Es bleibt zäh und farblos, das Leben ist ein langer, ruhiger Werktag. „Ich habe noch nicht das Alter erreicht, wo man erfindet, und begnüge mich daher mit dem Erzählen von Tatsachen.“ So beginnt Dumas die Kameliendame, das ist keine allzu schlechte Methode, um einen unzuverlässigen Erzähler einzuführen. Was aber sind die Tatsachen des Tages? Das frühmorgendliche Wecken der Familie, die allgemeine Unlust, das Knurren und Murren. Die Befindlichkeiten, die Müdigkeit. Der Blick aus dem Fenster, es sind auffällig mehr Nachbarn wach als sonst, es brennen mehr Lichter in den Häusern ringsum, woran mag das liegen. Sogar gegenüber ist schon Licht im Arbeitszimmer, die Nachbarin geht auf und ab, das ist sonst nie so. Vielleicht hat eine allgemeine Unruhe das Viertel befallen, man liegt oder sitzt nachts überall wach und übt sich kollektiv im Overthinking. Und wer weiß, es ist am Ende auch die richtige Jahreszeit dafür, alles verläuft hier wie immer saisonal korrekt, also abgesehen vom Klima.
Das Rotkehlchen sitzt währenddessen oben in der Eiche und singt energisch ab vier Uhr morgens gegen alles an. Hinter dem Kirchturm erst Stunden später eine schwache erste Ahnung von Helligkeit, dazu drei Möwen im Frühdienst auf der Süd-Nord-Strecke. Auf dem Wohnzimmertisch die Tulpen vom Sonntag, ein Pink, das unangemessen maienhaft aussieht.
Das Home-Office, es zieht sich. Der Zahnarzt, die strahlenden Gebisse im Wartezimmer-TV, es ist das hellste Weiß des Tages. Die Einkäufe, hustende Kassiererinnen. Die Makkaroni mit Gulasch im Wellness-Teil des Alltags, die immerhin, es gibt mehrfaches Lob für den Koch, für mich. Und zwischendurch immer wieder zum Balkon, Erdnüsse für die Krähen, nein, Erdnüsse für die Krähen und die Kinder, wie ich nach Sichtung des seltsamen Schwundes ermittele. Wie Sherlock Holmes sinnend den Spuren nachschleichen. Hier liegt eine aufgeknackte Schale, dort liegt ein Krümelchen, schließlich die Kinderzimmertür. Aber okay, der Fall war einfach, sage ich zu meinem selbstverständlich nur imaginären Watson, diese Geschichte wird sicher keinen Roman füllen. Er nickt und sagt nichts. Er ist ein recht angenehmer und ruhiger Gefährte, er ist ein Mann des Januars.
Wir verbringen den Abend gemeinsam, schweigend vor Büchern. Beim Einschlafen sehe ich, wie er seine Uhr aus der Weste holt und ansieht, dann den Kopf schüttelt und eine Notiz macht. Es ist schon spät, jedenfalls für meine Verhältnisse.
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Vor einem Monat war Weihnachten und nun sehnen wir uns wieder nach Wärme, Licht und Frühling. Vielleicht ist es die Sehnsucht, die das Warten etwas erträglicher macht. Sobald der Frühling tatsächlich erscheint, vergessen wir auch die lange Wartezeit wieder. Also hoffen wir nun auf den Februar- und nähern uns dem Vergessen.