Ich höre nach wie vor dauernd Hörbücher. Wenn ich das abendliche Lesen schon kaum noch schaffe, kann ich mir auf diese Art immerhin weiter täglich Literatur zuführen, ich hänge doch an der Gewohnheit. Ich höre in der Regel Klassiker, die ich hier deswegen nicht auch in der weiblichen Form aufführe, weil sie auf Spotify größtenteils fehlen. Frauen zählen ist da schnell erledigt, man kommt nicht weit, Literatur ist männlich. Also dort jedenfalls, in Wahrheit natürlich nicht.
Ich höre mir das Markus-Evangelium an, warum auch nicht. Ich habe die Bibel als Kind einmal so ziemlich komplett gelesen, das ist irritierend lange her und ich möchte größere Erinnerungslücken nicht mehr ganz ausschließen. Und ich bin dem Text zwar religiös so gar nicht verbunden, vonne Allgemeinbildung her darf er aber gerne stattfinden, da bin ich altmodisch. Es gibt die ganze Bibel auf Spotify, mit allem, sie wurde ja auch von Männern geschrieben. Die Aufnahme gefällt mir zwar nicht recht, der Herr Sprecher ist mir hier und da zu pathetisch, es suppt hier und da Weihrauch raus und alles ist mir ein wenig zu bebend vorgetragen. Aber egal! Ich höre es dennoch mit großem Interesse und erfreue mich an einigen Stellen, etwa „er fürchtete sich mit großer Furcht.“ Oder auch: „Er staunte mit großem Erstaunen.“ Man möchte gleich einen Stift nehmen und die Reihe fortsetzen, so dermaßen eingängig ist das. In den Deutscharbeiten der Söhne wären diese Ausdrücke sicher Fehler, nehme ich an, rot unterkringelt und ein A am Rand, der Lehrer zürnte mit großem Zorn, aber schön sind die Wendungen doch.
„Es waren aber etliche unwillig bei sich selbst“, das ist auch so eine hervorragend Stelle. Das kenne ich, das kenne ich, möchte man da doch rufen. Denn dauernd bin ich unwillig bei mir selbst, ich bin da geradezu Kenner und habe langjährige Erfahrungen vorzuweisen, ich wache morgens auf und bin da schon unwillig bei mir selbst, fast jeden Tag.
Ich höre diese Hörbücher meist auf dem Weg zur Arbeit oder zurück, und wenn ich dabei versehentlich eigene Gedanken habe, das kann ja manchmal vorkommen, zack, dann höre ich ein paar Sätze des jeweiligen Textes nicht, sie sind sauber aus dem Gesamtwerk herausgeschnitten und ich habe nicht die allerleiseste Ahnung, was da gesagt wurde. Ich höre nur das Ende irgendeines Satzes, bei dem ich dann endlich wieder einsteige, etwa „… und wälzte sich schäumend.“ Schön, denke ich, das ist wieder so eine Passage, die muss man unbedingt aus dem Text lösen und übernehmen, die braucht Alltag und Leben. Und bei allem, was die Menschen um mich herum an diesem Tag tun, hänge ich das einfach hinten an und siehe, ich habe stundenlang eine große Freude! Der Kollege schickt einen Report ab und wälzt sich schäumend, der Sohn übt Mathe und wälzt sich schäumend, fangen Sie das bitte nicht auch an, man kommt da ziemlich schnell nicht mehr raus und wälzt sich schäumend, und wenn man das dann versehentlich einmal laut sagt, dann staunen die anderen aber mit großem Erstaunen.
Es sind noch Evangelien übrig, die kommen auch noch dran. Ich freue mich darauf, und mit was wohl? Genau.
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Herrlich, danke! – freue mich darauf, das morgen mal auszuprobieren…(das schäumende Wälzen und vielleicht auch das staunende Erstaunen)
Und ich habe am Ende des Textes laut gesagt: … mit großer Freude …
Ach ja, das sind so übergenaue Widergaben der griechischen, natürlich ihrerseits auch etwas überdimensionierten Ausdrücke. Wenn Sie erst bei Lukas angekommen sind: Auch da fürchten sich die Hirten, als der Engel kommt, mit großer Furcht. Manchmal freut sich auch jemand mit großer Freude.