Der bessere Tag

Wenn Sohn II Waveboard fährt, ist er ein Hingucker. Es sieht aus, als sei das Ding ein Bestandteil seines Körpers, als sei das seine gewöhnliche Art der Fortbewegung. Als sei das angeboren, ganz selbstverständlich per Instinkt gelernt und seitdem wird eben gerollt – normal. Normal und elegant. Wenn man Waveboards nicht kennt und zum ersten Mal sieht, wirkt es einigermaßen unvorstellbar, dass man darauf mit einer solchen Leichtigkeit fahren kann. Es sieht so aus, als würde man sich sofort ordentlich hinlegen, wenn man da selbst einmal … und so ist es auch. So ist es sogar dann, wenn man auf einem Skateboard oder auch auf Inlineskates überlebensfähig ist. Wir haben in den letzten Jahren viele Menschen scheitern sehen, die den Sohn gebeten haben, auch einmal kurz fahren zu dürfen. Wir können ziemlich sicher ausschließen, dass man spontan auf diesem Gerät klarkommt. Oder auch nur einen Meter vorwärts.

Kinder brauchen eine Weile, sagen wir einen Tag, dann können sie das in der Regel halbwegs, also wenn sie normal sportlich sind. Erwachsene brauchen länger. Viel länger.

Weil der Sohn aber Kurven fährt, die für mich so dermaßen anziehend aussehen, die ich unbedingt auch einmal erleben möchte, habe ich gestern auf den Wegen der Gartenanalage intensiv versucht, auf dem Ding zu fahren, wobei schon das Aufsteigen den Anfänger vor größere Rätsel stellt. Wenn man sich aber an einem Zaun und gleichzeitig an einem Sohn festhält, dann sieht man zwar sensationell bescheuert aus, steht aber irgendwann lustig wackelnd auf dem Board. Theoretisch war mir auch klar, dass nun der hintere Fuß so hin- und herbewegt werden musste (stellen Sie sich hier bitte eine wedelnde Fischschwanzgeste vor), praktisch bewegte sich da aber dummerweise überhaupt nichts, trotz intensiv gefühlter Absicht. Der Weg vom Hirn zum Fuß ist in manchen Situationen doch erstaunlich weit. Der Sohn zog an mir, ich zappelte weiter oben wild herum, ich fuhr. Es sah vermutlich aus, als hätte der Sohn eine grotesk mit den Armen schlackernde Schaufensterpuppe auf einem winzigen Rollbrett durch die Schrebergartenanlage gefahren. Ich guckte daher auch ziemlich oft, ob jemand guckte und sprang dann lieber wieder ab, auch das übrigens war gar nicht so einfach. Aber wir hatten Spaß, viel Spaß sogar.

Als wir nach einer größeren Runde wieder am eigenen Garten ankamen, stellte ich sehr zufrieden fest: „Ich bin Waveboard gefahren. Das wollte ich schon lange!“ Ziele gleich umsetzen, nichts aufschieben. Machen, YOLO, all das. „Ich bin Waveboard gefahren“, sagte ich noch einmal, also nach dem ich wieder Luft bekommen hatte, und ich fand diesen Tag deutlich besser als die anderen in diesem Monat.

„Genau genommen bist du eher Sohn gefahren“, sagte der Sohn, der eine etwas uncharmante Neigung zur gnadenlosen Direktheit hat, stieg auf und kurvte breit grinsend mit den Händen in den Hosentaschen davon.

Zurück in der Wohnung. Wir haben einen großen Kellergang, etwas ungewöhnlich groß, in dem werde ich einfach heimlich weiter üben. Man kann sich dort unten an den Türen und am Drahtgeflecht der Kellerverschläge festhalten und entlanghangeln, man kann über eine weite Fläche in der Mitte kurven. Niemand wird mich dabei sehen, niemand wird lachen, niemand wird kommentieren.

Oder mich schreien hören, okay.

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6 Kommentare

  1. Hehe, das macht Spaß, nicht wahr! Neben meinen beiden Kindern (11 und 12) sehe ich zwar weitaus weniger elegant aus, aber was soll’s!? Ich glaube wirklich, dass das eine der am besten geeigneten Sportarten für so mittelalte Menschen ist, die sich zwar bewegen wollen, aber bitte doch nicht allzu sehr anstrengen.

    Leere Supermarkt-Parkplätze und ähnliche Plätze wären meine Empfehlung zum Üben, denn ein wenig Platz brauchen Sie schon, um ordentlich Schwung zu holen und diese phantastischen weiten Kurven zu fahren.

    Viel Freude mit dem neuen Hobby!

  2. Das erinnert mich an die Versuche mit einem one-wheel 😉 Ich brauchte ewige Zeiten, um überhaupt aufsteigen zu können, geschweige denn alleine zu fahren. Der Nordmann musste mich kilometerlange Strecken am Arm halten. Aber so nach 4 Nachmittagen ging es dann wackelig alleine. Für mich bleibt es aber unvorstellbar, durch die Fußgängerzone damit zu fahren.

  3. Als ich zur Hochzeit der Inlineskates damit anfing bin ich gern am Sonntagmorgen auf dem autofreien Ikea Parkplatz gelaufen. Dort fanden sich eine ganze Menge anderer zu gleichem Zweck. Die schöne glatte Fläche war prima zum Gewöhnen, nachdem ich doch als Kind zuletzt auf Roll- und Schlittschuhen stand. Später machte ich noch zwei von der Hamburger Uni angebotene Kurse mit, um richtige Haltung (Körperschwerpunkt nach vorn) und richtiges Fallen zu trainieren. Selbstverständlich immer mit Gelenkschutz, aber im Nachhinein betrachtet leichtsinnigerweise ohne Helm!
    Dieses Training hat mir bei einem Ausflug auf einem asphaltierten Weg entlang der Elbe einmal sehr geholfen! Statt auf den Hinterkopf zu fallen durch ein Hindernis gelang noch ein gekonnter Sturz.
    Geht nun alles leider nicht mehr, deshalb rate ich, den Spass (welchen auch immer) zu nutzen, solange der Körper es erlaubt.

  4. Meine Mutter hat sich früher unsere Rollschuhe (!) angeschnallt und ist damit im Kellervorraum gefahren. Als Kind fand ich das sehr skuril, heute kann ich es nachvollziehen.

  5. Haha,
    ich werde im Sommer hoffentlich endlich mit 51 Stand up paddeln. Ich freue mich sehr, aber wahrscheinlich freuen sich andere noch viel mehr. Auf dem See kann man sich schlecht verstecken und ich bin schon mal gespannt, wie elegant ich aufstehen werde 😉 – das Publikum wird sicher bestens unterhalten sein!

  6. Yeah. Die Kinder haben auch das Waveboard bei Freunden entdeckt. Da konnte ich mal beeindrucken und habe meins aus dem Keller geholt!!! Yeah. Hier rollen z.Z. auch alle von 2 bis 43 durch die Gegend. Auf Longboards, Rollern, Inliner, Waveboards. Der coolste ist der Zweijährige, der auf dem Longboard liegend über die Straße paddelt! Keep rolling!

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