Die Figuren sind noch da

Danke vorweg für die zahlreichen freundlichen Kommentare unter den letzten Texten! Wie entspannt es sich immer alles schreibt und liest, wenn man nicht von einem Brotberuf aufgehalten wird, für den man eigentlich überhaupt keine Zeit hat. Es ist doch immer wieder zu und zu faszinierend.

Ebenfalls vorweg der Hinweis, dass die Bilder gerade alle sind. Das kommt dabei heraus, wenn man dauernd nur herumsitzt oder liegt. Mal sehen, ob ich heute wieder etwas erjagen kann.

Wo waren wir? Noch in Nordostwestfalen, es ist der erste Feiertag. Auf der Rückfahrt nach Hamburg sehen wir, wie Weser und Elbe unter den Brücken Dehnübungen machen und ihre Seitenarme aus den Betten strecken. Aber es regnet immerhin nicht mehr, der Himmel klart auf und ist hier und da sogar metallisch blau, frisch glänzend. Das habe ich schon länger nicht mehr gesehen, fällt mir dann auf. Die letzten Wochen müssen doch recht dunkelgrau gewesen sein, so ungewohnt ist dieser Anblick. Dazu milde 13 Grad, ein Fake-Frühling zieht übers Land. Auf den Koppeln entlang der Autobahn stehen die Pferde tief im Schlamm.

Wieder in Hamburg besuchen wir meine Mutter und gehen durch einen geradezu gespenstisch leeren Stadtteil, es müssen alle auf dem Land oder noch auf den Polstermöbeln sein. Kein Mensch läuft draußen herum. Wir sehen sogar, was man hier sonst nie sieht, freie Parkplätze, gleich reihenweise. Eine unwirklich ruhige Gegend um uns herum, es wird sicher so leicht keinen zweiten Tag mit diesem Effekt mehr geben. In allen Schaufenstern die Weihnachtsdeko, teils bunt illuminiert, aber es wird schon als To-Do in den Kalendern stehen, alles zügig auf Silvester umzuarbeiten. Die Luftschlangen werden längst bereitliegen und schon morgen werden auch, das kennt man aus den Vorjahren, die ersten Tannenbäume von den Balkonen fliegen, noch mit den obligatorischen Dekoresten daran. Fetzen vom Fest.

Ich gehe nach Beendigung aller familiärer und weihnachtlicher Standards, Pflichten und Freuden früher als sonst ins Bett, ich fühle mich doch noch nicht topfit. Ich mache mir ein Hörbuch an und schlafe gleich bei den ersten Minuten ein, es wird sicher ein gutes Hörbuch gewesen sein. Ich wache dann nachts auf, weil ich träume, dass mir jemand dauernd etwas erzählt, das ich nicht verstehe, und so ist es auch tatsächlich.

Am Dienstagmorgen schläft die Stadt lange. Ich höre so wenig Verkehr, dass es sich immer noch wie auf dem Land anfühlt, einmal sind es ganze fünfundzwanzig Minuten ohne ein vorbeifahrendes Auto. Ich sehe aus dem Fenster, ob die Stadt überhaupt noch da ist. Unten geht eine Frau mit ihrem Hund. Sie trägt in der einen Hand einen Coffee-to-go-Becher, in der anderen hält sie eine Zigarette, und sie diskutiert mit ihrem angeschmuddelten Westhighlandterrier, der nicht mehr weitergehen möchte. Sie macht theaterhaft übertriebene, einladende Gesten um eine Hausecke herum, als würde die Fortsetzung des Weges dort ungeahnte Sensationen für das Tier bieten.

Der Hund guckt skeptisch mit schiefgelegtem Kopf und setzt sich erst einmal hin, er ist keineswegs überzeugt. Die Frau nimmt einen großen Schluck Kaffee, den Kopf im Nacken, dann nimmt sie einen Zug von der Zigarette und sieht dem Rauch nach. Der Hund dreht sich um und ihr den Rücken zu.

Ja, die Stadt ist noch da. Die Figuren sind noch da. Die Geschichten finden noch statt und haben etwas zu bedeuten oder auch nicht. Man weiß es nicht immer.

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