Donnerstag, der 27. Juli, Meran. Ich sehe zwischendurch den Wetterbericht für Hamburg, der aus Sicht der Urlauberinnen, die an die Strände im Norden Deutschlands gefahren sind, sicher grauenvoll ist. 18 Grad und Regen, da möchte man nicht unbedingt an der Nord- oder Ostsee sein und sich in einem aus dem Wind gedrehten Strandkorb in klammen Klamotten fragen, ob es vielleicht bald irgendwo heller wird, nur um sich dann doch wieder den ollen Brettspielen mit der Familie oder Freunden in der Ferienwohnung widmen zu müssen. Ich erinnere mich gut an solche Jahre, an solche Wochen, auch an solche Sommerferien. Aber einfach denken: „Nächstes Jahr in den Süden!“, das geht wohl auch nicht mehr. Oder es geht zumindest nicht ohne ein erhebliches Risiko, natürlich werden es dennoch viele Menschen so planen, es ist keine Frage.
Nebenbei gibt es in den Medien die nächste Rekordmeldung, der heißeste Juli seit nahezu immer ist es in diesem Jahr, zumindest aber seit wir Menschen auf das Wetter starren und es aufzeichnen.
Ich habe sehr schlecht geträumt, ungewöhnlich schlecht. Auf eine spektakuläre Art schlecht, der man ein ganzes Kapitel in einem Psychologiebuch widmen könnte. Das passiert mir erfreulich selten. Die etwas seltsame Kombination aus Seneca und Sinéad O’Connor gestern bekam mir wohl nicht, und die paar Folgen Friends am Abend kamen dann nicht mehr aufheiternd dagegen an. Zumal sich in dieser Woche auch noch der Todestag eines Bloggers jährt, Johannes Korten, über den ich unweigerlich etwas nachdenke, wie in jedem Sommer. Damals habe ich am Leuchtturm von Westerhever von seinem Tod erfahren, und ich habe mich schon mehrfach im Sommer vor ähnlich malerischer Kulisse daran erinnert, diesmal also wieder im Urlaub, mit Blick auf das Tal von Meran.
Es ist ein merkwürdiges Ritual, aber es gehört auch dazu, wenn man im Internet altert.
Ferner gibt weitere und noch neue Scherereien mit dem Mietwagen, wir steigen jetzt schon misstrauisch ein und haben insgesamt kein gutes Verhältnis zum Fahrzeug, um es sehr nett auszudrücken, wozu ich eigentlich gar keinen Anlass habe, angesichts der elenden Karre, die sich dauernd per Display-Meldung über sich selbst beklagt wie ein depressiver Roboter. Ach, was tut mir heute wieder alles weh, ach, was ist mir mulmig ums Blech.
Meine Laune bleibt daher eher zweitklassig, mit diesem Urlaub komme ich nicht so gut zurecht wie erwartet, aber als Elternteil kann man sich im Kopf erfreulich leicht umorientieren und die Woche einem anderen Primärziel widmen, nämlich den Söhnen ein paar nette Erlebnisse zu verschaffen. Wir reden mit ihnen nebenbei lange über unsere vergangenen Reisen und Erlebnisse, und es sind, das überrascht mich etwas, viel mehr, als uns zunächst bewusst ist. Uns fällt im Laufe des Gesprächs immer noch ein Trip und noch einer ein, das haben wir gemacht, dort waren wir auch, da war es doch schön und damals noch dieser eine Ausflug – es klingt insgesamt doch ein wenig nach Erfolgsbilanz. Sowohl die Herzdame als auch ich hatten die Erlebnisdichte zunächst nicht so reich in Erinnerung, nicht einmal annähernd, und ich habe auch bei diesem Thema den Verdacht, dass die langanhaltende graue Leere der Coronajahre das Bild der Zeit davor etwas verzerrt hat. Vermutlich ist auch das nicht nur bei uns so, die Zeit vor Corona ist viel länger her, als sie her ist.
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Heute jedenfalls Bogenschießen. Sohn II erweist sich dabei als verblüffende Robin-Hood-Begabung, wir stehen daneben und staunen.
Wobei wir für diese Aktion allerdings gemsenhaft im Gebirg herumklettern müssen (Burg Hocheppan). Der Parcours ist am Hang, im Wald, ganz oben, und es fordert uns sehr. Berge sind schön, aber Steigungen sind lästig, wir kommen eindeutig auch von der Kondition her aus dem Flachland und hängen bald zu viert in den Seilen, sowohl metaphorisch als auch tatsächlich, denn die Wege sind teils mit rettenden Tauen abgespannt. Und gerade, als ich mich frage, wer diese Wahnsinnsstrecke denn bitte ohne direkt nachfolgenden Kurbedarf bewältigen soll, gerade als auch die so fitten Söhne sagen, dass es jetzt aber echt allmählich schwer und herausfordernd werde, gerade da überholt uns ausgesprochen leichtfüßig eine Frau, die ihr Kleinkind in einer Kraxe auf dem Rücken trägt, neben ihr eine hochschwangere Freundin.
Die alte Regel, kein Tag ohne Demütigung.
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Die Bergziegen gucken dann aber doof, wenn man am Ostseestrand von Stein zu Stein springt und sehr viel schneller ist. 🙂
depressiver Roboter! Marvin winkt aus dem Blechnirvana wohlwollend mit der Message das Leben nicht zu leicht zunehmen
Was wäre der Tagesstart ohne Buddenbohm und Söhne! Danke dafür
Kein Tag ohne Demütigung! Aber auch kein Tag ohne Lob, egal ob Eigenlob oder von Dritten, da bitte ich drum.
Ich glaube aber, das kriegen Sie ganz gut hin.
Ich würde ja jetzt sagen, schönen Urlaub noch, aber wegen der Zeitverschiebung schwierig.
An Johannes Korten denke auch ich immer wieder. Und wenn man bedenkt, was uns in den 7 Jahren seitdem geschehen ist, wie sich die Stapelkrise erst nach und nach zu ungeahnten Höhen aufschwingt, daß ich mich frage, wie lange ertrage ICH denn das eigentlich noch. Ohne dein Blog und die Erkenntnis, daß da oben in Hamburg jemand in so vielen Dingen so phänomenal ähnlich tickt, wäre das Gehumpel – ich möchte es heute nicht Leben nennen – wesentlich erbärmlicher.