Frau Kaltmamsell fragt hier, was man Kindern heute so beibringt, ausgelöst wurde ihr Gedanke durch Schwimmkurse, es geht da aber auch ums Radfahren und um Küchenfertigkeiten etc., wozu nebenbei erwähnt werden kann, dass Sohn II perfekte Rinderrouladen hinbekommt, er hat eben Interesse am Basteln. Kochen ist so etwas, das bringe ich bei Interesse bei, die Kinder können jederzeit gerne mitmachen, ich verdonnere sie aber nicht dazu und mein Ehrgeiz hält sich auch in Grenzen.
Ich bringe den Söhnen – sofern sie weiterhin Spaß daran haben – aber halbwegs planmäßig Bloggen bei, wobei ich mir einbilde, einer uralten Tradition zu folgen, nämlich der familiären Weitergabe eines Handwerks. In den letzten Jahrhunderten ging es in meiner Familie dabei um Glas, mit dem man etwas als Werkstoff machte, ich habe mich entschieden, eher vor einem Glas zu sitzen und darauf zu starren, es gibt eben in jeder Familie Abweichler. Aber auch die können Traditionen begründen.
Und da ich gerade wieder gefragt wurde, wie das mit den Söhnen und ihren Texten denn geht, erkläre ich das noch einmal. Wir haben hier keine Wunderkindproduktion, die Söhne schreiben also nicht selbst an der Tastatur, die Söhne diktieren mir. Alles andere würde nennenswert zu lange dauern, tagelang womöglich und danach gäbe es dann nur einen Satz. In den Texten wären auf diese Art außerdem noch mehr Rechtschreibfehler als in meinen, das möchte man ja alles nicht. Sie stehen also neben mir, wann immer sich eine Idee für einen Blogeintrag ergibt, und erzählen mir, was es zu schreiben gibt.
Und auch dabei darf man sich nicht vorstellen, dass da spontan ein druckreifer Text aus dem Kind kommt, denn der erste kindtypische Gedanke nach z.B. einem gelesenen Buch ist: “War gut.” Das entspricht in der Textlänge aber nicht ganz dem, was man gerne hätte, als, nun ja, Chefredakteur dieses Onlineangebots habe ich da doch gewisse Vorstellungen.
Ich stelle den Nachwuchsschreibern also möglichst zielführende Fragen und warte auf verwendbare Sätze. Ich lege ihnen nach Möglichkeit nichts in den Mund, der Text soll schon von ihnen sein, aber ich frage so, dass ihnen mit jedem Blogeintrag mehr klar wird, worum es geht. Und dazu gehört für die Kinder eine ganze Menge an Wissen, das macht man sich vielleicht nicht sofort klar. Wenn sie etwa so einen Blogeintrag schreiben, wie Sohn I ihn gerade veröffentlcht hat, in dem ein Geschenk für Kinder empfohlen wird, dann müssen sie sich nach der Lektüre des Buches oder nach dem Hören der CD überlegen:
Für wen das eigentlich geeignet ist, denn da draußen lesen Menschen aller Altersklassen und Eltern mit Kindern von bis den Text, das bedarf einer realistischen Einschätzung. Dazu muss man überlegen, ob es auch dem kleinen oder großen Bruder gefallen hat, ob man es schon von früher kennt, aus der Vorschule vielleicht, ob man es in einem Jahr oder in fünf Jahren auch noch mögen würde. Und ob es Papa gefallen hat, das kann auch von interesse sein.
Wie das Buch gesamt war, denn nicht alle Kinder mögen Gruselbücher und einige lesen nur lustige Werke oder Comics etc., da ist man auf einmal schon nahe an den literarischen Gattungen, man braucht erst einmal irgendeine Schublade.
Worum es überhaupt ging. Diese Frage finden wir als Erwachsene einfach und naheliegend, wenn man aber sieben oder neun Jahre alt ist, dann ist das ganz und gar nicht einfach, sondern sogar sehr schwer. Kinder denken in dem Alter zuerst an genau einen Punkt: “Es geht um den Fuchs!”, danach denken sie erst mit viel Mühe an die gesamte Geschichte, an einen erzählerischen Rahmen und an all das, was wir so selbstverständlich finden.
Warum das Buch oder die CD überhaupt gefallen haben, was war das denn nun? Das ist auch ein enorm schwieriger Aspekt für Kinder, da raucht der Kopf – warum empfand ich da was? Was hat wie gewirkt und warum?
Gab es noch irgendeinen Special-Effekt, den man erwähnen müsste? Tolle Bilder? Und wenn ja, wer hat die gemacht?
Damit ist man dann beim Urheberrecht und bei Credits, das klingt kompliziert, aber das ausgerechnet ist für Kinder ganz einfach. Dass man erwähnen muss, wer was gemacht hat – völlig logisch für sie. Man darf nicht beliebig Bilder aus dem Internet pflücken, das fanden beide schon früh naheliegend, die hat ja wer gemacht, den man erst fragen muss, das ist wie bei fremdem Spielzeug, das irgendwo auf dem Schulhof herumliegt. Und wenn man das teilen darf, muss man den Spender erwähnen, das ist auch klar. Kinder haben einen Umgang mit Credits und Sharing, da können sich viele Erwachsene eine Scheibe abschneiden.
Wenn der Blogartikel von uns selbst bebildert wird, muss man ein sinnvolles Bild machen. Wie präsentiert man ein Buch? Und wie kommt das Bild von der Kamera oder vom Handy ins Netz? Muss man es erst bearbeiten? Wie geht das nun?
Da hängt also eine Menge dran. Einiges klingt verdächtig nach Deutschunterricht, einiges klingt nach Medienunterricht, vieles klingt überhaupt nach Schule und Lehrplan, es ist aber tatsächlich Spaß und es geht auch meistens recht flott. Und nichts davon ist Lernen im Sinne einer Unterrichtseinheit, das ergibt sich alles im Gespräch, ganz nebenbei. Sohn I hat viele dieser Fragen natürlich mittlerweile schon verinnerlicht, Kinder lernen schnell. Bei allem.
Dann lese ich den gesamten Text noch einmal vor, wir verbessern gemeinsam und überlegen, wie das klingt und was noch fehlt. Das tun wir sogar ziemlich lange, denn meistens wird es genau da spannend, da findet man eventuell den eigentlich spannenden Punkt oder sogar eine Pointe. Und dann wird der Artikel gepostet.
Kommentare zu den Artikeln finden sie beide nett, aber wichtig sind sie ihnen nicht. Was sie mittlerweile wirklich gut verstanden haben, ist der Umstand, dass andere Eltern z.B. dieses Buch mit dem Fuchs nicht kennen – und es deswegen ihren Kindern auch gar nicht schenken können. Das ist also sinnvoll und richtig, so etwas weiterzugeben, da gibt es den häufigen Satz: “Da freuen sich andere Kinder”.
Das ist so ein Satz, über den man als Erwachsener nicht lächeln sollte, denn der treibt mich ja auch um. Wenn ich eine vermeintlich gute Pointe schreibe, denke ich im Grunde auch: “Da freuen sich andere Erwachsene”, weiter reicht meine Weisheit da auch nicht, das ist es doch. Und all die anderen Fragen da oben, die stelle ich mir übrigens auch dauernd. Wie war das Buch? Warum schreibe ich jetzt was? Wer soll das lesen, wem sage ich hier was? Und wer hat das übersetzt? (Und wer bin ich und was mache ich hier eigentlich?)
Man muss zuerst auf die richtigen Fragen kommen, der Rest ist Handwerk. Handwerk lernen die Söhne auch in der Schule, Rechtschreibung und Kommaregeln und alles – aber bei den Fragen kann ich ein wenig vorgreifen, weil sich dieser Familienbetrieb hier nun einmal mit so etwas beschäftigt. Es ist der Weg von “War gut” zu “In dem tragischen Roman XY von XY geht es wunderschön geschrieben um …”
Im Moment schreiben beide nur über Produkte und Bücher, vielleicht wird sich das auch noch ändern. Dann gibt es ganz neue Fragen, das wird dann wieder spannend für uns alle. Vielleicht haben sie auch zwischendurch jahrelang keine Lust auf die Bloggerei und Schreiberei, vielleicht vertreten sie mich irgendwann wochenlang, das ist alles recht, es kommt, wie es kommt. Ich kann ihnen nur Begeisterung für eine Tätigkeit vorleben, der Rest ergibt sich irgendwie.
Aber als Sohn I neulich den Berufswunsch Blogger erwähnte, war ich doch tatsächlich ein klein wenig stolz. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Klingt in allen Richtungen toll. Nach viel Freiheit mit der nötigen Disziplin, die gar nicht negativ sein muss.
Heute als Erwachsene bin ich ziemlich glücklich über die verschiedenen Fähigkeiten, die meine Eltern mir vermittelt haben. Welchen Wert das alles hat, habe ich erst sehr spät begriffen, früher empfand ich das natürlich als Ausbeute. Und das ist der klitzekleine Unterschied: Spaß. Und den habt ihr offensichtlich. Und den hatte ich. Bei diesem Text und auch bei der Fuchsbuch-Empfehlung. Meine Kinder (7+5) werden sich sicher darüber freuen.
Kinder sind schlauer. Sie bringen ihren Eltern sehr viel bei:
Geduld. Sehr viel Geduld. Und Demut.
Es sind die Fragen. Ja.
Vielleicht gibt es ja in ca. 5 Jahren einen Pupertätsblog, wo ein Sohn sehr kurzweilig mit feinem tiefen Humor „die unfassbare Spießigkeit“ seiner Eltern beschreibt.
Ein klein wenig enttäuscht bin ich ja jetzt schon, ich hatte irgendwie so ein Bild vor Augen von Sohn I und II, wie sie abwechselnd das Diktierprogramm niederbrüllen.
Genau, was Cem Basman sagt:
Für mich klingt „Beibringen“ ein wenig nach Hände Ringen und „Er kapiert es einfach nicht!“ Brüllen. Ich habe mit fünf oder sechs Jahren Fahrrad fahren beigebracht bekommen und es war nicht immer schön. Mein Vater hatte oft Rückenschmerzen.
Ich habe meinem Sohn letztes Jahr ein Laufrad gekauft und dieses Jahr ein Fahrrad. Er kann mit drei Jahren Fahrrad fahren, ohne dass ich irgendwas gemacht habe.
BIs 10 Zählen hat er auch alleine und im Kindergarten gelernt; wenn ich ihn abgefragt habe, hat er mich immer verarscht („1, 2, HUNDERTMILLIONENTAUSEND!!! 3, 4, FÜNFZIG!“).
Mittlerweile konzentriere ich mich allein aufs stolze Staunen.
Gebloggt:
herzdamengeschichten.de/2016/11/06/was…
Jo.
Und da lernen Sie mehr fürs Leben als an den meisten Schulen und es bleibt länger haften, da mit Freude und selber gemacht.
Ob ich so lange lebe zu erleben ob Ihre Söhne in irgendeiner Form ihre Berufswahl in diese „Familienrichtung“ treffen? Spannend.
Wirklich eine beneidenswerte Ausbildung, die beide Söhne da bekommen! (Wobei ich eher die Didaktik meine als die Thematik, aber beides fügt sich ja bestens ineinander…)
Tochter 1 übt übrigens hiermit tippen. Völlig freiwillig und eigenmotiviert. http://www.tipptrainer-calli-clever.de/tipp-trainer/
Als angehende Pädagogin zähle ich jetzt mal auf, was Ihr da alles gemeinsam treibt: Kokonstruktion, Selbstbildungsprozesse begünstigen, entdeckendes Lernen ermöglichen, co-kreativer Austausch, Medienbildung, Erweiterung von Erzählkompetenzen, sozial-emotionale Kompetenzförderung. Letztlich ist das gelebter Situationsansatz: Es ist was für sie von Interesse und Ihr macht was draus. „Lernen ist, was du draus machst.“
Und das Geile: Sie lernen, weil es ihnen Spaß macht. Weil es sie interessiert. Kinder bilden sich immer da, wo es für sie einen Sinn ergibt. Kinder lernen, was für sie Bedeutung hat – und nur dann lernen sie wirklich, wenn es für sie ganz persönlich bedeutsam ist. „Education is an admirable thing, but is well to remember from time to time that nothing worth knowing can be taught.“ (Oscar Wilde). Und: „Leben ist fortwährendes Üben.“ (Hugo Kükelhaus)
Das mit dem Beibringen ist so eine Sache. Ihr lebt ihnen vor, was für Euch Wert und Bedeutung hat, und das, was sie daran interessiert, greifen sie auf und machen mit. Ihr habt Fach- und Sachwissen, das Ihr mit Euren Kindern durch Gespräche teilt, und durch Eure Methodenkompetenz könnt Ihr zu den Selbstbildungsprozessen Eurer Söhne beitragen. Du kannst dazu referieren, wieso es wichtig ist, einen intendierten Leser vor Augen zu haben (mit angepasster Wortwahl …), und bestimmte Grundbedingungen kannst Du als Wissen vermitteln. Aber die Freude an dieser Kommunikationsform Bloggen und des Handelns selbst erleben sie, das wird nicht beigebracht. Bildung ist eben etwas Aktives – wenn Eure Söhne das Bloggen z. B. öde fänden (wenn Deine Begeisterung nicht so verführerisch wäre), dann gäbe es diese Bildungsprozesse und das Selberbloggen nicht.
Schick Sohn II bitte mal vorbei. Ich mag Rinderrouladen. Lese die Artikel beider, nein, eigentlich der ganzen Familie sehr gerne. Ersetzt wahrscheinlich den eingestaubten Informatikunterricht, der noch für beide Jungs folgen wird. Wenn’s da immer noch nur um Textverarbeitung und Tabellenkalkulation geht. Was anderes habe ich zumindest damals in der Schule nicht gesehen…
wollte ich bei der kaltmamsell schon schreiben, aber vielleicht passt es hier sogar besser: man kann kindern nur bedingt was beibringen, man sollte sich besser darauf verlegen herauszuholen was drinnen ist. die kommen doch alle mit ihren eigenen veranlagungen, talenten und interessen auf die welt, da kann man nicht viel ändern, nur fördern (wie wichtig doch zwei so kleine pünktchen über einem buchstaben sein können …).
meine tochter hat genau auf diese weise viel gelernt, sie hat aber auch gelernt einzusehen dass es dinge gibt, die lernt man halt einfach nicht, stichwort: balletttanzen (sie), herstellung von süssspeisen aller art (ich). insbesondere zu ersterem braucht man eine menge körperlicher voraussetzungen, das ist wie beim singen, das kann man üben, perfektionieren, was weiss ich noch, aber: sowohl der nurejew als auch die netrebko und auch der schumacher kamen so aus der fabrik. da nützen keine helikopter-eltern und keine tollen lehrer und keine wünsche und kein training: ausser schweiss und tränen gibt es da am ende des tages nix.
das vergessen leider viele eltern, weil sie irgendwelchen träumen und schäumen nachhängen, selber gerne im rosa tütü auf der bühne gestanden wären oder formel-irgendwas gefahren wären. und dann soll der nachwuchs ran und gefälligst das lernen, wozu man selber weder talent/unterstützung/lehrer/was-auch-immer hatte.
das nicht(an)erkennen der voraussetzungen und veranlagungen einerseits, und der wunsch so zu sein wie andere, besser noch: besser als andere, das bringt die verziehungsberechtigten ganz oft dazu, forderungen an kinder zu stellen die diese einfach nicht erfüllen können, und dann verzweifeln alle beteiligten am vermeintlichen misserfolg, der eigentlich gar keiner ist, weil eine kuh nun einmal nicht stricken lernen kann.
deshalb lernen halt viele kinder dann einfach gar nichts mehr, weil sie irgendwann selber einsehen dass die forderungen, die an sie gestellt werden, eben forderungen und keine förderungen sind. das ist schlimm für alle, die kinder, die familie, die gesellschaft allgemein, weil ein scheitern, das vorhersehbar ist, den lernenden meist auch den mut nimmt, etwas anderes zu versuchen, oder sich auf das zu konzentrieren was selbst als talent wahrgenommen wird.
deshalb mag ich ihre geschichten so gerne, die vermitteln das gefühl, dass die söhne wahrhaftig so wahrgenommen werden wie sie sind, und jeder eben das gelehrt wird, was ihm spass macht und wozu auch die talente vorhanden sind. so einen umgang würde ich jedem kind wünschen. die perfekte bedienung von smartphones im vorschulalter halte ich dagegen für vernachlässigbar, aber das war hier ja auch nie thema.
Danke! Ich dachte beim Lesen der Buchempfehlung tatsächlich an Wunderkinder!
Sehr schöner Artikel. Ab sofort lese ich die Gastbeiträge noch lieber. Meine Neffen haben übrigens auch schon davon profitiert!