das aussagt, ob es überhaupt etwas aussagt. Aber ich weiß, dass ich mehrere Zeitpunkte aus der Vergangenheit, aus meiner erlebten Zeit benennen könnte, zu denen Menschen im Look von vor zehn Jahren verlässlicher aufgefallen wären. Die modische Distanz etwa von 1980 zu 1970 war markanter als die, auf die wir jetzt sehen, in der Rückschau auf die letzte Dekade. Auch die von 1970 zu 1960. Wobei ich in diesem Jahrzehnt nicht vollständig dabei war, aber doch genug Bilder und Filme aus der Zeit zu kennen meine.
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Ich höre immer noch die Lange Nacht über Puccini, ich brauche länger als sonst für so eine Sendung. Das liegt am überbordenden Alltag, an der Arbeit, an den Terminen. Zum Ausgleich und aus Trotz habe ich tatsächlich Karten für eine Hamburger Aufführung des Weihnachtsoratoriums besorgt. Leben im Widerstand, alles dennoch machen, man muss Übungen absolvieren für die kommenden, vermutlich schlechter werdenden Zeiten.
Man muss sein seelisches Überleben absichern, während das Bundesamt für Bevölkerungsschutz ich sehe es gerade auf dem Zweitbildschirm, und was ist das wieder für ein Zufall, schon einmal die Bunker durchzählen lässt.
Man muss, so sagt man doch, eine Einstellung finden. Ich bin gerade mit mehreren Themen konfrontiert, zu denen ich einigermaßen dringend eine Einstellung finden müsste. Auch abgesehen von den politischen, weltgeschichtlichen und großen Themen, man hat in der Regel noch mehr am Hals.
Moment, ich mache eben Musik an.
Das habe ich in letzter Zeit mehrfach gedacht, das mit der Einstellung, es wurde mir auch gesagt. Bzw. haben es sich Menschen aus meinem Umfeld und ich uns gegenseitig aufgesagt, dass wir jetzt aber wirklich einmal eine Einstellung finden müssten.
Vermutlich alle mit dem unausgesprochenen Protestgedanken im Hinterkopf: „Als ob das so leicht wäre!“
Ich finde doch oft nicht einmal die richtige Einstellung auf meinem Smartphone. Wie soll es mir da im Gehirn gelingen, das viel unübersichtlicher aufgebaut ist. Da gibt es dermaßen schlimm verschachtelte Untermenüs, also wenn man mit denen erst einmal anfängt.
„Wat’s wrong with me – oh, don’t open that door“, wie es Chandler Bing in der einen Folge sagte. Fans der Serie wissen sicher, welche Szene gemeint ist.
Eine Einstellung finden. Wo habe ich bloß den Stoizismus hingelegt, wer hat den fröhlichen Fatalismus verräumt, wieso ist die konstruktive Grundhaltung nicht mehr an ihrem Platz und neulich war die gute Laune noch genau dort, wo ich sie hingelegt hatte. Ich weiß, dass sie da war, ich habe sie mehrfach im Vorbeigehen gesehen.
Einstellungen besser immer da ablegen, wo man sie schnell wiederfindet, wenn man sie braucht. Wie Regenschirme und Handschuhe. Aber erst einmal: Weitersuchen.
Im Bild das Nikolaifleet im Nebel. Da findet man dann sogar Gebäude nicht sofort.
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Klassische Musik hilft beim Ruhe finden. Wieviele Konflikte sind schon vorüber und die Musik hat überlebt? Einen guten Dienstag und herzliche Grüsse aus dem Süden.