Saisonanfang

Montag, der 9. Oktober. Ich stolpere am Sonntag bei Recherchen über die Seite eines Autographenhändlers (keine bezahlte Werbung) und muss mich dann sehr zusammenreißen, dort nicht stundenlang Handschriften anzusehen. Zu und zu faszinierend finde ich so etwas, hier etwa die Abteilung Dichtung.

Vor der Bäckereikettenfiliale um die Ecke sehe ich beim Brötchenholen eine weitere Eskalation des Personalmangels, auf den mittlerweile gewohnten Schildern mit der Suche vor der Tür wird jetzt darauf hingewiesen, dass man bei der Bewerbung keinen Lebenslauf und kein Anschreiben mehr benötige, was mir ziemlich kurz vor „Kommen Sie doch bitte, bitte rein und machen Sie irgendwas bei uns“ zu sein scheint. Weiterführende Gedanken zur Zuwanderung und zu Menschen, die warum auch immer nicht arbeiten dürfen, bitte selbsttätig ausführen, man kann die logischen Brüche manchmal kaum noch ertragen und das letzte Wochenende war auch etwas demotivierend, was das Nachdenken betrifft. To say the least.

In den Timelines nach den Wahlen einige Topcheckerinnen, die genau wissen, was jetzt politisch zu tun sei, ich dagegen weiß es nicht. In den Timelines auch einige Journalistinnen, die sich mit einem Anflug von Selbstkritik nach dem Wochenende fragen, ob nicht vielleicht auch die Medien … da bloß nicht antworten. Contenance.

Die Familie kränkelt ansonsten. Am Morgen die Zustände abfragen und die Lage klären, wer kann oder muss wohin, das Virenkarussell. Ich mache dabei bisher nicht mit, merke aber die Abwehrleistung meines Immunsystems, ein Gefühl permanenter Überforderung der körperlichen Art, ohne überhaupt etwas zu tun oder zu leisten. Es passt harmonisch zur seelischen Überforderung durch die Nachrichtenlage, es ist insgesamt alles etwas anstrengend gerade, nicht wahr.

Wenigstens ist das Wetter gut, also schlecht. Es regnet unentwegt, es wird kühler, und wenn der Wetterbericht nicht täuscht, wird der Restsommer zum Wochenende hin endgültig abgeräumt. Ich friere am Montagmorgen auf dem Weg zum Büro erstmals sogar etwas und gebe daher im weiteren Verlauf des Tages Herzensternebrezeln frei, die Familie dankt es mir enthusiastisch: Saisonanfang, wir schalten um. Und in den Mails die Adventstextanfragen.

Im Gegenzug bringe ich den Ventilator und damit also den Sommer in den Keller.

Und an einem Fleet in Hammerbrook sehe ich an diesem Tag doch noch etwas buntes Laub. Allerdings sind es welkende Blätter an Kastanien, und da weiß man dann wieder nicht, ist es der obligatorische Schädlingsbefall, ist es der Herbst. Es ist auch dabei alles eventuell schlimmer als es auf den ersten Blick aussieht. Das zieht sich so durch.

An den Stromkästen im Stadtteil aber, ich nahm es neulich im Vorbeigehen auf, wird Mut gemacht.

Ein Aufkleber an einem Stromkasten: "Keine Angst, das wird schon!"

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4 Kommentare

  1. Ich möchte den weiterführenden Gedanken zur Zuwanderung gerne einen Denkanstoß hinzufügen: Wenn aus Deutschland viele Menschen fliehen müssten (warum auch immer), wer hat dann genügend Geld, Kontakte und Kapazitäten, um diese Flucht zu bewältigen? Und wer davon möchte dann im Fluchtland z.B. als Aushilfe in einer Bäckerei arbeiten?

    Ich lese hier lange genug mit, um einschätzen zu können, dass Sie (und der Großteil Ihrer Leserschaft) sowas mitdenken. Aber außerhalb meiner Internetbubble sieht die Realität leider etwas anders aus…

  2. Lieber Herr Buddenbohm, Sie stehen auf Herbst, ich hab’s geschnallt. Und Sie haben das Gefühl, er kommt in diesem Jahr zu spät, auch das klingt seit Wochen aus Ihren Beiträgen heraus.

    Haben Sie schon mal das hier gelesen? https://www.dwd.de/DE/wetter/thema_des_tages/2014/10/7.html#:~:text=Interessanterweise%20zeigt%20der%20lineare%20Trend,und%20dem%2011.%20Oktober%20beginnt.

    Der Vollherbst beginnt mit dem Fall der Kastanie und der Eicheln. Dann würde ich mal sagen, der V8llherbst ist längst da. 😉

    Die Färbung der Blätter hängt mit kalten Nächten zusammen. Ja, die sind noch warm, wärmer als gewohnt. Ist das wirklich so wahnsinnig schlimm? (Für Hanseaten wahrscheinlich schon. Ich bin mit einem verheiratet, dem ist es auch ständig zu warm und erst bei Temperaturen unter 20 Grad in der Wohnung blüht er auf.)

    Im Artikel steht auch, dass der Herbst seit 1950 (circa) immer früher eintrat. Nun in diesem Jahr eben später. Ist das ein Grund, alles schwarz zu sehen?

    Wahrscheinlich ist es der Spätherbst, den Sie so schmerzlich vermissen?

    Er wird kommen, da bin ich mir sicher.

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