Ich betreibe Konzentrationssport, es ist ungemein anstrengend. Und zwar höre ich ein Sachbuch als Hörbuch. Ein Sachbuch, bei dem der Inhalt eher nicht fluffig aufbereitet ist, also nicht bewusst unterkomplex angelegt ist, wie es heute modern ist. Wobei dann schon unangenehm auffällt, wie schnell und wie oft ich geistig abdrifte, auch weit abdrifte. Oder dass ich einem etwas längeren, komplizierteren Satz nur mit Wiederholungen zu folgen vermag. Es ist womöglich also an der Zeit, Konzentrationssport zu betreiben.
Jedenfalls: Welt in Aufruhr von Herfried Münkler, gelesen von Wolfgang Wagner. Ungekürzte 15 Stunden, das reicht diesmal für ein paar Spaziergänge mehr. Ob es einen an irgendeiner Stelle vom allgemeinen Fatalismus abbringen kann, das muss sich erst noch erweisen, nach den ersten beiden Stunden sind Zweifel daran angebracht. Es wird also für die seelische Verfassung am Ende gar nicht besser sein als das Doom-Scrolling, obwohl doch so viele gerade zum Lesen von Büchern raten, um dem entschlossen zu begegnen.
Ich habe den Verdacht, ich doomscrolle hinterher nur qualifizierter.
Aber die Lage ist nun einmal, wie sie ist. Und wenn das Nachrichtengemisch sich auf dem Niveau der letzten Tage weiterentwickelt, woran ich leider kaum Zweifel haben kann, dann werden wir schon bald zeitlich nicht mehr hinterherkommen. Selbst dann nicht, wenn wir uns auf wenige Quellen beschränken. Es wird zu viel sein, an zu vielen Fronten und zu viel zu vielen Themen. Und auch damit wird man dann irgendwie umgehen müssen, auch dazu muss man erst noch eine Einstellung suchen und finden, auch Werkzeuge, Methoden etc.
Als ob man nicht schon genug zu tun hätte.
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Es starb Peter Yarrrow, das war der von Peter, Paul and Mary. Wir winken also ein letztes Mal dem Vater von Puff, dem Magic Dragon. Ein wundertrauriges Lied. In dem Video gleich sieht man ein komplett seliges, verzücktes Publikum, die Aufnahmen der Zuhörerinnen sind bei diesem Jubiläums-Auftritt fast interessanter als die der Gruppe. Das ist schön, das ist dermaßen nett und rührend, das gibt es ja heute kaum noch, möchte man beim Zusehen krückstockfuchtelnd murmeln und schon wieder äußerst nostalgisch werden. Als wenn es einen Sinn hätte, als wenn an der Nostalgie etwas Wahres wäre.
Bei diesem Lied allerdings kann die Nostalgie auch recht gezielt sein und vielleicht auch tatsächlich auf eine Wahrheit verweisen. Nämlich bezogen auf dieses eine Spielzeug, welches bei uns damals, also ganz damals, die Rolle von Puff hatte. Wir werden doch alle so etwas gehabt haben, hoffe ich. Es gehört wohl in jeder Kindheit so, dass irgendetwas derart mit einem lebt und mit einem Abenteuer besteht. Diese Abenteuer, von denen andere gar nichts ahnen.
Das entsprechende Stofftier bei mir gibt es sogar noch. Es liegt weitgehend unbeachtet und also auch unbehelligt in einem der Kinderzimmer der Söhne. Ab und zu zwinkern wir uns heimlich und in alter Verbundenheit kameradschaftlich zu, wenn ich beim Staubsaugen an dem Regal vorbeikomme. An diesem Regal, in dem es vermutlich durchgehend an jene Zeiten denkt, in denen es bei uns beiden noch etwas lustiger zuging.
In einer plattdeutschen Version des Liedes, gesungen etwa von Knut Kiesewetter, gab es das Land Honalee aus dem Original natürlich nicht, sondern einen norddeutschen Hinweis für den Freundeskreis Insel:
„Drees, de Wunnerdraken leevte anne Strand
Keem de Harvst mit Stormgebruus flog hej na Helgoland.“
Und dort treibt er sich auch heute noch herum, möchte ich annehmen. Vielleicht sollte ich beim nächsten Besuch der Insel etwas mehr darauf achten. Ja, vielleicht sollte ich mir wieder einmal etwas in dieser Art vornehmen. Etwas, das Sinn hat und schön ist.
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Ich habe das Buch ganz oben auf meiner Lese-Liste. Aber ich denke, ich werde es lesen statt hören, schon (abends) konzentriert lesen ist ja anspruchsvoll genug nach einem langen Tag …