Zum Willem

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Wenn man sich in Nordostwestfalen doch einmal zu einem Ausflug aufraffen kann, dann fährt man z.B. zum Willem, wie man hier sagt. Der Willem ist ein weithin sichtbares Kaiser-Wilhelm-Denkmal im Stil des späten Tschingbumm, eine monumentale Anlage, die man verblüffend weit sehen kann. Das ist auch ihr Hauptzweck.

 
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Das Denkmal steht an den ersten Hängen des Wiehengebirges, das kurz hinter Minden plötzlich aus dem Boden wächst, ohne jede Vorwarnung durch irgendein sanftes Hügelland. Als würde man aus der norddeutschen Tiefebene heraus gegen eine Wand laufen.

Zum Willem kann man mit dem Auto fahren, zu seinen Füßen ist ein Parkplatz. Die Denkmalsgaststätte dort ist schon lange geschlossen, der Kiosk auch, die ganze Anlage rund um den Parkplatz ist nicht gerade einladend, um es noch freundlich auszudrücken. Dennoch werben Tourismusmanager für die Gegend tapfer mit einem Poster des Willems auf dem der Slogan “Endlich… Urlaub” die Überschrift bildet. Nun ja. Auch als Texter muss man eben irgendwas liefern, ich kenne das Problem ganz gut.

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Schilder künden oben den kompletten Umbau der Anlage an, wenn das so durchgezogen wird, dann gibt es dort bald ein ziemlich spektakuläres Ausflugslokal direkt unterm Denkmal, das sehen wir uns dann sicher wieder an. Man hat aber anscheinend gerade erst angefangen, dort herumzubuddeln.

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Kinder finden den Willem ganz interessant, weil man an seinem Podest herumklettern kann – mehr aber auch nicht. Einen Spielplatz oder sonst eine kinderkompatible Einrichtung gibt es nicht. Immerhin stehen auf dem Parkplatz oft ein Eiswagen und eine Wurstbude, das hilft etwas. Der Ausblick in die Tiefebene, bei dem die Erwachsenen unwillkürlich kurz verharren und andächtig Anerkennendes murmeln, der interessiert die Kinder aber nicht ansatzweise. Das fiel mir schon ein paar Mal auf: Kinder haben überhaupt keinen Sinn für diese Ausblick-Sache, da reicht immer eine Sekunde mit der lapidaren Feststellung: “ja, da kann man runtergucken”. Na und? Das ist den Kindern völlig wurscht. Viel spannender ist, ob sie selbst irgendwo raufkönnen.

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Und rauf konnten sie dann auch noch, denn hinterm Denkmal starten mehrere Wanderwege durch den Wald, da geht es für unsere Verhältnisse schon tatsächlich gebirgig zu. Aber dieses total befremdliche Konzept, dass Wege auch bergauf führen können, das müssen wir mit den Söhnen des Flachlandes vor dem Bergurlaub in Tirol im nächsten Jahr noch einmal gründlich besprechen. Ein Kinderstreik nach hundert Metern, weil es noch nicht wieder bergab geht, verhilft einem jedenfalls nicht zu Wanderfreuden, daran ist zu arbeiten.

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Viel weiter als bis zur ersten Schutzhütte konnten wir auf diese Art nicht kommen, dort immerhin fanden wir, liebevoll ins Holz der Sitzbank geritzt, die Vornamen zweier ehemaliger Mitschüler der Herzdame.

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Mit der Jahresangabe von damals und Herzchen, wirklich sehr romantisch. Da standen die Namen so mancher Liebespaare, der Vorname der Herzdame war aber nicht zu finden. Bei dem Schulausflug damals war wohl gerade niemand an Schnitzarbeiten für sie interessiert. Und ich hatte an dem Tag leider kein Messer dabei, sonst hätte ich das selbstverständlich sofort nachgeholt. Auch das wird vorgemerkt, versteht sich.

Aber habe ich überhaupt schon jemals einen Namen irgendwo ins Holz geschnitzt? Ich kann mich nicht erinnern. Ist das schwer? Mir fällt nur ein, dass ich mal zu Schulzeiten mit einem Lötkolben irgendwelche Frühstücksbrettchen bearbeitet habe, das war recht einfach, glaube ich,das konnte sogar ich. Beim nächsten Ausflug zur Schutzhütte nehme ich dann wohl besser einen Lötkolben mit. Immer die effizientere Lösung wählen, versteht sich.

 

10 Kommentare

  1. Den Generator für den Lötkolben nicht vergessen!! Das Messer erscheint deutlich effektiver außerhalb der Reichweite einer Steckdose 🙂

  2. 99% der Wanderstreikende Kinder in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, haben sich mit Geocaching davon überzeugen lassen, dass wandern gaaanz toll ist 😉

  3. So oft schon am Willem vorbeigefahren auf dem Weg zur Leeser Verwandschaft, aber noch nie den Schlenker bis dort gemacht… Danke für die umfassende Aufklärung.

  4. Wenn man schon beim Willem ist, dann ist es auch nicht mehr weit bis zum Potts Park – einemZiel, das wir in meiner ostwestfälischen Zeit gerne mit einem Besuch beim Willem verbunden haben.
    Dieer kleine Freizeitpark hatte seinerzeit (vor über zwanzig Jahren) schon einen sehr altertümlichen Charme, war aber z.B bei meinen Kindern immer sehr beliebt.

  5. Familie Buddenbohm an der westfälischen Pforte, beim Willem!?
    Da hüpft das Herz einer Mittdreißigerin, die in Porta Westfalica aufgewachsen ist und in Minden wohnt.
    Viele Ihrer Blogeinträge schenken mir einen Wiedererkennungswert.Jaa, das kenne ich, was der Herr Buddenbohm so beschreibt, so ist das hier in – äh – Nordrheinostwestfalen, hier so in unserer Region eben.

    Die fehlende kindliche Begeisterung beim Erreichen einer Aussichtsplattform kann ich nur bestätigen – leider nicht aus eigener Erinnerung, sondern anhand diverser erfolglos mitgeschleppter Kinder, denen ich den Ausblick vom Willem bisher präsentieren wollte.. Verschenkte Müh.

    Und die Trostlosigkeit des umliegenden Platzes entspricht ebenfalls der Realität. Der Mindener / Portaner geht diesem Anblick beschämt aus dem Weg und verfolgt stattdessen virtuell in der örtlichen Tagespresse die Diskussionen über das erwähnte Umbauprojekt: ebenso spektakulär wie irrational wirken die Verheißungen eines DIREKT UNTER DEM DENKMAL befindlichen Cafés mit mindestens 180°-Ausblick… Manch einer staunt über derart große Pläne, während es offensichtlich in den vergangenen Jahren nicht einmal möglich war, den umliegenden Bereich samt Parkplatz einigermaßen ansprechend herzurichten, wie ja schonungslos auf den oben gezeigten Bildern erkennbar ist.

    Dennoch – und dies ist der Punkt, der mir in Ihrem Blogeintrag fehlt, Herr Buddenbohm – der WILLEM, der hat doch eine ganz eigene Bedeutung, egal wie es drumheraum ausschaut!
    Das erste Erkennungszeichen und Nachhausekommensymbol am Horizont, wenn man auf der A2 die letzten Kilometer in Richtung Heimat abspult. Die zuerst genannte Sehenswürdigkeit, wenn man Gästen seine Heimatstadt vorstellt – weil man von hier aus doch alle anderen Sehenswürdigkeiten per Fingerzeig schon ankündigen kann. Der erste Verabredungsort frischer Liebenden, wenn man „romantisch spazierengehen“ will.
    Ja, und auch eines der ersten Ausflugsziele von Grundschulen, die sich schon unten an der Hauptsraße damit auseinandersetzen müssen, dass sich dieses Denkmal nunmal AUF dem Berg, dort OBEN befindet und dass es zu ERWANDERN ist. Schulbusse bekommen den oben gezeigten Parkplatz nämlich nicht zu Gesicht, die parken unten.
    Dafür erfahren jene Schüler dann aber auch, dass es etwa auf halber Strecke einen Weg gibt, der dichter in den Wald hinein führt, zur Porta Freilichtbühne: eine Naturbühne vor Felsen und in Bäume gehüllt. Zumeist bei leichtem Nieselregen und windiger Kälte in kuschelige Decken gemummelt kann man hier spannende Geschchten verfolgen – „unter’m Willem“.
    Die Spannung oben auf dem Berge ist in Ihren Beschreibungen dann wieder sehr nah entsprechend meiner eigenen Erfahrungen widergegeben: Erwachsene finden eigene Kindheitserinnerungen oder historische Kirchenstätten und Pilgerwege, während Kinder sich einfach nur „im Wald“ befinden und dem Wort „Wandern“ seinen Sinn entrauben, indem sie eine Viertelstunde lang hüpfen, laufen, toben und klettern – und die darauffolgenden Stunden nur noch den „wann sind wir endlich daaaa?“-Tenor singen…
    In diesem Sinne, grüßen Sie die Herzdame und die Söhne, kommen Sie gerne wieder – warten Sie aber nicht auf ein eventuell entstehendes 180°-Café, sondern planen Sie lieber (wie hier in den Kommentaren schon vorgeschlagen) etwas Geocaching oder Ähnliches zum Zeitvertreib für die Kinder ein, und pausieren Sie vor oder hinterm Berge, zu Ihrem eigenen leiblichen Wohl. Und nehmen Sie ein Schnitzmesser mit, jawoll!
    Ich bin gespannt auf Ihr handwerkliches Geschick, dessen Ergebnis ich dann auf einem Spaziergang dort entdecken darf!
    Fröhliche Grüße aus Minden,
    Jaqueline

  6. Meine Großeltern, die ihn vor rd. 25 Jahren des öfteren mit mir aufgesucht haben, nennten ihn noch ehrfürchtig „Kaiser Willem“.

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