Bedauerndes Verneinen

Es steht eine Dankespostkarte aus, ich weiß. Dafür brauche ich aber ein paar Minuten mehr, die habe ich gerade nicht. Ich habe heute nur so wenige Minuten, die reichen gerade eben für den Mann an der Ecke, und der ist keine Postkarte, der ist einfach nur. War einfach nur. Egal. Danach noch etwas Homeschool. Aber nur ganz am Rande.

Ein Mann an einer Straßenecke also, gerade aus einem Kiosk kommend. Er trägt eine zerknitterte OP-Maske unterm Kinn, er hat eine gerade angezündete Zigarette im Mund und außerdem eine Brille auf. Das sind also drei Zubehörteile am Kopf, und ich weiß aus eigener leidlicher Erfahrung, dass man ab drei Teilen leicht überfordert sein kann. Bei mir sind das dann allerdings Maske, Kopfhörer und Brille, aber was auch immer es ist, ab drei jedenfalls – tendenzieller Overload. Da noch bewegungssicher etwas entfernen oder auch nur richten – schwierig, schwierig, das erfordert enorme Konzentration. Der Mann will die Maske ganz abnehmen, wobei die Brille erheblich und ruckartig verrutscht und ein Bügel auf die Zigarette schlägt, die er nur knapp auffängt, wobei die Kippe aber das Bändchen der Maske durchbrennt. Der Mann steht da, die Hände unbeholfen vor dem Gesicht, beschädigtes Zubehör in den Fingern, eine schiefe Brille im Gesicht, Rauchwolken über ihm: „Hört dieser gottverdammte Scheiß jetzt bald mal auf“, höre ich ihn im Vorbeigehen sagen.

Die Frage ist natürlich berechtigt. Wir können sie aber bedauernd verneinen, nehme ich an. Es ist, wie es ist.

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Ich habe mit den Söhnen endlich angefangen, die Serie „Der Doktor und das liebe Vieh“ zu sehen, das ganz alte und aus heutiger Sicht eher betuliche Zeug also, das fanden sie aber dennoch unterhaltsam. Wir kamen gar nicht weit, denn da wird in der ersten Folge das Gehalt des jungen Tierarztes verkündet, 4 Pfund in der Woche bekommt er, bei freier Kost und Wohnung. Aus einer anderen Szene ergab sich dann noch, dass eine Kuh damals 50 Pfund wert war. Und da gab es Fragen. Was war das denn so, ein Einkommen von 4 Pfund in der Woche? War man damit gut dran, wie wäre das heute und wie hoch war der Wert der Kuh? Wir haben das dann nachgeschlagen, man kann alles nachschlagen. Das war zwar etwas homeschoolmäßig und geradezu streberhaft, aber irgendwie war es das auch nicht. Ich überlegte beim Nachschlagen nebenbei, was da jetzt eigentlich anders war und dann fiel es mir auf, es ist ja ganz einfach, was da der Unterschied ist, und warum das nicht auf die blöde Art homeschoolmäßig war. Das lag nämlich nur daran, dass die Kinder etwas gefragt hatten. Während ja in der Schule immer die Kinder etwas gefragt werden. Im Grunde ist das grundsätzlich falsch herum, nicht wahr, was die Schule da macht. Aber okay, solche Gedanken führen erheblich zu weit, ich sehe es ein.

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4 Kommentare

  1. Ich dachte, die DVDs bieten Ihnen wertvolle Me-Time, so heißt das in den Frauenzeitschriften immer. Ansonsten hielt ich es ja im ersten Lockdown exakt so. Da hat mein Kind ein Kochbuch geschrieben, zwei Hochbeete gebaut und bepflanzt, zwei Avocados gegessen und gepflanzt, die sind jetzt ganz schön groß, das Joggen angefangen, 8 km am Tag, und alles an Stephen Hawking Kinderbüchern gelesen. Ach so, und etwa 50 LTBs. Für die Arbeitsblätter war da leider streckenweise keine Zeit, aber ich bin resilient und hab eine große Klappe, ich hab das in der Schule dann mal erklärt, dass er leider gerade wichtige Sachen macht. Es ist ja alles beschissen genug in „der aktuellen Situation“. Ach ja, Wäsche waschen kann er jetzt auch, seine Frau wird mich lieben.

    Vielleicht sollte man sich dem entziehen. Mir gelingt das streckenweise gut. Das ist nicht generalisierbar, auch nicht übertragbar. Aber ich möchte gerne, dass mein Kind Spaß am Lernen hat. Und wenn er Hochbeet besser findet als Bio und ich gerade die verantwortliche Lehrpersonal bin… naja. Den Rest kann er später wegtherapieren. Und wenn er wieder hingeht, kann er ja dann wieder doofe Sachen machen. (Wobei ich sagen muss, dass inzwischen mit Vireounterricht alles sehr gut läuft. Aber: Nicht-Durchdrehen first, Kunsfbild malen second.)

  2. „Leidlich“ gebrauche ich im Sinne von: „Och joa, gerade so annehmbar“; die Erfahrung ist doch eher eine „leidvolle“?

    Das hätte ich nicht aufgegriffen, fiele mir in letzter Zeit nicht permanent und überall auf, dass Menschen althergebrachte Redewendungen / übliche Wortkombinationen plötzlich anders und befremdlich zusammensetzen.

    Irritierend.

  3. Das ist doch ganz hervorragend! Hier wurden gestern, auch ausgelöst durch Interesse an einem Thema, Bilanzen, Buchführung und Gewinn- und Verlustrechnung erklärt. Und ermittelt, dass der Kölner Dom mit 27 Euro bilanziert wird, weil die Nutzungsdauer einer Kirche 200 Jahre beträgt und er somit abgeschrieben ist. Hätten Sie das gedacht? Und hätte das irgendwer in der Schule gelernt? Na also!
    Mal ganz abgesehen davon, dass die Jugend souverän mit jeder Art von Videokonferenz-Tools hantiert, was man von mittelalten Menschen mit Studium und Titeln nicht immer behaupten kann. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen, dass die ewig „dumm“ bleiben. Ganz im Gegenteil!

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