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New Orleans, das Klima und die Gentrifizierung
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In der radiologischen Praxis, in der ich gerade etwas häufiger verkehre, gibt es viele Patientinnen, die Terminserien haben, das ist da wohl der Normalfall. Die Dame an der Rezeption winkt mich immer durch, wenn ich vor ihr erscheine. Ich muss da also nichts mehr aufsagen, die hat mich schon mal gesehen, das passt schon. Und jedes Mal winkt sie lässig Richtung Behandlungszimmer und sagt: “Heiter weiter.”
Immer frage ich mich dabei, ob sie das bei allen sagt, auch bei denen, die nicht nur wie ich wegen vergleichsweise lapidarer Gelenkgebrechen dort erscheinen, sondern wegen irgendeiner entsetzlichen, womöglich tödlichen Krankheit. Heiter weiter. Ich könnte mal wieder die Stoiker lesen, fällt mir gerade ein, warum auch nicht, irgendwo hier liegt ein Band Seneca herum.
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Aus Gründen, die mir vollkommen unklar sind, die meinem zu diesem Thema momentan eisern schweigenden Unterbewusstsein allerdings sicher vertraut sind, fiel mir heute etwas ein. Etwas, an das ich jahrelang nicht gedacht habe. Ich ging am Hauptbahnhof vorbei, sah den Saturnmarkt und mir fiel ein, dass das früher, also ganz früher, einmal ein Kaufhaus Horten war. Damals noch mit anderer Fassadengestaltung, siehe auch Hortenkachel, wieder was gelernt. Und diese Hortenkacheln, das war immer das, was man aus dem Zugfenster sah, wenn man von Lübeck nach Hamburg fuhr und bei der Einfahrt in den Bahnhof so in die Gegend guckte, diese Fassade war für mich immer der Anfang von Hamburg. Horten, wir müssen raus.
Und dann fiel mir ein, dass es zu etwa gleicher Zeit einen Sänger namens Peter Horton gab (den gibt es auch immer noch). Das war eine Weile lang der Niveaugitarrenmann vom Dienst im deutschen Fernsehen, der hat sich recht zügig von schlagerähnlichen Songs Richtung Anspruch entwickelt. Falls Sie den nicht kennen, dieses Lied kennen Sie vermutlich doch:
Bei Peter Horton muss ich aber auch noch einmal etwas verlinken, was ich zwar schon einmal hatte, was aber eindeutig ein wunderbares Stück westdeutscher Kulturgeschichte ist, die Anfänge von Otto Waalkes, hier mit eben jenem Peter Horton. Ganz unkomisch.
Horten, Horton, das klingt schon fast wie eine Deklination, nicht wahr, das klingt wie kurz vor “Marcus et Cornelia in horto ambulant”, da werden sich jetzt sicher einige mit mir erinnern, das war der erste Satz in einem damals gängigen Lateinlehrbuch. Horten, Horton, Horto, deklinieren Sie mal Ihre Kindheit durch, bitte. Nur die Grundform Hort war mir, da bin ich mir ziemlich sicher, in meiner Kindheit gar nicht geläufig, einen Hort gab es in meinem Umfeld damals nicht. Kindergarten ja, Hort nein.
Und das alles fiel mir übrigens nur ein, weil ich mit Sohn I zur neuen Hamburger U-Bahnstation Elbbrücken gefahren bin, so etwas will ja bewundert werden, denn man erlebt normalerweise nicht allzu viele U-Bahn-Neubauten im Leben.
Um diese neue Station herum ist so ziemlich gar nichts, ist alles recht fotogen hässlich, und zwar auf diese urbane Art, die auf Instagram immer ganz gut ankommt. Die Gleise der U-Bahn enden im Nirgendwo direkt vor der dunkelgrauen Elbe, Straßen liegen unbefahren in der Gegend herum, noch nicht eingepflanzte Bäume lehnen an Kränen, Zäune stehen in der Gegend und sperren irgendwas ab, man kommt nicht darauf, was es sein kann. Links vom Zaun Fläche und Brachland, rechts vom Zaun Fläche und Brachland, aber es wird schon alles einen Sinn haben. Und überhaupt, auch Zäune einfach mal hinnehmen! Jahresendentspannung, zur Sinnfrage kommen wir später wieder.
Und von da sind wir dann jedenfalls zu Fuß zurück, am Ex-Horten vorbei, so kam das alles.
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Musik! Heute passend zur Atmosphäre an der neuen U-Bahnstation. Also vom Sound und der Stimmung her, der Text passt nicht recht. Irgendwas ist immer.
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Schön, Bill Callahann endlich mal bei der Arbeit zugesehen zu haben. Zuviele Vögel in einem Baum? Spatzen gibt’s doch an der U-Elbbrücken sicher auch …
Von Marcus und Cornelia habe ich damals auch das mit der Ambulanz gelernt, vonwegen „spazierengehen“. Die Hortenkacheln sind hier in meiner kleinen Großstadt wohl kaputtgehauen worden, der Trümmerhaufen existiert schon seit, na, fünf Jahren oder so. Dabei war das mal wegweisendes Design, das mit den „Kacheln“, die ja eigentlich keine sind. Eher Klinker, noch dazu hohl, jedenfalls offen.
Hortensien, diesen Blumennamen kann ich mir nie merken ohne den Umweg über das Kaufhaus. Aber in der Stadt, in der ich die Eröffnung von einer kompletten U-Bahn-Strecke, also mindestens zehn unterirdischen Bahnhöfen auf einen Schlag miterlebt habe, da steht das Gebäude von dem Kaufhaus noch – ist nur umbenamst.
Ob die Kacheln noch da sind, das weiß ich gerade nicht – könnte glatt mal wieder hinfahren und nachsehen.
Und da meine Randlage von zwanzig Fahrradminuten in die City mir einen sehr spärlichen ÖPNV beschert, bin ich froh und dankbar, mittels meines eigenen Autos noch Teil des Individualverkehrs zu sein, der sich nur aus wirklicher Großstadt heraus „verdammen“ lässt.
Echt mal jetzt – sonst könnte ich nicht so „einfach“ die Fassade von ehemals Horten in der Nachbarstadt inspizieren und auch so manche andere Strecke nur sehr, sehr umständlich zurücklegen.
Aber von Herzen eine feine ruhige Zeit „zwischen den Jahren“ wünsch‘ ich, echt!