Heute nicht, mit Verzögerung und später

Etwas Geschichtsunterricht habe ich gehört. Natürlich zum Faschismus, damit es sich aktuell und spannend anfühlt, heute muss doch alles spannend sein. Zwei Folgen von „Alles Geschichte“ beim BR zum Ende von Mussolini gab es. Einmal über den italienischen Widerstand, einmal über die Republik von Salò. Letztere wäre mir nicht einmal ein Begriff gewesen, manchmal entdeckt man auch überraschende Bildungslücken. Die kam damals im Geschichtsunterricht wohl nicht vor, diese Republik, und sie ist mir auch danach nicht begegnet. Nanu.

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Ein neues Wort für den Smalltalk habe ich gelesen: Climateflation. Damit kann man dann im Supermarkt vor dem Olivenölregal mit anderen Menschen ins Gespräch kommen und gemeinsam über die absurd anmutenden Preise lachen. Also wenn man unbedingt mit anderen Menschen im Supermarkt Gespräche führen möchte. Und wenn man außerdem noch lachen kann. Es fällt verschieden aus.

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Die Nachrichtenlage, die unser Kanzler vielleicht als „irgendwie komisch“ bezeichnen würde, findet im Moment nur in meinem Computer und auf meinem Smartphone statt. Nichts aus den Schlagzeilen, kein einziges Element aus den aktuellen Debatten und Skandalgeschichten hörte ich in meinem Umfeld als Element des Smalltalks, nicht einmal eine witzig sein sollende Andeutung. Und kein Graffiti wurde hier in der Gegend in den letzten Tagen neu gesprüht. Kein frischer Aufkleber pappt an irgendeinem Laternenpfahl, keine Demos mit neu gemalten Schildern und frisch getexteten Sprüchen starten abends vor dem Hauptbahnhof. Gar nichts dergleichen. Ich kann einfach vom Schreibtisch aufstehen und rausgehen, und da ist dann nichts.

Also da ist schon etwas, versteht sich. Da sind diverse unübersehbare Probleme, besonders sozialer Natur, aber auch bezogen auf den Verkehr, auf die Infrastruktur etc. Man wird schon fündig und sieht die Zeichen der Zeit, wenn man etwas aufpasst und halbwegs informiert ist. Man sieht diese Zeichen auch, siehe oben, jederzeit auf den Preisschildern im Supermarkt.

Aber es sind die Spuren einer zeitlich ausgedehnteren, breiteren Gegenwart, das sind alles Themen, die uns schon länger begleiten. Man kann man sich noch, während man durch die Straßen geht und die Szenerie aufmerksam liest, eine gewisse Langsamkeit der Entwicklung einbilden. Einen ruhigen Fluss der Ereignisse, eine gewisse Stetigkeit und Regelmäßigkeit des Ablaufs und auch eine halbwegs überschaubare Gemächlichkeit in der Eskalation.

Guckt man dagegen auf Bildschirme, liest man online die wirren Weltnachrichten nach, die roten Eilmeldungen und den ganzen Rest, geht es da um eilige, dringende Entwicklungen und um Einstürze. Man sieht die Geschichte Haken schlagen und die Welt geradezu zusammenkrachen, besonders wenn einem das Herz eher links schlägt.

Oder es kann sich zumindest nach einem Zusammenkrachen anfühlen. Man meint irgendwann, das Bersten zu hören.

Wie auch immer. Ich habe es gut, ich kann jederzeit in den Hauptbahnhof gehen und mich dort zu den anderen Menschen vor die große Anzeigetafel stellen, auf der die Abfahrtszeiten stehen. Ich kann die Zeiten der Züge der nächsten Stunden studieren, wie es da alle um mich herum auch machen. Und genau wie die vielen Reisenden neben mir kann ich all die Verspätungen nachlesen, auch wenn ich gar nicht mit einem Zug fahren möchte, gar kein Reisender bin. Einfach nur so, zur Beruhigung kann ich das machen.

„Verzögerung“, lese ich dann da oben etwa, „heute nicht“, lese ich danach. „Fällt aus“ steht natürlich auch dort und immer wieder das ganz schlichte, das allen Druck und alles Drängeln aus unseren Zeitplänen nehmende „später.“

Probier’s mal mit Gemütlichkeit kann ich dabei leise pfeifen oder summen und wieder nach Hause gehen, wo es warm und trocken ist, mit Ruhe und Gemütlichkeit. Überhaupt soll es entspannend sein und uns zur Ausschüttung von Glückshormone verhelfen, ab und zu etwas zu summen.

Es erdet mich immerhin ein wenig. Es kann beruhigend wirken, diese Zugmeldungen nachzulesen. Und man soll die Verdienste der Bahn auch nicht unerwähnt lassen, denke ich. Die hat es gerade schwer genug und wird viel zu oft heruntergemacht.

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Ein Porträt einer Katze

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3 Kommentare

  1. Das ist tatsächlich interessant – „früher“ hat man an vielen Orten über aktuelle Ereignisse gesprochen und auch ich beobachte, dass es weniger wird. Ob allerdings das Zurückziehen in die eigene Themenblase gut ist, bezweifle ich ….

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