Der Tag ist mir seltsam entgleist und verlief ganz und gar nicht wie vorgesehen, heute daher nur eine Beobachtung im Vorübergehen, heute nur schnell ein junger Mann für Sie.
Der steht vor dem Hauptbahnhof, wo die Menschen stehen, denen noch viel mehr entgleist ist als nur ein Tag, und er ist erkennbar fortgeschritten alkoholisiert. Er dreht sich mit halb geschlossenen Augen auf der Stelle im Kreis, nicht allzu schnell, denn das würde sich mit dem Promillegehalt im Blut nicht vertragen. Er hat die Arme weit ausgebreitet, so kreiselt es sich wohl etwas besser in stark schwankendem Gelände. Er dreht und dreht und deklamiert dabei in leicht breiiger Ausdrucksweise: “Ich bin ein Rap-per …” wobei man sich das nicht allzu flott gesprochen vorstellen darf, eher im Gegenteil, und die Pause zwischen den letzten beiden Silben ist geradezu herausfordernd lang, die beiden Ps kennen sich nur von ferne. Der Mann dreht sich weiter und denkt vermutlich dabei nach, intensiv denkt er nach, bis er seinen Text endlich nach mehreren Umdrehungen mit einem nicht ganz astreinen Reim, fortsetzt, den man im Rap-Kontext aber locker wegstecken kann: “… und liebe Hamburger Wet-ter.”
Dann schließt er die Augen ganz, hebt das Gesicht zum lichtgrauen Himmel und dreht sich nur noch stumm. Sicher wartet er auf die Inspiration für weitere Verse, so viel Zeit habe ich aber heute nicht, ich muss weiter. Ich bin ein vielbeschäftigter Familienvater und kann mich nicht nebenbei auch noch wertschätzend um so besinnliche und zeitlich herausfordernde Künste wie etwa Deutsch-Rap kümmern, das ist eher etwas für jüngere Menschen mit Tagesfreizeit.
***
Und außerdem bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
***
Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank!
Ein dichtender Derwisch, sehr fein!