Die drei Obdachlosen vor dem Modegeschäft in der Fußgängerzone, die gemeinsam den Song „Ich will Spaß, ich will Spaß“ mitsangen, den einer laut auf einem kleinen, blechern klingenden Gerät abspielte, sie waren mit Abstand die vergnügtesten Menschen, die ich heute gesehen habe. Ihr grelles Lachen nach der Zeile: „Kost‘ Benzin auch drei Mark zehn – scheißegal, es wird schon geh’n!“ Halb lagen sie auf den Gehwegplatten, halb saßen sie da, und sie lachten und lachten, je indignierter die Passanten guckten, desto mehr.
Auf einem Stromkasten ein paar Meter weiter ein Aufkleber: „Lass deine Kryprowährung für dich arbeiten.“
„Deutschland, Deutschland, spürst du mich – heut‘ Nacht komm ich über dich“ – die Hände der drei Männer auf dem Boden wurden bei dieser Textstelle zum Himmel gereckt, einer hielt eine Bierpulle hoch, einer machte mit beiden Händen das Victoryzeichen.
In der Außengastro trugen die Bedienenden die Masken nach einer langen, langen Phase der Korrektheit mehrheitlich und wie verabredet wieder halbmast, denn in drei Tagen enden die Maßnahmen und was ist schon dabei.
An einer Hauswand stand: „Aufbau Kiew oder was“, und da weiß man dann nicht, wie man das deuten soll, wenn man es im Vorübergehen sieht. Ist es eine Kritik, ist es eine Aufforderung? Ich hatte keinen Rotstift dabei, ich hätte sonst ein strenges „Mehr Kontext!“ an den Rand gemalt.
An einen Ampelmast dagegen hatte jemand mit Edding nur „Ukraine“ geschrieben und darunter einen traurigen Smiley gemalt. Das ist doch eine klare und konsensfähige Botschaft, so gehört das.
Bei dem Kiosk im Bahnhof, der immer so bemerkenswert trendgerechte Dinge verkauft, gab es Pop-its in blaugelbem Design, die hatte ich noch nicht gesehen.
Das waren die Bemerknisse da draußen. Ich lese Jurij Wynnytschuk: „Im Schatten der Mohnblüte“, Deutsch von Alexander Kratochvil, hier eine Rezension dazu. Der Roman ist nicht eben einfach konstruiert, was für mich tendenziell ein Problem ist, da ich abends müde lese und also dauernd Anschlussstellen und Handlungslogik verpeile oder nicht weiß, auf welcher Zeitebene ich gerade bin, aber egal. Interessant ist es dennoch, empfehlen kann ich es auch.
Es ist sehr viel Lemberg in dem Buch, man kann etwas lernen.
***
Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!
Ein Kommentar