Ein Text – und was für einer – über Care-Arbeit.
Wenn wir aber ahnen, dass wir aussterben – ändert das irgendwas?
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Es ging weiter in der Verwandlung des Kinderzimmers, wir beschäftigen uns just in time mit dem heraufdämmernden Teenie-Alter. Es war dabei notwendig, viel, viel Zeug aus dem Kinderzimmer loszuwerden, denn das soll bitte kein Museum sein und nur aus Vergangenheit und Kleinkindzeit und Grundschulzubehör bestehen, da muss schon etwas Gegenwart hineinpassen. Oder gerne auch etwas beruhigende Leere, was neuerdings ganz gut möglich ist. Denn die Digitalisierung bringt es mit sich, dass deutlich weniger Platz verbraucht wird. Minecraft etwa ist ein riesiges Spiel für enorm viele Stunden, aber es passt auf einen handlichen Bildschirm und fällt im Interieur im Gegensatz zu Lego überhaupt nicht weiter auf – ist gerade kein Kind da, ist das Spiel nicht einmal vorhanden, es ist geradezu magisch. Und da sich eine Überfülle an Zeug sowieso nicht bewährt, in aller Regel auch bei Erwachsenen nicht, und etwas Luft im Raum gemeinhin guttut, galt es also auszuwählen. Es musste gewählt werden unter den Büchern und unter den Spielen, unter dem Spielzeug und auch unter all dem Kram, den man spontan gar nicht ausreichend definieren kann, also unter diesem seltsamen Huckleberry-Finn-Hosentaschenkram, der ganze Kisten füllt und zuverlässig den Fußboden bedeckt.
Die Kondo-Frage nach dem Joy hilft bei Kindern oft überhaupt nicht weiter, denn zum einen halten sie in schlauer Vorsicht künftigen Joy im Zweifelsfalle weiterhin für jederzeit möglich, auch wenn sie ein Spielzeug oder Ding oder Buch schon seit zwei Jahren nicht mehr angefasst haben, zum anderen entsteht Joy aber oft schon spontan durch die Frage, und die Aufräumaktion endet abrupt, weil das Kind jetzt sofort ganz dringend mit dem vergessenen Ding spielen muss, und zwar zwei Stunden lang und am besten mit Freunden, die dafür augenblicklich einzuladen sind. So kommt man nicht weiter.
Ich habe daher auch bei früheren Aufräum-und Umbauaktionen schon den Enkeltrick angewandt, aber nicht in der von der Kriminalpolizei in Warnungen verbreiteten Form, sondern in einer besonderen Fragevariante: “Würdest du das an deine Kinder weitergeben wollen?”Wobei es mir nicht darum geht, den Gedanken an Nachwuchs im Nachwuchs zu verfestigen, soweit bin ich geistig noch lange nicht und siehe oben, wenn wir doch eh aussterben – es ist kompliziert. Und ja, die Frage ist selbstverständlich in einem gewissen Alter noch völlig absurd. Aber gerade, weil sie so absurd ist, führt sie tatsächlich in einigen Fällen zu intensivem Nachdenken, sie führt dazu, dass auf eine ganz andere Art als sonst über den Wert von etwas nachgedacht wird. So stellen sich dann Bücher heraus, die tatsächlich einen besonderen Wert haben. Einen Wert, der über den Augenblick weit hinausreicht. Bücher, bei denen es irgendwann schön sein muss, davon zu erzählen, guck mal, das wurde mir früher vorgelesen, das habe ich so geliebt. Das sind am Ende die Bücher, welche die Kindheit ausgemacht haben (während die Minecraftwelt, in der sie ein Jahr verbracht haben, unrettbar verloren sein wird, das ist auch ein besonderes Thema). Kindern macht es manchmal Spaß, sich so eine Zukunft kurz vorzustellen, weswegen übrigens die Frage “Wie würdest du das mit deinen Kindern machen” auch in ganz anderen Zusammenhängen erstaunlich hilfreich sein kann, aber das nur am Rande.
Stellt man sich die Frage nach dem Zeug und dem Weitergeben selbst, funktioniert das natürlich auch. Wenn ich mir etwa überlege, was von meinen Dingen einmal zu vererben sein sollte und was den Söhnen später noch wirklich etwas bedeuten könnte, dann wird das fast alles unwichtig und kann weg und das, worum es vermutlich geht, das bisschen Souvenirgedöns, das passt schließlich in einen Schuhkarton. Oder ist schon längst online.
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Ab jetzt werde ich mich bemühen, in schlauer Vorsicht künftigen Joy im Zweifelsfalle weiterhin für jederzeit möglich zu halten. *niederknie* (Was für ein Satz!)
Der Enkeltrick scheint bei mir, was Bücher angeht, gar nicht so gut zu funktionieren, es verzögert nur das ausmisten, wenn die Kids dich verständnislos anschauen, warum das Buch jetzt so spannend sein soll …. – da ändern sich bei uns irgendwie doch die Geschmäcker mit der Zeit, und die damaligen Welt erscheint so weit weg ….. .
Der Brand unseres Hauses letzten Sommer hat mir da total geholfen – im Einsparen von Überlegungen, ob ich das oder jenes noch brauche oder nicht.
Vielen Dank für den Hinweis auf den Artikel über Care-Arbeit. So global hatte ich das bisher auch noch nicht betrachtet. Da wird in der Zukunft noch einiges auf uns zukommen.
Mich hat beim Lesen des Artikels über Care-Arbeit eher was gekratzt. Nun ist der Bürger / die Bürgerin auch noch bei der Haushaltshilfe am (patriarchalischen) Elend schuld. Nachdem ich meinen Fleischverzehr auf Wild und Weidegetier aus der Region umgestellt habe, mein Gemüse brav bei regionalen Biobauern auf dem Markt erwerbe sowie bei den heimischen Stadtwerken nachhaltigen Strom beziehe, wird mir jetzt bei der Frage der Putzkraft ein schlechtes Gewissen gemacht. Das irritiert mich. Es sollte selbstverständlich sein, dass eine Putzfrau legal beschäftigt und anständig bezahlt wird. Darüber hinaus sehe ich mich nicht als böse Verstärkerin patriarchaler Verhältnisse, wenn ich eine Haushaltshilfe beschäftige.
(Unsere ist übrigens eine junge Frau, die sich mit einer Reinigungsfirma selbständig gemacht hat.)