Ich habe eine Szene gesehen, in der sich etwas des Irrationalen offenbart, dass diese Gesellschaft und damit uns alle gerade durchflattert, denn wir gehen mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Viren ja nicht rational um, sondern menschlich, allzu menschlich. Und während einige jedes Fehlverhalten geifernd an Pranger stellen und am liebsten blockwartmäßig irgendwo vermelden wollen oder wenigstens mit Häme besserwissen, oh, so viel besser, kann man auch einfach nur hinsehen, was da passiert, und sich vor der moralischen Höhe hüten, aus der man doch geradezu unweigerlich stürzen müsste, würde man sein eigenes Verhalten nur gnadenlos genug durchleuchten und beobachten.
Vor dem Discounter steht eine Frau und will in den Laden. Also fummelt sie aus der Handtasche ihre Maske heraus, die sich aber mit den Strippen in Gott weiß was verheddert hat und es folgt dieses fluchende Herumkramen, das man von jeder Handtaschenträgerin kennt. Schließlich reißt sie einigermaßen entnervt das Ding mit einem Ruck heraus, es hat aber zu viel Schwung und landet daher auf der Straße, knapp neben einer Pfütze. Und die Frau ruft schnell die magische Formel “Fünf-Sekunden-Regel!”, hebt die Maske auf und legt sie an. Im Fernsehen laufen Spots, wie man diese Masken spitzfingrig ab- und aufsetzen und sorgsam in sicheren Behältnissen verwahren soll, in der Wirklichkeit fliegen sie währenddessen natürlich nur so durch die Gegend, ein Kleidungsstück wie andere auch. Ich will mich darüber aber gar nicht lustig machen. Ich will nur feststellen – so sind wir. Begrenzt belehrbar.
Kennen überhaupt alle die Fünf-Sekunden-Regel, die den allermeisten Kindern sicher gut vertraut ist und die in Kindergärten und Schulen immer fröhlich weiterlebt, von Jahrgang zu Jahrgang tradiert? Ist Ihnen mal aufgefallen, dass man diese Regel laut benennen muss, damit sie funktioniert, dass also jedes Kind sie brav aufsagt, wenn es etwas Essbares schnell wieder aufhebt? Der Zauber wirkt sonst vielleicht nicht. Sind Sie auch schon mit dem Spruch groß geworden? Ich weiß nicht, wie alt diese etwas spezielle Weisheit ist und ich kann mich auch nicht erinnern, sie als Kind gekannt zu haben, sonst würde ich sie bei passender Gelegenheit heute auch verwenden, nehme ich an. Die Söhne kannten sie irgendwann und murmelten sie ganz selbstverständlich über abgestürzten Brötchen und entglittenen Bonbons, aber sie kannten sie nicht von mir. So etwas kommt von irgendwo, wie ein Virus. Man fängt es sich im Vorbeigehen ein und hat es dann.
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Meines Wissens ist die 5-Sekunden-Regel aus USA importiert, per Fernsehserien. Die gab’s in unserer Kindheit hier wirklich nicht, wir haben’s einfach so abgewischt und gegessen. (Außer den Kindern, die’s gegraust hat.)
Die 5-Sekunden-Regel kannte ich nicht, aber schnell aufheben und abpusten kennt wohl jeder.
Genau diese Maskengeschichte ist einer der gefühlten 1000 Gründe, warum ich gegen die Behelfsmaskenpflicht bin. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Träger bei derartiger Anwendung mehr schaden, als dass sie andere Menschen schützen.
Die Fünf-Sekunden-Regel wird hier gerne, je nach Situation, auch zur Acht-Sekunden-Regel, Zehn-Sekunden-Regel oder noch länger. Bis man den Schatz eben aufgehoben hat und genüsslich weiterverzehrt.
Eine Fünf-Sekunden-Regel kannte ich als Kind in den 1960er Jahren nicht, bei meiner Großmutter hieß das: „Dreck scheuert den Magen …“.
Die Zeit ist egal, denn es handelt sich um abwehrkräftigende _Bodenvitamine_.
https://www.newyorker.com/cartoon/a23143