Wir haben gerade einen Lauf, was eskalierende Themen betrifft, gottseidank nur im eher trivialen Bereich. Wir fragen also beispielsweise eine kleine Änderung bei unserem Mobilfunkprovider an und zack, macht da jemand alles falsch und das ganze Vertragswerk muss jetzt von vorne aufgesetzt werden, was einigermaßen kompliziert ist, milde ausgedrückt, sehr milde. Die Herzdame hat bisher etwa fünf Stunden mit dem Support telefoniert, und zwar in einem Tonfall, bei dem hier alle die Flucht ergreifen. Wir erhalten da im Zuge der Anpassungen und Justierungen auch ungefragt Features, die wir nie bestellt haben, irgendwas mit TV, wir können jetzt, so heißt es, vier Programme auf einmal sehen. Wer will so etwas? Geht’s noch? Ich gucke nicht einmal eines, was soll ich mit vier gleichzeitig? Gibt es eine Zielgruppe für so etwas und wo ist die in Behandlung?
Im Onlinebanking fehlt ein Zugriffsrecht für die Herzdame, das versuche ich, nachdem es mir online nicht gelungen ist, bei der Bank vor Ort zu regeln, das will ich schon lange. Jetzt aber! Im Urlaub hat man ja Zeit für jeden Mist, pardon. Es gibt ein Formular, hurra. Das ist eine vorgedruckte Vollmacht, die mir die Bank geschickt hat, und die allerdings etwas kryptisch formuliert ist. Nach einer Weile und mehrmaligem genauen Lesen komme ich darauf, dass ich damit mich selbst, nicht etwa wie Herzdame, wie es doch richtig wäre, für eines meiner Konten bevollmächtigen würde. Das klingt wenig sinnvoll und erinnert mich irgendwie an den Steuerberater, der mir vor Jahren geraten hat, mich selbst einzustellen. Ich bin dann am Vorstellungsgespräch gescheitert, ich war mir einfach nicht sympathisch genug. Die Vibes stimmten nicht, wie die Söhne sagen würden. Ich habe dann doch lieber den Steuerberater gewechselt, das ging auch. Pragmatisch denken! So wichtig.
Der Mann von der Bank jedenfalls kratzt sich am Kopf und sagt, also wenn Sie hier unterschreiben, dann könnten Sie da zugreifen. Ich sage warum, ich bin doch ich, hier der Ausweis, da das Konto, meins, meins, meins, da kann ich eh zugreifen, jederzeit kann ich das, und ich mache das auch, ganz ohne Vollmacht. Der Herr holt eine Kollegin und flüstert mit ihr, dann gucken beide so, ich sage, ich bin ich, also echtjetztmal, Sie sagen ja, ja, das schon. Aber. Und dann rätseln wir gemeinsam etwas, wie herum das nun gehört und welches Formular jetzt fehlt.
Der Herr sagt, ich solle am besten mit meiner Frau wiederkommen. Ich sage, das ist eh immer eine gute Idee, das hat sich schon oft bewährt, in vielen Situationen. Ich gehe aus der Bankfiliale und fühle mich angenehm meiner selbst versichert. Ich habe schon lange nicht mehr so gründlich und sogar vor Zeugen festgestellt, dass ich ich bin, irgendwie ist das ja auch beruhigend. Dann weiß man das, wenn man schon sonst nichts weiß. „Wenn ich mal richtig ICH sag,
wieviele da wohl noch mitreden können?!“ Die ist vom Rühmkorf, die Frage, die ist aus „Phönix voran!“ Ein herausragend gutes Gedicht von ihm.
Aber wie es so ist, wenn man einen Lauf hat, Sie kennen das vielleicht, wir müssten jetzt in dieser Woche eigentlich alle Themen weiträumig umfahren, die sich tendenziell mehr oder weniger selbsttätig verkomplizieren könnten. Und Sie wissen sicher auch, wie schwer das ist, vor allem, wenn man ich ist, was Sie ja aber nicht sind, schon klar.
Unser neues Bett wird geliefert, es hat unerwartet viele Einzelteile, also wirklich enorm viele. Die Herzdame und ich bauen es mit einer solch fundamentalen Grundskepsis auf, weil wir beide restlos überzeugt sind, dass irgendwas nicht funktionieren wird oder ein wichtiges Teil fehlen wird, die Übung kann fast nicht gelingen. Sie gelingt dann aber wider Erwarten doch und das Bett sieht tatsächlich so aus wie erwartet, es passt wie erwartet und es schläft sich auch noch fantastisch darauf. Es ist etwas groß und steht etwas dominant im Raum, aber das wollten wir so. Wir haben jetzt einen Thron, wie die Söhne kopfschüttelnd sagen, wir regieren hier künftig vom Schlafthron aus.
Was also wieder klar beweist: Man braucht diese tiefe Grundskepsis bei allem. Dann geht auch alles, Pessimisten leben einfach schöner. Was Sie aber sicher sowieso nicht lesen können, weil gleich dieses Blogsystem nicht gehen wird, ich habe da so ein Gefühl.
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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!
Sehr gern gelesen. Auch als tiefe Identitätsskeptikerin.
Zum Glück steht der Schlafthron – und das Blogsystem funktioniert auch!
Lieber Herr Buddenbohm, Gott sei Dank gibt es buddenbohm-und-soehne.de – wenn ich mal wieder einen schwarzen Tag habe, kann ich hier lesen, lachen und es sieht gleich wieder etwas heller aus (so mittel- bis hellgrau ;-)).Danke
Das mit den Verträgen hat bei den Mobilfunkern System – die Mitarbeiter in den Anrufmühlen werden ununterbrochen geschurigelt, bei jeder Veränderung möglichst umfangreiche neue Verträgsbestandteile auf die Kundennummer zu buchen. Wer als Mitarbeiter nicht genug Vertragsbestandteile einbucht, fliegt raus – eine einfache Änderung ist damit Anlass für eine fröhliche Buchungsorgie.
Wird jeder Anbieter dementieren, wird jeder Mitarbeiter bestätigen.