Irgendwie nicht meins

Weil immer etwas ist, stimmt die seelische Verortung gerade nicht. Nachdem ich es endlich geschafft habe, zeitlich wieder sortiert zu sein und ich leidlich damit zufrieden bin, dass es der 7. August im Jahr 2021 ist, nachdem auch die Jahreszeit passt und sogar die Uhrzeit ganz gut hinkommt, was immerhin über ein Jahr lang nicht mehr Fall gewesen ist und sich durchgehend äußerst befremdlich angefühlt hat, nachdem also all das wieder gerichtet ist, bin ich irgendwie nicht da. Oder ich bin schon da, aber nicht ganz.

Wie erklärt man das.

Ich habe ja den Verdacht, dass es eine Spätfolge der langen Zeit ist, in der ich alles bestenfalls halb machen konnte, also im Endeffekt oft gar nicht. Halb Home-Office, halb Home-School, das ergab oft keine 50% auf beiden Seiten. Das ergab oft viel weniger und wo dann eigentlich der Rest war – es war eine verdammt anstrengende Zeit, Sie erinnern sich. Und wie ich neulich schon schrieb, es war ein Satz, mit dem sich wohl viele solidarisieren konnten, ich bin bei weitem nicht erholt genug für diesen Herbst, ich gehe kräftemäßig nach.

Und jetzt ist es mittlerweile so, dass formal zwar wieder eine Form von Alltag läuft, die mir halbwegs bekannt vorkommt. Die Kinder gehen also zur Schule, ich kann ins Büro gehen oder Home-Office machen, ganz wie es mir beliebt. Es findet auch wieder Sport für die Söhne statt, es gibt hier und da wieder gewöhnliche Regelmäßigkeiten und Termine, doch, es ist alles halbwegs normal. Zugegeben.

Aber ich gehe jeden Abend ins Bett und denke: „Wie jetzt, das war der Tag? Echt jetzt?“ Und mir ist irgendwie so, als wäre ich nicht dabei gewesen. Mitgemacht habe ich schon bei allem, das weiß ich, auch durchaus bemüht mitgemacht, aber es war alles … irgendwie nicht meins. Ich komme nicht recht zum Schreiben, ich komme nicht genug zum Lesen, ich komme nicht zu mir und ich komme auch mit viel und intensivem Nachdenken nicht darauf, wie mir das denn bloß früher alles gelungen ist. Ich stehe neben mir und müsste mal einen Schritt auf mich zugehen.

In den Medien gab es in den letzten Wochen etliche Berichte über Kinder und Erwachsene, die das routinierte soziale Verhalten während der Pandemie teilweise verlernt haben.

Ich glaube eher, ich habe einfach den ganzen Alltag verlernt.

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6 Kommentare

  1. Hier ebenso…das was Sie schreiben, könnte auch von mir sein. Nur das ich es natürlich nicht annähernd so gut beschreiben könnte. Und immer nur die eine Frage…wie habe ich das vor Corona gemacht? Ich weiß es nicht. Und es fängt mir langsam an Angst zu machen. Wird das mal wieder normal? Oder das, was man als normal empfand? Ich kann das doch nicht alles verlernt haben!?

  2. Wie Alexandra sagt, wir werden uns anpassen müssen.
    Nach wirklich einschneidenden Erlebnissen werden wir vielleicht wirklich nicht mehr wie früher reagieren. Das Erlebnis gehört zu unserem Leben und wir haben uns durch dieses Erlebnis weiterentwickelt. Wir können nicht sagen, ein Jahr Pandemie, aber jetzt wird es wieder wie vorher. Das Jahr hat uns geprägt und wir sind jetzt andere als vor der Pandemie.
    Vor vielen Jahren bin ich für lange Zeit ins Ausland gezogen und habe dort mit meiner Familie gelebt. Es hat in manchen Bereichen Jahre gedauert, bis ich mich an Dinge gewöhnt hatte. Und irgendwann kam ich mit meinen neuen Erfahrungen zurück nach Deutschland und dachte/denke bis heute oft, mein Gott, machen die das hier immer noch so? Ich kann meine Erfahrungen nicht löschen und sagen, jetzt mache ich alles wieder so, wie es die Deutschen machen.

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