Höher hinaus

Schwarz und Weiß

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Über Sammlungen

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Was schön war” das kommt hier bei mir gerade zu kurz, zugegeben, aber bei Anke drüben kann man etwas nachlesen. Sie verlinkt dort den Text “Was ich lernte, als mein Vater starb”und zitiert eine Formulierung, die ich auch herausgegriffen hätte – “Du sitzt jetzt erste Reihe fußfrei.” Das trifft es ganz gut, wie ich seit ein paar Wochen beurteilen kann. Es ist eine etwas andere Art der Beförderung, ein Aufrücken, über das man doch länger nachdenkt.

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Ich lese in den Briefen von Brigitte Reimann, da fällt irgendwo mitten in den Sechzigern im tiefsten Ostdeutschland eine Formulierung, die mich etwas irritierte: “Ich arbeite wie ein Kümmeltürke.” Das habe ich dann natürlich nachgelesen und es ist tatsächlich eine kleine Ost-West-Geschichte. Während ich das Wort nämlich nur als ausländerfeindliches Schimpfwort parat habe, mutmaßlich Siebziger aufwärts, galt für die Reimann vermutlich eine ganz andere Wortgeschichte, siehe hier. Wieder was gelernt.

 

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In den Tagebüchern von Sandor Márai wiederum stieß ich auf den Begriff Graphomanie, daran anliegend auf den Furor scribendi und die Hypergraphie, und wissen Sie was, die kannte ich doch tatsächlich alle nicht. Aber jetzt! Furor scribendi wenn das nicht schön ist. Sogar als Klaps. Das schreibe ich hier gleich mal an die Wand.

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Auch bei Márai: “In Massachusetts habe ich  meine alte Schreibmaschine wiedergefunden und auf die Rückreise mitgenommen. Wie wenn der entlassene Soldat sein abgeirrtes Pferd wiederfindet; ich höre, wie die Schreibmaschine vor Freude wiehert.

So nett könnte man über einen Computer eher nicht schreiben. Ein vergleichsweise seelenloser Gegenstand.

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In die S-Bahn steigt ein Mann, der die gleiche Kleidung trägt wie ich, was jetzt nicht so schwer ist, wenn ich gerade aus dem Büro komme und ein höchst gewöhnliches Mittelmaßsachbearbeitungsotufit anhabe, allerdings ähneln seine Klamotten, seine Plünnen, wie wir in Lübeck sagten, den meinen so exakt, dass ich fast etwas von ihm wegrücken möchte, um nicht Teil einer seltsamen Inszenierung zu sein. Der andere Mann bemerkt mich aber gar nicht, der sieht nicht nach links und nicht nach rechts, der holt nur seine Kopfhörer raus, over ear, wie man da präzisieren muss und versinkt sofort und so gut sichtbar in der Musik, wie man es auch nicht gerade jeden Tag sieht. Der hält nämlich auch noch seine Hände über die Kopfhörer und sieht für einen kleinen Moment, für ein paar Takte also vermutlich,  durch und durch glücklich und entspannt aus, während er doch vor einer Sekunde noch aussah wie wir alle, die wir da gerade aus dem Büro kommen. Er ist jetzt in einer ganz anderen Sphäre, er schmiegt seinen Kopf an seine Hände, er schmiegt sich eigentlich an die Töne und ist mit geschlossenen Augen weg, so gründlich ist er weg, da ist es ganz gleich, wie sehr sein Hemd meinem ähnelt. Und ich denke mir, ohne sonst etwas von ihm zu wissen, dass er in diesem kleinen Moment, während dieser paar Takte da, eindeutig besser dran war als wir anderen im Abteil.

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Sohn I lernt mit mir Französischvokabeln, minichaine, das hätte ich nicht gewusst. Eine minichaine ist eine Kompaktstereoanlage und der Sohn ist sich gar nicht sicher, was das nun ist, das ist nämlich gar kein gängiger Begriff mehr, das ist mehr so Neunziger oder früher. Die heutige minichaine ist ein téléphone intelligent. Auch noch nie gehört.

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Auf dem Fußweg geht vor mir ein Mann, der hat seine Tochter auf den Schultern, die unzufrieden quengelt und wild mit den  Armen wedelt. In den Händen hält sie einen rosafarbenen Regenschirm für Kinder, den sie dem Vater unabsichtlich mehrfach über die Nase zieht, was diesen nach einer Weile verständlicherweise etwas nervt.  Er bleibt stehen und fragt in einem Tonfall, den man als Vater geradezu brüderlich verstehen kann: “Willst du runter oder was?” Und die Kleine lacht und jauchzt und reckt die Ärmchen zum Himmel und sagt: “Nein! Ich will höher!”

Aber da muss sie dann wohl erst selber etwas wachsen, wenn sie noch höher hinaus will.

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Und außerdem bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte. 

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5 Kommentare

  1. Oh, die Bleistiftsammlung ist ja toll! Sowas würde ich mir sofort selber aufhängen!

    *Geht und fischt den gestern (endlich?) weggeworfenen Bleistiftstummel wieder aus dem Müll*

    In ca. 10 Jahren, dürfte ich ausreichend Bleistiftstummel gesammelt haben, um das nachzubauen. o/

  2. Danke für den Link zu “Schwarz und Weiß“.
    Den habe ich, weil der Artikel so gut ist, gleich an meine Leute weiter geleitet.
    Was Thomas Knüwer schreibt ist genau das, was auch mich mit Sorge umtreibt: diese gnadenlose Gewissheit mancher Menschen, selber immer im Recht zu sein, nimmt allmählich üble Formen an. So geht Spaltung der Gesellschaft und das kann nicht gut sein.

  3. Zum Thema Kümmeltürke fällt mir als alter Hamburgerin das Verb ,“kümmeln“ ein. Es war gar nicht ungebräuchlich zu sagen: “was haben wir gekümmelt…“, oder “ dafür hast du sicher ganz schön kümmeln müssen“. An Türken hat dabei niemand gedacht. Wenn man also die reale Bedeutung bedenkt (fleißiges Arbeiten), müsste sich kein Türke dadurch diskriminiert fühlen.

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