Vier weitere Wochen

Mein Handy klingelt im Büro, es ist Sohn II. Vermutlich ist er vom Orthopäden zurück und der verdammte Gips ist endlich ab, denke ich und gehe in fröhlicher Erwartung ran. Ich höre allerdings schon bei der Begrüßung das Beben der Unterlippe und ja, das kann man wirklich hören, wenn man Kinder hat, man lernt das im Laufe der Jahre. Es war nicht so gut, sagt der Sohn sehr leise, kaum zu verstehen, und vor meinem inneren Auge ziehen in einer Sekunde all die Bilder und Szenen aus den letzten Wochen vorbei, in denen er sich nicht weisungsgemäß geschont hat, eher im Gegenteil. Also die vielen Szenen, in denen er mit dem Gips auf Bäume geklettert und wieder heruntergesprungen ist, in denen er damit auf einem Trampolin war oder an Pollern Bockspringen mit Krücken geübt hat und danach auch Handstand an Krücken und Sprint über 100 Meter und all das, sehr schnell ziehen diese Bilder vorbei, sie flackern so durch. Und als er sagt, dass der Knochen jetzt leider ganz durch sei und keineswegs programmgemäß zusammengewachsen, da knicke ich innerlich doch etwas ein, obwohl es also keine völlig überraschende Nachricht ist. Ich gehe, noch bevor der Sohn die Sache weiter erklären kann, die nächsten Wochen durch, ich erweitere jeden Programmpunkt um das Feature “jetzt mit Gips”, und als er sehr kleinlaut sagt, dass er noch weitere ganze vier Wochen einen neuen Gips tragen muss, vielleicht sogar noch länger, da bin ich in meinen Gedanken und Plänen auch schon fast am Ende dieser vier Wochen angekommen. Ich atme auch schon fast wieder normal und halbwegs regelmäßig.

Und selbstverständlich verkneife ich mir jeden pädagogisch sein sollenden Hinweis, dieses Kind ist ganz klar schon fertig genug, denke ich mir. Ich komme aber sowieso auch mit höchster Konzentration auf gar keinen konstruktiven Satz, denn Sommerferien mit Gips am Fuß, wie doof ist das bitte, das möchte niemand erleben. Es ist aber auch gar nicht notwendig, auf konstruktive Sätze zu kommen. Denn der Sohn gibt jetzt wirklich erstaunliche Geräusche von sich, meine Güte, das sind ja Heulkrämpfe erster Klasse, denke ich noch, bevor ich darauf komme, dass er allmählich einfach nicht mehr kann vor Lachen.

Okay, Kapitel durch. Der Gips ist also ab und Sohn II hat einen erstaunlich treffsicheren Humor. Das eine ist gut, das andere ist manchmal etwas schwierig. Ich werde wohl noch einmal grundsätzlich klarstellen müssen, dass in dieser Familie nur ich für den Humor zuständig bin.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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7 Kommentare

  1. Schonma vormerken für den Sohn, wenn er so 16 ist: „Der Willi ist weg“ von Jörg Juretzka. Könnte zu seinem Humor passen. (Sowieso immer empfehlenswert, sadas

  2. au weia, ah, oh, puh!
    Digitaler Wiedervorlageordner, da gibt es doch sicher was? Ich frage für die Buchempfehlung im Kommentar.
    Schöne Ferien!

  3. Ohgottohgott, jetzt war ich aber auch zwischen weinen und lachen. Grüße an den jungen Meister und schönen Urlaub (ohne Gips!)

  4. Orrr! Habe ich jetzt mit!ge!lit!ten!!! Ich wurde co-ver@#$rscht!

    Na, besten Dank auch!

    Danke für den Buchtipp und viel Freude noch mit diesem Sprössling!

  5. Diese Story von Sohn 2 hat mir den Abend gerettet. Gefrustet von Arbeit heimgekommen, den Rest des Abends in mich rein gegrinst. Danke, auch an den Sohn.

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