Den gestern in den Kommentaren empfohlenen Band von Julian Barnes habe ich vorgemerkt, vielen Dank für den Hinweis.
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Ein Lob der Zerrisenheit zum Tag der Einheit.
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Die Kunst der Erzählung und die der Geschichtsschreibung:
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Am Feiertag waren wir in Mecklenburg, wie passend. Am Feiertag waren wir in einem deutschen Wald, wie passend. Da wies ein Schild zur Grabanlage eines alten deutschen Adelsgeschlechtes, dem sind wir dann einfach mal gefolgt und haben die Gräber auch irgendwann gefunden, mitten im Wald. Und wenn mich die Wikipedia und Google nicht täuschen, die allerdings ziemlich schlecht erreichbar waren, weil man im deutschen Wald nun einmal kein Netz hat, wenn man nicht gerade eine Kreuzspinne ist, dann lag da einer der Hitler-Attentäter vom 20. Juli, also aus dem weiteren Kreis, und der war einmal, wovon ich noch nie gehört habe, auf dem gleichen Gymnasium wie ich, guck an. So stolpert man alle paar Meter über Geschichte, wie passend.
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Hamburg, Sankt Georg, Lange Reihe. An die Gedenkplakette am Hans- Albers-Geburtshaus hat jemand ein ganz kleines Röschen gesteckt, das sehe ich zum ersten Mal dort. Und auf dem Handy sehe ich, dass es in diesem Haus ein Hans-Albers-Gedächtnis-WLAN gibt, das ist auch schön und würdig. Ich habe da mal eine Wohnung besichtigt, in diesem Haus, ich weiß gar nicht, ob es DIE Wohnung gewesen ist, ich habe das damals nicht einmal gefragt. In der Wohnung gab es jedenfalls einen überaus prächtigen Kachelofen, der war so prächtig, er hätte einen geradezu davon abgehalten, dort in Ruhe zu wohnen. Man hätte da jeden Abend im Wohnzimmer auf dem Sofa gesessen, hätte auf diese wahnsinnig großartigen Ofen geguckt und immer wieder nur gedacht: „Alter Schwede, was für ein Ofen!” Und das wäre ja auf Dauer auch kein Zustand gewesen. Ich bin immer noch dankbar, dass wir diese Wohnung nicht bekommen haben.
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In einem Kommentar zum letzten Artikel wurde mein mäandernder Schreibstil gelobt (vielen Dank!). Am Abend habe ich ein neues Buch angefangen, eine von Susanne Urban und Ilja Trojanow herausgegebene Anthologie über das Gehen (“Durch Welt und Wiese oder Reisen zu Fuß) und gleich auf den ersten Seiten finde ich das Wort Mäandertaler. Ist das nicht furchtbar schön? Und da steht man dann, liest das und ist jahrelang nicht selbst auf das Wort darauf gekommen. Ist das nicht furchtbar dumm?
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Ich gehe am Vormittag durch einen Park, ich kann aber im Herbst nicht durch einen Park gehen ohne das Wort „totgesagt“ zu denken. Das sind so die Spätfolgen allzu intensiven Lyrikkonsums in der Jugend, darüber spricht man beim Deutschen Germanistenverband auch nicht gerne, nehme ich an. Komm in den totgesagten Park und schau, nicht wahr, das kennt man, wobei ich den Park jetzt eigentlich hätte klein schreiben müssen, pardon, komm in den totgesagten park und schau, der schimmer ferner lächelnder gestade, das hatten Sie vielleicht auch mal im Lesebuch stehen, die Wahrscheinlichkeit ist sogar ziemlich groß. Totgesagt, totgesagt, totgesagt, erbaulich geht ja auch anders. Aber seit ich das kenne jedenfalls, also schon sehr lange, gehe ich im Herbst durch irgendwelche totgesagten Parks, schaue so und denke mir: „Ja was jetzt.“
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Seit zwei Tagen haben wir Dauerregen, also das Wetter, das hier früher einmal normal war. Gerade in diesem Moment, es ist 05:30 am Mittwoch, am Feiertag also, ich stehe leise diktierend in der Küche beim ersten Kaffee, wird der Regen stärker, es schüttet, es kübelt, wilde Percussion am schrägen Dachfenster, ein fast vergessenes Geräusch. Die Menschen liefen gestern alle in Jacken durch die doch noch wieder graue gewordene Stadt, gar nicht wenige auch schon in voller Wintermontur, Schal, Mütze, Handschuhe. Bei mir wirkt der unglaublich lange Hitzesommer in der Dachgeschoßwohnung noch so dermaßen nach, ich trage nach wie vor nur einen Pullover. Ich gehe raus, ich werde nass, ich denke: Geil, ich friere ein wenig. Und es ist noch kein Ende abzusehen, vielleicht bin ich ja so dermaßen durchgeglüht, dass die 2018er Wärme bis 2019 reicht.
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“I’m a minority in a minority in a minority.” So hat sich eine Sprecherin auf der Tedx in Hamburg (die Mehrheit der dort Auftretenden war weiblich, geht doch) vorgestellt, sie ist eine palästinensische Christin, die in Israel lebt. Das war Jana Boulus, was sie macht, kann und sollte man sich hier ansehen, sie ist außerdem Fotografin. Ich gehöre keiner einzigen Minderheit an, ich bin durch und durch Mehrheit und Mainstream, was ich vielleicht in manche Gedankengänge stärker einbeziehen sollte. Ich sage ja, irgendwas nimmt man immer von solchen Veranstaltungen mit.
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Musik!
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Manchmal frage ich mich, was die jetzt schon dickeingepackten Menschen im Winter anziehen wollen.
Kürzlich habe ich einen netten Spruch gelesen:
Herbst ist, wenn die Männer im T-Shirt unterwegs sind und die Frauen in dicken Jacken.
Den Satz mit dem Netz und der Kreuzspinne würde ich gern einrahmen und in irgendeinen Wald hängen.