Im Kreis durch Mais

Wir fahren nach Nordostwestfalen, im Heimatdorf der Herzdame wird die Goldene Hochzeit ihrer Eltern gefeiert. Allerdings zieht sich die Fahrt. Erst ist die Autobahn unfassbar voll, dann auch noch die Landstraßen. Es sind sämtliche Trecker, Mähdrescher und auch alle sonstigen landwirtschaftlichen Nutzmaschinen Niedersachsens irgendwo da draußen, also vor mir, neben mir und hinter mir, wir werden außerdem umgeleitet. In der Umleitung gibt es eine weitere Umleitung und dann sogar noch eine, es ist ein wenig kompliziert. Ich frage die Herzdame nach etlichen Kilometern durch uns vollkommen unbekannte Dörfer, welchem Schild wir eigentlich nachfahren, sie sagt: „Keine Ahnung.“ Ich frage, was das Navi sagt. Die Herzdame benutzt allerdings aus kaum nachvollziehbaren Gründen immer zwei Navi-Apps, eine sagt links, eine sagt rechts. „Welchem soll ich glauben“, frage ich. „Darüber müsste ich länger nachdenken“, sagt die Herzdame. Schilder sausen vorbei, es steht irgendwas mit U darauf.

Dann meinen beide Navi-Apps doch einmal gleichzeitig, rechts wäre gut. Und nach der Abfahrt rechts soll ich dann wieder eine Abfahrt rechts nehmen, schließlich noch eine. Wir fahren im Kreis durch Mais, und es gibt viel Mais in Niedersachsen.

Mais, Mais, Mais, ein Fachwerkhaus,

Mais, Mais, Mais, ein Raiffeisendings.

Mais, Mais, Mais, wir finden nicht raus,

Mais, Mais, Mais, warum nicht mal links.

Wir fahren durch aufwallende Wolken goldenen Staubs. Gelb sind schon die Felder, der Weizen ist weg, oder was das war. Alles wird zu früh geerntet, hören wir später, die Trockenheit. In der Windstille die Nachmittagssonne auf Stoppeln.

Ein Erdbeerhof hat unter das große Erdbeerwerbeschild noch ein weiteres Brett gehängt, auf dem steht Heidelbeeren. Auch das ist ein Jahresfortschrittsbalken.

Manchmal auch Spargelfelder links und rechts der Landstraße, lustig buschig stehen die Pflanzen jetzt da und erholen sich von unserem endlosen Appetit.

Eine irgendwo im Nichts stehende Windmühle, schön wie im Bilderbuch.

Wir kommen über eine eher unwahrscheinliche Einfallschneise im Heimatdorf an, ich fahre über kleinste Straßen auf das Haus ihrer Eltern zu. Ich komme in einem Winkel an, den ich nie so gefahren bin. Überraschungen immer für möglich halten, auch auf den altvertrauten Wegen.

Um das Haus herum liegen ebenfalls goldgelbe Felder, und die Nachbarn kommen und bringen goldene Luftballons am Haus an, die 50 auf jedem. Dann erzählen wir uns, wer schon wie lange und was, und dass der Große bei uns auch schon fünfzehn wird, wie kann es eigentlich sein. Die Herzdame und ich sind bald achtzehn Jahre verheiratet, das ist natürlich nichts neben der goldenen 50, aber es klingt auch schon irgendwie … seltsam erwachsen.

Beim letzten Besuch stand hier noch so ein Spielturm im Garten, ein Kinderklettergerüst, das einmal ein ganz großes Ereignis war, als der Opa es damals neu gebaut hatte. Das ist jetzt weg, es war längst alt und morsch.

Wir weisen die Söhne darauf hin, dass es nicht mehr da ist. Sie hätten es nicht bemerkt.

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