Gefangene Gießkannen

Bedrückender Wandel

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In der Heimat der Herzdame, im wilden Nordostwestfalen, geht das Wasser zur Neige, und wenn man diese Hitzewelle dem Klimawandel zuordnet, dann hat der jetzt Folgen im Detail, auf die man erst einmal gar nicht kommt. Wie meine Schwiegermutter berichtete, sind auf dem Friedhof im Nachbardorf jetzt die Gießkannen angebunden, damit die Leute nicht mehr die Grabbepflanzungen wässern können, das Wasser muss eben überall gespart werden. Wenn man ein wenig Vorstellungsvermögen oder vielleicht sogar Schreibinteresse hat und sich den erstaunten Dialog vorstellt, den zwei ältere Besucherinnen oder Besucher eines Friedhofs vor diesen auf einmal gefangenen Gießkannen am Brunnen führen, dann hat man schon Literatur zur Klimakrise im Sinn.

“Jetzt kann man wohl nicht mehr gießen, was.”

“Dann geht mir doch alles ein.”

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In Hamburg scheint währenddessen die rigide Regelung der E-Scooter-Parkzonen nicht zu klappen. Da sollte eigentlich über die Apps gesteuert werden, dass man die Roller in stark besuchten Zonen nicht abstellen kann, also Fahrten nicht beenden kann, und von diesen Zonen gibt es viele in der Stadt. Dort stehen die Roller jetzt aber dennoch, da spielt die Technik noch nicht mit. Den Gesprächen, die man in der S-Bahn etc. so mitbekommt, kann man eine gehörige Grundskepsis gegenüber dem neuen Verkehrsmittel entnehmen, mit dem oft wiederholten Argument, die Stadt sei doch eh schon so voll – und wo soll das denn alles noch hin. Wogegen ich als Bewohner des kleinen Bahnhofsviertels nichts einwenden kann, ich bin viel mehr an weniger Autos als an neuen Verkehrsmitteln interessiert. Dennoch habe ich so ein App installiert und mache demnächst mal eine Testfahrt, sonst kann ich das ja nicht richtig beurteilen. Beim ersten Versuch war mir der einzig verfügbare Roller aber zu weit weg, denn das ist dann doch albern, wenn ich zu meinem Verkehrsmittel erst einen ausgedehnten Spaziergang machen muss, dazu wohne ich nicht neben dem Hauptbahnhof.

In diesem Zusammenhang eine aktuelle Kinderfrage: “Papa, warum sind Moias eigentlich immer leer?”

Ja, warum? Und sind sie es überhaupt wirklich? Die betreibende Firma sagt nein, die eigene Erfahrung beweist eher das Gegenteil und wenn man so herumfragt, reden alle nur von leeren Fahrzeugen. Ab und zu sieht man mal einen einzelnen Fahrgast, von Auslastung kann aber überhaupt keine Rede sein. Ist das nun ein riesiger Stichprobenfehler oder was passiert da? Wo fährt denn diese Auslastung herum?

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Apropos Verkehr. Mein Fahrrad hatte einen Platten, und da es noch diverse andere Probleme hatte, es ist immerhin ein sehr altes Fahrrad, brachte ich es in eine Fahrradwerkstatt. Wo man mir freundlich beschied, das könne und dürfe man gar nicht reparieren, der Rahmen sei doch aufgesprungen, da unten, gucken Sie mal: “Das hätte jederzeit unter ihnen wegbrechen können.”

Wenn ich mir jetzt überlege, wie oft ich in den letzten Wochen knapp neben SUVs und Lieferwagen hergefahren bin – hoppla.

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Musik! The book of love is long and boring, no one can lift the damn thing. It’s full of charts and facts and figures and instructions for dancing.

Was für eine grandiose erste Strophe.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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7 Kommentare

  1. Bericht aus Barmbek/Eilbek/Wandsbek: Moia liefert östlich der Alster eine Art Geisterpantomime („Pantomime“ wegen der quasi lautlosen Fahrweise) – es fahren nur, wirklich nur leere Fahrzeuge herum, keine Übertreibung! Ich habe überhaupt in ganz Hamburg bisher ein einziges Mal Fahrgäste in einem der Wagen gesehen, und die stiegen am Hbf aus. Und nein, ich übersehe da keine auf dem Boden hockenden Passagiere, sondern kann vom Rad aus immer gut ins Innere blicken.

    Heute morgen ein sehr beredtes Beispiel: Ein leeres Fahrzeug von Moia bog vom Flughafen kommend Richtung Steilshoop ab, während ein anderes leeres Fahrzeug (auch Moia, klar) von Steilshoop kommend Richtung Flughafen abbog. Völlig bizarres Bild.

    Was tun die da? Ich mein, außer offensichtlich eine Auslastung herbeizulügen (ich glaub denen in der Hinsicht kein Wort)?

  2. Danke für den heutigen Musiktipp: zu diesem Lied haben wir geheiratet, schön hier so unverhofft darüber zu stolpern.

    Danke auch für die immer wieder traurigen, heiteren, skurrilen und überraschenden Alltagsbeobachtungen. Ich lese so gern von Ihnen!

    Viele Grüße von der Elbflorenz in die Elbmetropole! Julia

  3. Ich befürchte, dass kaum einer sein Auto stehenlassen wird, um auf einen E-Roller zu klettern. Viel mehr werden Menschen weniger zu Fuß gehen – wasnatürlich nicht im Sinne der Senkung des CO2-Fußabdrucks ist.

    @FrauC: Moia ist sowas wie ein Ruftaxi – aber nur in Hamburg

  4. Hier™ (in Elbflorenz) werden Friedhofskannen ganz selbstverständlich immer angekettet. Gibt extra Bügel dafür.

  5. Rahmenbruch kenne ich auch. Seien Sie froh, dass das Teil aus dem Verkehr gezogen wurde, das ist brandgefährlich! Wenn Sie eine gute Fahrradwerkstatt haben, suchen Sie im Internetz nach einem heilen gemufften Stahlrahmen und lassen ihn in der Werkstatt aufmöbeln. Sollten Sie tatsächlich einen Rahmen auftun, lassen Sie ihn vorher sandstrahlen und pulverbeschichten. Ich würde nichts anderes mehr fahren.

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