Bei HONY wieder eine ganze Romanhandlung in einem kurzen Beitrag.
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Warum es Wasser zum Kaffee gibt. (Via Petra auf Twitter)
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Währenddessen geschieht hier auf den Straßen Seltsames, ganz so, als würden diverse Meldungen aus den Medien in der Stadtmitte zuspitzend und geradezu volkstheaterhaft inszeniert. Zum einen sehen wir mehr und mehr ganz neue SUV-Modelle, noch einmal größer und barocker als die Vorgänger, schier riesige Kutschen, unfassbar eigentlich, monströs, gigantisch. Wie drehbuchoptimiert gibt es auch immer mehr kleine Szenen, in denen diese Autos in den kleineren Nebenstraßen nicht mehr aneinander vorbei passen oder Kurven nicht mehr richtig zu nehmen in der Lage sind oder an Garageneinfahrten scheitern, die noch in den Zeiten des Fiat Panda gebaut worden sind. In Artikeln wird wieder und wieder auf das Sicherheitsgefühl verwiesen, das diese Ungetüme ihren Insassen ermöglichen, ich frage mich, warum dann der Fahrersitz immer noch ganz außen an der Seite ist, in der Mitte müsste man darin doch sitzen, in der Mitte, da ist es ganz klar am geschütztesten. Und dann natürlich auch etwas erhöht, damit die Rundumsicht noch besser wird, dann erst wäre alles richtig und hier, noch ein Vorschlag – apropos Barock. Wenn so ein SUV schon eine dermaßen verschwenderische Nutzung der Gegenwart ausstrahlt, wären nicht dezente Memento-Mori-Applikationen eine schicke Ergänzung? Könnte man nicht Gebeine und Schädel, meinetwegen auch stilisiert, rundum am Fahrzeug anbringen, verchromt und alles, aber doch so, dass die Vergänglichkeit ständig mitfährt? So Vanitas-Gelöt? Ich würde das gut finden. Oder warten Sie, eine günstigere Variante, die auch der Tatsache gerecht wird, dass man mit einem Auto immer ein potentielles Mordgerät fährt, standardmäßig sollte ein Betrachtungssärglein mitgeliefert werden, das dann am Rückspiegel baumelt wie früher der Wunderbaum, wäre das nicht etwas? Ja, Betrachtungssärglein, so heißt das.
Zum anderen brausen gefühlt jeden Tag noch mehr getunte Superbrummer um die Blöcke, Sportwagen der allerhöchsten Leistungs- und Tuningklasse, die ihren Sprit laut schlürfend in Tempo-30-Zonen vergurgeln. Die sorgen hauptsächlich für Geräusch, und dieser Sound wabert dann so durch die Straßen und die Bebilderung erfolgt durch die SUVs, in der Kombination ergibt das so eine Endzeit-Ausstrahlung, kurz bevor die Autos verschwinden, kurz vor dem Untergang, muss alles, alles noch einmal gezeigt und vorgeführt werden. Vielleicht ist es das.
In einer Nebenstraße fährt eine Radfahrerin, die Straße ist eine Einbahnstraße, Radfahrerinnen dürfen da aber auch in beiden Richtungen fahren, das ist hier in fast allen Einbahnstraßen so, wenn nicht sogar in allen. Da aber für die Autos die Einbahn angezeigt wird, sehen die keinen Grund, den entgegenkommenden Menschen auf Rädern auszuweichen, nein, keine Handbreit dem Radgelumpe! Sie lassen es also darauf ankommen, sie sind im Recht und wer im Recht ist, der darf andere auch umbringen, das kennt man schon aus Western, das ist richtig so. Ein Auto kommt der Radfahrerin entgegen und weicht also nicht aus, nimmt keine Rücksicht, wie es jetzt Standard ist. Es fährt ihr im Gegenteil sogar in den Weg, weil es in eine Garage gesteuert werden soll, der Fahrer denkt dabei gar nicht daran, die Radfahrerin durchzulassen, die gehört da nicht hin, die soll weg. Die Radfahrerin wird sauer und hat doch irgendwie auch Rechte, meint sie jedenfalls, sie weicht also auch nicht aus und es kommt fast zum Crash, der Autofahrer bepöbelt die Radfahrerin aus dem Fenster als Fotze und die schlägt in höchster Wut im Vorbeifahren aufs Auto, aus dem der Fahrer springt wie ein röhrender Schachtelteufel und die Enteilende am Gepäckträger festhält. Ich stehe am Straßenrand und frage höflich, ob ich vielleicht die Polizei? Der Autofahrer sieht mich an und nickt begeistert, ja, die Polizei, toll! Guter Mann! Ich kläre ihn auf, dass ich die eher für die Dame, nicht aber für einen Verkehrschaoten wie ihn zu holen gedenke, da ist er baff, was mangelt es mir auch an männlicher Solidarität? Hält der Kerl da im Ernst zu der Schreckschraube? Betroffen guckt er mich jetzt an, ja, das beschreibt es am besten, betroffen ob der Ungerechtigkeit der Welt und auch ob meiner Schlechtigkeit. Denn er fuhr doch in der richtigen Richtung, er konnte da also machen, was immer er wollte und die Dame und ich belehren ihn erst einmal, belehren ihn wie die bürgernahen Beamten die Grundschüler auf dem Schulhof. Wisst ihr, was dieses Schild bedeutet, liebe Kinder? Na? Ja, fein!
Am Ende trennt sich alles knurrend und ohne weitere Eskalation, aber wie knapp das immer ist! Wie kurz vor Ohrfeigen und Tritten und purer Barbarei. Es nervt erheblich.
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Musik! Bedouine.
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Und außerdem bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Über die Grundaggression im Verkehr mache ich mir auch in München immer wieder Gedanken. Zwar ist sie durchaus durch Verhältnisse bedingt, aber dann bin ich mal woanders (z.B. im österreichischen Klagenfurt) und erlebe, wie Auto, Fahrrad, zu Fuß aufeinander schauen, sich umeinander sorgen – und beginne zu träumen.
(Bis ich dann gestern auf dem Radweg an einer Frau auf Fußweg vorbeiradle, die in diesem Moment ihrem Hund bühnenzuflüstert: „SCHEISS RADLER.“ – Und alle Hoffnung fahren lasse.)
Und wenn die SUV-Fahrer dann auch noch im Suff fahren, wird es noch gefährlicher!
Je nachdem, wie ich unterwegs bin, ob zu Fuß, per Rad, in Öffis oder als Autofahrer, erlebe ich den jeweils anderen Verkehrsteilnehmer gelegentlich als rücksichtslos, jeder hätte doch da Geschichten parat. Da nehmen wir uns alle nichts. Regt man sich eben mal etwas auf, na und?
Was ich ablehne ist, sich aufeinander hetzen zu lassen und das beobachte ich derzeit zunehmend. Ja, wie blöd sind wir denn? Sollte tatsächlich irgendeiner den Stein des Weisen gefressen haben?
Dieses gegenseitige Bashing führt doch zu nichts. Verschlechtert nur die allgemeine Stimmung.
Hier um die Ecke ist auch so eine Straße am Oranienplatz. Da ist an der Ampel sogar rechts der Radweg in Fahrtrichtung angelegt und links einer mit dem Rad anders rum aufgezeichnet – für die Radfahrer, die den frei gegebenen Radweg in entgegen der Einbahnrichtung nutzen möchten.
Nun rate, wer sich grundsätzlich immer dort falsch, weil sie nach links abbiegen wollen, hinstellt?
Ich – für meinen Teil bin für bessere Bildung – bessere Bildung hinsichtlich von Höflichkeit untereinander, von Empathie zueinander, viel bessere Bildung im Verkehr und überhaupt … viel bessere Bildung für alle Menschen! Auch für die doofen mit für sie viel zu großen Autos.
Das erinnert mich daran, was hier in der kleinen Stadt an der Elbe – und vermutlich woanders auch – los ist: Politessen werden von Fahrern und Fahrerinnen der Elterntaxis angepöbelt weil die aufpassen, dass die Kinder nicht da abgesetzt und eingesammelt werden, wo es nicht gestattet ist. Sogar die Polizei musste schon zum Schutz der Politessen geholt werden. 50 m entfernt gibt es einen offiziellen Bring- und Holplatz! Aber nein, am liebsten fährt man ja, und frau auch, bis direkt ins Klassenzimmer.
Liebe Trulla: Ihr an sich richtiger Einwurf bricht an der Realität, in der Autofahrer aggressiv alle anderen Verkehrsteilnehmer verdrängen (nicht „verdrängen wollen“, sondern die tun das tatsächlich aktiv), und zwar – im Gegensatz zu allen anderen Verkehrsteilnehmer – mit tonnenschweren Tatwerkzeugen.
Solange die faktische Macht im Straßenraum so ungleich verteilt ist und so aggressiv ausgelebt wird, sind alle Appelle an die Nachsicht der anderen Verkehrsteilnehmer gefährliche Augenwischerei.
Das Problem sitzt tatsächlich im Blechkaufen und terrorisiert die Umwelt.
Ich unterstütze in dieser Diskussion – als absolut Aussenstehende (im französischen Outback gibt es derlei Hickhack auf den Strassen nicht) – Trulla. Auch ich meine in diesem aufgeputschten Autofahrer-Fahradfahrer-Gegeneinander in den deutschen Medien das Uralt-Prinzip *Spalte und Herrsche* zu beobachten. Und es funktioniert offensichtlich phantastisch…
Hallo Michi, wenn Sie, wie Ihr Kommentar sehr glaubhaft vermittelt, so überhaupt keine Ahnung von der Materie haben: Wieso äußern Sie sich dann dazu?
Wenn Sie dem Hausherrn oder anderen Praktikern (viele Hamburger radeln nur noch mit Kamera, um die allfälligen Attacken mit Videomaterial belegen zu können) nicht glauben wollen, machen Sie doch einfach den Praxistest:
Ein, zwei Tage mit dem Rad und zu Fuß durch Hamburg, natürlich zu den Stoßzeiten der Blechlawinen (die in dieser Stadt inzwischen werktäglich von sechs bis 21 Uhr dicht an dicht rollen), und dann wird Ihnen die Attitude des ach so aufgeklärten Kritikus schon gründlich vergehen.
Sollten Sie Spuren von Galligkeit in meiner Replik wahrzunehmen meinen: Nee, das ist mehr – das ist die tiefsitzende Wut eines Vaters, der seine Kinder nicht Autowahn und relativierendem Gelaber opfern mag.
Ich bedanke mich ganz herzlich für das Wort „vergurgeln“.
Sich mal aufregen im Straßenverkehr, aus welcher Position heraus auch immer – geschenkt, tatsächlich!
Zutiefst erschreckend aber, wenn eine (r) betreffs seiner/ihrer Verkehrsrechte eine derart kurze Lunte hat, ob nun irrtümlich oder im Recht.
Mein besonderer Dank gilt Coram für die prompte Bestätigung der Ausführungen von Trulla und Micha. Perfekt, besser hätte der „gallige Mann“ die hierzulande fehlende Rücksichtnahme bei _allen_ Verkehrsteilnehmern nicht darstellen können („keine Ahnung“, „relativerendes Gelaber“)!
Nebenbei gesprochen, ist das projezierte Schwarz-weiss/Freund-Fein/Gut-böse Schema ohnehin nicht haltbar, da die meisten Kraftfahrer auch mit Rad unterwegs sind. Interessant wäre allenfalls, ob die aggressiven Autolenker dann auch zu jenen gehören, welche auf ihren Hightech-Rädern Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer durch „kreative“ StVO Auslegung, unangepasste Geschwindigkeit und gern auch fehlende Beleuchtung am Rad gefährden – dann aber im Habitus der moralischen Überlegenheit ob des umweltfreundlichen Verkehrsmittels 😉
maba: Auch Sie relativieren an Punkten, die keine ach so kluge Weichspülerei vertragen – zu welchem Nutzen? Was bringt Ihnen diese am Thema „Gewalt im Straßenverkehr“ erbärmlich versagende Sophisterei? Wen wollen Sie, und warum, verteidigen? Wissen Sie, mit wem Sie sich da gemein machen, welches menschenverachtende Handeln Sie da relativieren?
(Die Fragen gelten den anderen Weichspülern hier in den Kommentaren genauso, klar.)
Haben Sie die Darstellung des Hausherrn gelesen? Sowas ist Alltag in dieser Stadt, jeden Tag gibt es Vorfälle dieser Art, wo tonnenschwere Tatwerkzeuge auf Radfahrer und Fußgänger zugelenkt werden (die wenigsten werden leider angezeigt, in der Regel mangels Zeugen, Herr Buddenbohm ist da eine der wenigen und um so dankenswerteren Ausnahmen).
Wieso wollen Sie (und die anderen) sowas gutheißen? Wieso unterstellen Sie den potentiellen Opfern Launen? Was wollen Sie? Warum leugnen Sie reale Gewalt und verlangen stattdessen von den Opfern noch Mäßigung in der Äußerung?
Wieso reden Sie der Gewalt das Wort?
Lieber galliger Mann,
ich empfehle Ihnen erst einmal ein paar Runden um den Block zu drehen – mit welchem Verkehrsmittel auch immer 😉 – und dann die Posts noch mal zu lesen. Dann werden Sie sehen, dass Ihre Unterstellungen ganz einfach haltlos sind und ausnahmslos auf eigenen Vorurteilen bzw. falschen Annahmen Ihrerseits basieren.
Mäßigung ist übrigens ein gutes Stichwort, ich würde es eher als „Anstand“ bezeichnen, für §1 StVO plädierende Kommentatoren nicht als „menschenverachtend“ und „Gewalt-leugnend“ zu bezeichnen! Diese ganze Eskalation Ihrerseits ist übrigens noch fernab jeder inhaltlichen Diskussion des gar nicht infrage gestellten Problems; also verschwenden Sie Ihre Giftpfeile gefälligst nicht für Unbeteiligte und prüfen Sie Ihre Umgangsformen…
Bedouine gefällt mir auch aunehmend gut, schade, dass ihr Konzert auf dem Reeperbahn Festival schon vorbei ist.