Noch eine Verlagszusendung, diesmal vorher angefragt. Ob wir Interesse an einem Geo-Epoche-Heft hätten? Zum Thema Hamburg? Das habe ich reflexmäßig zugesagt, weil die Herzdame beim Thema Hamburg und Geschichte auch bei Krimis immer zuschlägt, das konnte so verkehrt für sie also nicht sein.
Und dann lag das Heft eine Weile dekorativ auf dem Wohnzimmertisch herum, als würden da dauernd Coffeetablemags liegen, was hier durchaus nicht der Fall ist. Unser Konsum an Printperiodika geht eher gegen Null. Und das Heft lag und lag, die Herzdame kam nicht dazu, ich kam nicht dazu. Es war aber ganz richtig, dass es da so dauerhaft lag, denn dadurch wurde es für die Kinder interessant, die es dann durchgeblättert haben, bevor wir überhaupt dazu kamen. Sie haben es auch nicht nur einmal durchgeblättert, sie haben es ziemlich oft in der Hand gehabt und sich die Bilder sehr genau angesehen. Es sind viele Bilder und wenig Text im Heft. Und die Söhne haben nach ein paar Tagen erst angefangen, Fragen dazu zu stellen. Fragen nach den großen Seglern im Hafen, nach den armen Leuten und besonders nach den hungernden Kindern auf den Fotos. Fragen nach dem U-Bahn-Bau und nach den Naziaufmärschen und nach Hitler. Sohn I wird bald neun Jahre alt, da gibt es allmählich ein gewisses Geschichtsverständnis. Es gab auch wieder Fragen nach dem Krieg und nach den Nazis damals und heute und warum denn bloß und wie isses nun bloß möglich, was ganz zufällig das ist, was sich ihr Vater seit Monaten auch die ganze Zeit fragt.
In der Folge gab es auch noch Fragen nach der Nachkriegszeit und der Sache mit der innerdeutschen Grenze und der DDR und Honecker, und es gab auch Fragen nach der allgemeinen Arschlochhaftigkeit von Diktatoren, und absurderweise genau einen Tag vor ihrem Tod wurde hier festgestellt, dass die Witwe von Honecker noch lebt und es wurde etwas beunruhigt gefragt, ob sie nicht doch noch gefährlich sei. Es gab Fragen nach dem Zeppelin, wozu ich ihnen sagen konnte, dass bei den Männern, die das Luftschiff damals bei der Landung auf den Schultern trugen, vielleicht einer ihrer Urgroßonkel mit auf diesem Bild ist, das fanden sie natürlich spannend. Es gab Fragen nach der Speicherstadt usw., das Heft hat sie wirklich zum Grübeln gebracht, und das ist pädagogisch ja oft erstrebenswert. Und wie leicht das war – einfach durch ein paar Bilder.
Wobei mir aufgefallen ist, dass so ein Coffeetableding ein hervorragendes Mittel ist, um die Jungs neugierig auf ein Thema zu machen, das hat so dermaßen gut funktioniert, man sollte vielleicht öfter Bildbände wie zufällig irgendwo herumliegen lassen. Bildbände zur Geschichte, zu anderen Ländern, was auch immer. Als ich Kind war, lag im Wohnzimmer meiner Eltern so eine Sammelreihe mit Heften zur Kunstgeschichte, ein Heft pro Künstler, seitenweise Ölgemälde. Darunter auch schauderhaft detailgetreue und blutige Bilder der Kreuzigung Jesu, von Operationen mit herausgegriffenem Gedärm und von kämpfenden Gladiatoren mit offenen Wunden, das war ganz und gar nicht kindgemäß aufbereitet. Das fand ich alles hochinteressant und habe es sehr oft durchgeblättert, so oft, dass ich einige der Maler aus der Reihe heute noch an ihrem Stil erkenne. Das hat aber nur geklappt, weil es bei uns eben nur diese Reihe gab, nicht noch zehn andere, nicht hundert andere Bücher. Das war also eine Verknappung, die wir heute so nicht mehr herstellen könnten und wollten. Und dennoch – beim nächsten Büchereibesuch sehe ich mir mal ein paar große und üppig bebilderte Bände zur Geschichte für diesen Zweck genauer an. Und zwar aus der Erwachsenenabteilung. Sonst wirken sie vielleicht nicht, das ist im Grunde wie bei den Malbüchern.
Das Geo-Epoche-Heft Hamburg hat bei den Söhnen super funktioniert. Zu grauenvolle Bilder sind auch nicht darin, erklärungsbedürftige umso mehr. Für Kinder ab etwa Grundschulalter ist das Heft nach den Erfahrungen bei uns jedenfalls wesentlich interessanter, als man vielleicht zunächst annimmt.
Eure Jungs haben einfach auch verdammt viel Glück mit ihren Eltern. Großen Respekt an Euch alle.
Alles schön und gut, aber nun hätte ich das Ganze gern „in Berlin“. 🙂