Diese jungen Menschen, die auf Beute lauernd an der Straße stehen und für wohltätige Organisationen werben, weil man da Mitglied werden soll, weil man irgendwas abonnieren oder spenden oder wenigstens unterschreiben soll, sie werden immer freundlicher, auf diese falsche, künstlich antrainierte Art, die uns damals schon bei den Bäckereifachverkäuferinnen so auf die Nerven ging und immer noch geht. Diese jungen Menschen springen den Passantinnen in den Weg und rufen mit nicht auszuhaltender Privatradiomoderatorenfröhlichkeit: “Hey, hallo! Schön dich zu sehen! Wie geht es dir? Hast du ein paar Minuten für mich?” Und ich möchte ihnen reflexmäßig und in kommunikativer Notwehr meine Einkäufe über den Schädel ziehen, aber das macht man ja nicht, erstens weil man es nun einmal nicht macht und zweitens, weil sie immerhin für eine anständige Organisation da stehen und nicht für Mineralölkonzerne oder andere Firmen der Finsternis. Aber egal, ich möchte sie anbrüllen, gefälligst die Klappe zu halten, ich möchte sie verscheuchen, loswerden oder wenigstens ignorieren können, aber das geht ja nicht, weil sie wie übergriffige Schachtelteufel unbarmherzig grinsend vor einem auftauchen, ich finde es grauenvoll, es gibt einfach kein Entkommen mehr vor ihrer inszenierten Kumpelhaftigkeit.
Was aber ganz seltsam ist, sie sind alle gleich, immer sind es die gleichen sympathisch aussehenden jungen Menschen mit den verwuschelten Haaren, sie reden auch alle genau gleich. Es muss also ein einheitliches, genormtes Schulungskonzept geben, für das sie in Massen rekrutiert werden und in dem dieses “Hey, hallo!” trainiert wird, aber wie stellt man sich das denn bloß vor? Zwanzig junge Menschen, es sind ja immer sehr junge Menschen, sitzen in einem Kreis um einen Trainer und rufen immer wieder gemeinsam “Hey, hallo!”, bis es endlich fröhlich und jubelnd genug klingt, Gospelchor nichts dagegen. Und dann üben sie “Sich in den Weg stellen” und “Schon von weitem angrinsen” und “Richtig locker winken” und dergleichen, bis sie irgendwann fit für die Straße sind.
Vielleicht sind die jungen Leute auch gar nicht freiwillig in diesen Kursen, vielleicht hat sich ihnen erst ein paar Tage vorher jemand plötzlich in den Weg gestellt und in bester Jahrmarktslaune “Hey, hallo!” gerufen, an die nächsten zehn Minuten können sie sich komischerweise gar nicht erinnern, aber sie haben jedenfalls irgendwas unterschrieben und nun stehen sie da plötzlich im Kreis, sie wissen gar nicht, wie ihnen geschieht und eine Woche später lungern sie schon frisch ausgebildet und im buntbedruckten Sweatshirt einer Wohltätigkeitsorganisation in der Fußgängerzone herum und es werden immer mehr und noch mehr, jede Woche werden es mehr, bis sich die ersten versehentlich im Gedränge gegenseitig in den Weg springen, begeistert “Hey, hallo!” rufen und sich dann in endloser Folge immer wieder vorgestanzte Dialoge aufsagen, aus denen es einfach kein Entkommen mehr gibt, bis sie irgendwann dehydriert umfallen, und dann kann man endlich wieder in die Stadt gehen, ohne alle zehn Meter angelabert zu werden.
Das wird schön.
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhanden Hut werfen, vielen Dank!
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Es ist wohl auch das schlechte Gewissen, dass uns da so innerlich schaudern lässt (es ist ja für etwas Gutes, müsste man da nicht, und eigentlich könnte man ja auch). Stimmt ja alles, aber die manipulative Anmache ist das Problem. Ziemlich wirkungsvoll, auch gewissensmäßig, ist für mich, ehrlich zu sein. Zum Beispiel: „Oh ja, ich habe gerade Zeit, aber überhaupt keine Lust, mich mit dem Thema zu beschäftigen.“
Hat schon oft gut funktioniert…
Wahrscheinlich sind das eher professionelle Fundraiser, die auf Provisionsbasis arbeiten – siehe https://www.karista.de/berufe/fundraiser/
Ja, sie sind tatsächlich geschult, die Leute genau auf diese Art anszusprechen/abzubaggern. Ich habe vor einiger Zeit jemanden drauf angesprochen, dass ich dieses In-den-Weg-springen eher für einen Weg halte, wie die betreffenden Organisationen vorhandene Sympathien aufs Spiel setzen. Da bekam ich zur Antwort: doch, genau so bringt es am meisten (weil die Leute eben schwer dran vorbei kommen)!
Besser im Weg
als arbeitslos weg?
Ach, die laufen da immer noch rum. Das erste Mal, als mir das passiert ist, dachte ich im ersten Moment, dass mich jemand persönlich kennt und mich der Straße getroffen hat. Ich muss da ziemlich verdattert gestanden haben bis ich realisierte, dass ich das Frollein gar nicht kannte und sie mich auch nicht, dass sie nur mein Geld und/oder eine Unterschrift wollte.
Der Kurs heißt „Penetrant aus der Komfortzone hebeln“ …
Mein Trick, beide Daumen hoch und „hey, ich bin schon dabei“ sagen, die Youngsters reagieren begeistert und ich zieh von dannen….kürzt das Verfahren total ab.
Verstehs aber, letzthin hab ich mit Email gegen Landminen unterzeichnet und kurz drauf hat man mich wegen gefilmten Masturbierens vor dem PC erpresst. Da ich nicht vor dem PC masturbiere…war schlecht recherchiert..die Erpressung.
So einem Wesen bin ich letztes Jahr auch auf den Leim gegangen (hätte ich nie für möglich gehalten) und habe unterschrieben! Er hat mich in einer Stressituation dermaßen überrumpelt…
Ist das eine Art? Die bekommen von mir sicher keine Spenden mehr! Und „das Geschäft“ habe ich natürlich auch rückgängig gemacht!
Viele Grüße von
Margit
Letzte Woche war ich mit Gehhilfen eingeschränkt unterwegs. „Hey , Hallo, heute kannst du mir nicht weglaufen. “ war die Begrüßung. Antwort: „Ich kann noch sprechen und sage NEIN! “
Es nervt tatsächlich. Ich könnte mein kleines SozialarbeiterInnengehalt, mindestens 3x auf dem Nachhauseweg verschwenden oder heißt das verspenden?
Auf der einen Seite sind die Leute für mich arme Schweine, weil sie wahrscheinlich in einer modernen Abart der Drückerkolonne gefangen sind.
Auf der anderen Seite stressen sie mich, weil sie erstens im Weg stehen und ich irgendwie um sie herum muss. Und zweitens stresst es mich immer sehr, wenn ich Menschen einen Wunsch abschlagen muss. Ich kann einfach nicht zu fremden unhöflich sein. Auch ein „Danke, aber nein danke!“ hinterlässt in mir ein schlechtes Gefühl – und das finde ich ganz schrecklich, diesen emotionalen Stress.
Hm, es hat Vorteile, wenn man in ein Büro am Rande der Stadt ausgelagert wird…
Als ich vor zwei Jahren immer noch im Zentrum gegenüber der großen Uni gearbeitet habe, hab ich die Herrschaften irgendwann angeschnauzt, das sei mein Arbeitsweg und ich hätte genug davon viermal am Tag angelabert zu werden.
Einmal hatte ich Spaß mit denen von der Diakonie, als die Organisation sich gerade nachrichtenwirksam um den Mindestlohn gedrückt hat…
http://www.stefanludwigfilm.eu/de/projects/ein-sommer-voller-tueren-dokumentarfilm/
Dokumentarfilm ueber diese jungen Menschen 🙂