Ich habe geträumt, ich sei zu einer Lesung eingeladen gewesen, also als Autor, und ich habe dann beim Vortrag erst gemerkt, dass es sich beim Datum um den 24.12. handelte und beim Lesungsort um eine entsprechend dekorierte Kirche, dass also das Publikum mit großer Sicherheit eine bestimmte Erwartungshaltung an einen Vortrag hatte, was mir entschieden unheimlich war, denn was verstehe ich schon von Weihnachtspredigten, ich bin ja nicht einmal gläubig, weswegen ich als Übersprungshandlung erst einmal lange meine Papiere sortierte, die allerdings verstörenderweise teils auf Polnisch verfasst waren. Ein mir persönlich bekannter Pastor im Ruhestand trat schließlich zu mir und raunte von hinten mehrfach beruhigend in mein Ohr, die Hand fest auf meiner Schulter: „Lass einfach alles bei Bismarck enden. Das wird schon.“
Beim Aufwachen hätte ich dann gerne mein Hirn irgendwo zur Betreuung abgegeben. Mir sind meine Tage eigentlich anstrengend genug, ich brauche so etwas nachts nicht.
Was gibt es zu berichten, ich war mit der Familie beim Schwarzlichtminigolf, nein, die Familie war mit mir dort. Ich wollte gar nicht, ich war eher bei der Bartleby-Nummer, der ich ohnehin mit jedem Lebensjahr mehr zuneige.
Ich habe dann auch nichts am Schwarzlichtminigolf gemocht (aber natürlich gewonnen, denn man muss, Sie wissen es, stets bemüht bleiben), was für eine absurde Freizeitverschwendung ist das denn. Aber bitte, wenn Ihnen das gefällt, ich bin da liberal und es wird auch seine Fans haben, es ist oft ausgebucht. In einem früheren Kolumnistenleben hätte ich mich darüber lustig gemacht, über den Ort und die Menschen, die es dort mögen, da bin ich mittlerweile rausgewachsen. Das ist billig und falsch, so zu spotten, und ich bereue einige Texte in dieser Richtung. Man wird älter, man lernt, oder man bildet es sich zumindest ein. Gehen Sie ruhig Schwarzlichtminigolfen, es ist okay. Also für Sie zumindest.
Es war jedenfalls eng und stickig dort drin und ich stehe definitiv nicht mehr gerne zwischen bemaltem Plastik, das Holz oder Blumen oder Tierchen oder Landschaften darstellen soll. Ich möchte auch das bitte als eine Phase betrachten, die jetzt gerne vorbei sein darf und ich brauche dann eine lange, lange Pause bis zu etwaigen Enkelinnen, mit denen das dann vielleicht wieder Spaß machen wird, was weiß ich. Aber vorerst gerne ohne mich.
Es war jedenfalls eng und stickig dort drin und in der großen Gruppe vor uns gab es Streit, was daran lag, dass dort kleine Mädchen mitspielten. Also es lag an „klein“, nicht an “Mädchen“, versteht sich. Kleine Menschen können Minigolf noch nicht so gut, einige große allerdings auch nicht und es flog daher mehrmals ein Ball unangenehm dicht an mir vorbei. Wenn man etwas nicht kann, macht das manchmal wütend. Es gibt dort Bälle, die ein Auge darstellen sollen, so eine Art Halloween-Schwarzlicht-Gruselspaß-Golfball und ich dachte jedenfalls, wenn Dir hier eine komplett eskalierende Fünfjährige einen leuchtenden Ball mit einem aufgemalten blutenden Augapfel in einem neuerlichen Wutfanfall dergestalt in cholerischer Manier als drittes Auge an die Stirn zimmert, dass es das dann final war – was für ein überaus apartes Ende wäre das denn.
Aber gut, man half ihr dann, beruhigte, förderte, redete. Wie es sich gehört.
Und sonst? Am Nachmittag stand ich am Küchenfenster und sah runter auf den Spielplatz. Ein Kind hatte sich mit einem Dreirad in der Sandkiste festgefahren. Das Vorderrad war halb eingesunken, so konnte es nicht mehr vorwärts kommen und das Kind trat und trat und es brüllweinte dabei, das sollte gehen! Fahren! Los! Wut und Verzweiflung waren nicht zu überhören. Drüben im Pastorat stand auch jemand am Fenster und sah runter, aber ich hatte das Thema zuerst gesehen. Die Prediger und die Autoren sind auch nur wie die Möwen bei „Findet Nemo“, wir öffneten die Fenster, zeigten auf die Szene und riefen „Meins! Meins!“ Also gedacht haben wir es zumindest beide, nehme ich an.
Das Kind strampelte währenddessen heulend immer weiter, eine Mutter rief beruhigende Worte von einer Bank, ein Vater ging schließlich los, dem Kind gutmütig zu helfen, diese Metaphernquelle zu beseitigen, das Gleichnisgoldgrab, denn was hätten wir nicht alles daraus machen können, aus diesem Kind und der Szene, schon der Bezug vom festgefahrenen Dreirad zum toten Pferd aus dem angeblich indianischen Sprichwort – herrlich.
Der Vater drückte die Schiebestange, die hinten am Dreirad angebracht war, herunter, so dass das Vorderrad freikam. Er drückte dann aus Spaß aber noch etwas mehr, so dass es jetzt weit in die Luft ragte, wobei die Hinterräder natürlich einsanken, weswegen das Kind jetzt wieder nicht vorankam, was es überhaupt nicht witzig fand, wie man deutlich und weit hören konnte und der Vater war mit seiner sicher nett gemeinten Lösung, mit seinen pädagogischen Bemühungen wieder einmal gründlich gescheitert, alle Eltern kennen das.
Na, aber er hat immerhin etwas versucht. Er hat sich etwas ausgedacht, er war willig, er war da, das muss man wohl alles gelten lassen, auch ohne jeden Erfolg, er hat einfach mal etwas gemacht, wenn es auch scheiterte: „Alles Menschliche ist an sich nur provisorisch.“
Bismarck hat das gesagt. Wer sonst. Ich wünsche einen schönen Sonntag.
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Ich habe schon unglaublich langweilige, banale Heiligabend-Predigten selbst von Profis gehört – da wäre ich auf Ihre Traum-Version eigentlich ganz gespannt …
„Beim Aufwachen hätte ich dann gerne mein Hirn irgendwo zur Betreuung abgegeben.“ – Der Satz ist den kompletten Montag wert! Köstlich.
Frage für eine Freundin:
Geben Sie tatsächlich Lesungen? ?
Welcome to my life. So geht es mir, mit Verlaub, jede fucking Nacht. Ganze Romane wollen erdacht und vor meinem inneren Auge sofort zur Aufführung gebracht werden. Ich mittendrin. Anstrengend ist gar kein Ausdruck. Fragen Sie mich nicht, wie ich die Tage überlebe. Ich weiß es selbst nicht.
Aber wie sagte schon Bismarck:
„Mein Schlaf ist keine Erholung; (…).“
Spannend auf jeden Fall, dass Sie vorweg geträumt haben, was sich später zumindest anbahnte: die Person des Pastorats und Sie beim selben Thema.
Auch eine schöne Idee für ein Buch: Gleiche Beobachtung, dazu ein Blogbeitrag neben einer Predigt.
Oder direkt der Tausch: Blogbeitrag in der Kirche und Predigt im Blog.
Klare Win-win-win-win-Situation: die Predigt erreicht mehr Menschen und die Kirche wäre auch mal wieder wesentlich besser besucht. Kultureller Austausch, Erwerben neuer Skills und Pipapo inklusive.
Und auch hier können wir Bismarck bemühen:
„Abwechslung ist die Seele des Lebens.“
Ja, prinzipiell lese ich auch vor – seit Corona kam es dazu allerdings nicht mehr. Es ist nicht einfacher geworden.