Würdevoll antriebslos

Gestern also mein erster Arbeitstag, während die Herzdame noch Urlaub hatte und die Söhne selbstverständlich noch Ferien. Da waren sie wieder, meine drei Probleme.

Starkes Fremdeln mit der Arbeit und mit diesem Timing. Beim Befinden des misslungenen Timings waren sich wenigstens alle einig, die sich da im Berufskontext trafen, die beiden Werktage in dieser Woche sind vollkommen verkehrt. Die hätte man noch frei haben müssen, die fühlen sich einfach nicht richtig an. Man hat da einen Planungsfehler gemacht, einen schweren. Immerhin war es ruhig, gab es erst einmal keine Meetings, keine Calls. Alle Welt ist in dieser Woche noch im Urlaub, verzögert den Jahresbeginn oder hat schlicht überhaupt keine Lust, mit anderen Menschen zu reden. Es ist mir alles recht.

Die Kolleginnen aus Bayern haben am Montag noch einen weiteren seltsamen Feiertag, sehe ich nebenbei. Bei uns eher leistungsorientierten Norddeutschen dauert es dagegen über hundert Tage bis zum nächsten. Es bietet keinen Trost, sich den Wandkalender und die rot markierten Tage zu besehen.

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Bei einer Radiosendung aus der Reihe „Das Wissen“ habe ich immerhin etwas Passendes auf dem Weg nach Hammerbrook gelernt, nämlich dass das Wort Gelassenheit auf Meister Eckhart zurückgeht. Er hat das für uns durchdefiniert und sprachlich zusammengebastelt. Was man aus heutiger Sicht als lässige Leistung würdigen kann.

Der für die Söhne so überaus wichtige Zustand der gechillten seelischen Verfassung hat seine Wurzeln danach tief im 13. Jahrhundert, könnte ich jetzt kulturgeschichtlich ableiten. Und wenn man es so sieht, kommt es einem gleich etwas würdevoller und ehrenhafter vor, wie die beiden da antriebslos herumhängen, während andere Menschen arbeiten.

Doch, doch.

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Außerdem gehört: Eine Sendung beim Deutschlandfunk über die neue Goethe-Biografie von Thomas Steinfeld. Das Buch mit stolzen 800 Seiten bezeichnet er da als „die schlankeste Version“ seines Vorhabens, und ich glaube, ich werde es lesen wollen.

Wie es mir für mein Seelenheil ohnehin sinnvoll vorkommt, aber das wird individuell verschieden ausfallen, mich noch stärker als bisher schon mit dem zu beschäftigen, was wir als Kultur-, Werte- und Bildungskanon etc. demnächst zu verteidigen haben werden.

In diesem Sinne habe ich mit großer Zufriedenheit gestern auch die Edith Wharton durchgelesen, „Winter“, das wieder zeigte, wie wenig Buchumfang man für tiefe Tragik braucht. Eine sehr einfache, sehr schlimme Geschichte. Und ihr einziges Buch, wenn ich es richtig mitbekommen habe, das auf dem Land spielt. Alles andere von ihr war urban geprägt, war New Yorker Stadtliteratur, und wird demnächst wohl verwunschzettelt. Es ist immer wieder schön, finde ich jedenfalls, dass man mit der Weltliteratur niemals fertig werden kann, dass aus Vergangenheit und Gegenwart noch unendlich viel für uns bereitsteht.

Man darf sich ausdrücklich überreich versorgt fühlen. Wenigstens in dieser Beziehung darf man das, und das ist nicht nichts.

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Ein Graffiti auf einer Bodenplatte: "Mehr Liebe"

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Ein Kommentar

  1. Guten Morgen. Ich habe gestern ein Buch von Sigrid Nunez zu Ende gelesen. Das war wirklich schön. Es handelt von Empathie. Und ich habe mir jetzt ihr neuestes in der Bibliothek vorbestellt. Man entdeckt immer wieder kleine Schätze. Liebe Grüße und einen angenehmen Tag. Gruß Katrin

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