Früher war das anders

Eine kleine Szene noch einmal zur Verdeutlichung dessen, was Ihnen ebenso wie mir sicher längst bewusst ist, was aber doch noch ab und zu markant auffällt, wie lange nämlich die Zeit vor Corona her ist. Das ist bei Erwachsenen schon ein ergiebiges Thema und mit allem, was wir zum ersten Mal nach dem März 2020 wieder machen, gewinnt es weiter an Bedeutung. Bei Kindern hat es aber eine Dimension, die wir uns kaum vorstellen können.

Wir gehen in ein Café um die Ecke, wir wollen dort frühstücken. Das haben wir früher oft gemacht, früher also im Sinne von präpandemisch, von ganz damals, vor gefühlt vielen Jahren. Während der Hauptphase der Pandemie waren wir dann nirgendwo, es hatte ja auch phasenweise alles zu, Sie erinnern sich vielleicht noch, und danach waren wir nicht die Ersten, die wieder irgendwo waren. Dann saß man eine Weile kategorisch nur draußen. Dann wurden alle bei uns krank, dann wurden die anderen krank, dann ging man wieder nirgendwo hin und zack, waren zwei Jahre und noch mehr vorbei. Der Alltag lief längst anders, lief an Cafés vorbei oder zumindest an diesem Café, wir waren in der Gestaltung der Tage irgendwie abgebogen. Es geriet in Vergessenheit.

Wir gehen jetzt doch einmal wieder in das Café und ein Sohn sitzt und staunt, denn hier ist das Früher. Er sitzt in seiner und unserer Vergangenheit. Hier waren wir früher oft, sehr oft, hier war das ausgelagerte Wohnzimmer. Hier ist er spielend unter den Tischen und Stühlen durchgekrabbelt, wofür er jetzt längst zu groß ist. Tobend zwischen den Beinen der Gäste – unvorstellbar ist das. Hier hat er den und die getroffen, und die leben mittlerweile gar nicht mehr hier. Hier hat er das und das gegessen, und das kostet jetzt fast den doppelten Preis. Hier lief früher immer ein Fernseher, und den gibt es seit einer Renovierung nicht mehr. Der Raum ist auch seltsam anders, aber wie genau, mit den Größenverhältnissen stimmt etwas nicht. Wie war das. „Früher war das anders“, sagt er, und er sagt es wie ein Erwachsener und sieht sich immer wieder um, „früher war das doch anders.“ Es stehen Speisekarten auf den Tischen, früher gab es hier keine Speisekarten, nur Plastikschilder an der Wand, was sind das alles für Veränderungen.

Hier ist es wie früher, aber nur so ungefähr. Es ist ein Nostalgieflash erster Klasse. Das war ein anderes Leben, eine andere Zeit, mit anderen Leuten und anderer Ausstattung und Stimmung. Wir essen Toast vom Sandwich-Grill, und dieser Toast schmeckt nicht wie früher, natürlich nicht. „Früher war alles besser“, sagt der Sohn und lacht über seinen Satz, zumindest beim Toast meint er es aber doch ernst. Ich probiere den Toast und weiß nicht recht. Wir überlegen, ob alle Bilder an den Wänden immer schon so hingen wie jetzt, wir sind uns nicht sicher.

Währenddessen, so sagen die Söhne beim Toast, war es in der Schule furchtbar langweilig in den letzten Tagen. Weil so wenig andere da waren. Es sind dermaßen viele noch krank oder schon wieder. Früher war auch das anders.

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