Was man im Januar macht, wenn man Zeit hat

Es stirbt Franz Beckenbauer, die Timelines reagieren unerwartet emotional. Wobei ich das nur unerwartet finde, weil mich Fußball nicht interessiert, ich weiß von dieser Denkwelt daher so gut wie nichts. Da ist man dann manchmal überrascht, wie so etwas andere mitnimmt, ich möchte mich darüber aber keineswegs lustig machen.

Beckenbauer wird in den Nachrufen in Verbindung mit anderen großen Namen des Sports genannt und es ist eine etwas seltsame Pointe, dass ich zwei der ganz Großen, Uwe Seeler und Franz Beckenbauer, zu Lebzeiten zufällig begegnet bin. Wie unwahrscheinlich ist das? Neben Franz Beckenbauer habe ich einmal auf einer Restauranttoilette gepinkelt, worüber es sonst nichts weiter zu erzählen gibt. Man steht dann da so, sieht kurz zur Seite und denkt: „Ach guck.“

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Minus neun Grad am Morgen. Neulich habe ich gerade mit meinem Bruder darüber gesprochen, an welche Minustemperaturen wir uns noch erinnern. Es waren aus heutiger Sicht unglaubliche -23 Grad, irgendwann im letzten Jahrhundert in Lübeck war es einmal so kalt. Was ein wenig so klingt, als seien wir Relikte aus der letzten Eiszeit, als würden in den Schränken bei uns noch die Bärenfelle hängen.

Die Sonne scheint den ganzen Tag, es blaut und gleißt und leuchtet und blendet. Es ist prächtiges Vitamin-D-Aufhol-Wetter, eine stimmungsverbessernde Maßnahme für die graubedrückte Stadt. Ich fahre nach der Arbeit in den Garten, um etwas zu holen, das idiotischerweise dort liegt und nicht hier, wo es hingehört. Der Weg ist beschwerlich, weil enorm vielen Zuständigen wohl, wie man heute sagen muss, die Streuanreize fehlen. Hamburg liegt fast überall unter einem Eispanzer und man gibt also beim Gehen nahezu durchgehend den schwankenden Pinguin. Es strengt etwas an, aber hey, es ist immerhin Sport bei Sonnenschein.

Im Garten sehe ich dann ein herrlich klares Gewusel von Tierspuren. Wie gedruckt oder gestochen sehen sie aus, so deutlich zeichnen sie sich im überfrorenen Schnee ab, ich habe nur leider keine Zeit, in Ruhe sie nachzuschlagen. Dabei wäre das richtige Buch dafür sogar in der Laube vorrätig. Still ist es in den tief verschneiten Gärten, ganz still, umfassend still, nur eine diensthabende Rabenkrähe ruft mir aus der Birke ein knappes Begrüßungs-Krah zu. Dann schweigt die ganze Anlage wieder lange und liegt im blauweißen Nachmittagslicht da wie eine Vorlage für Landschaftsmaler im Winter.

Auf einer Brücke über die Bille lehnen zwei alte Männer am Geländer, rauchen und sehen zu, wie der Fluss allmählich zufriert. Was man im Januar so macht, wenn man Zeit hat.

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Am Abend weiter mit Genuss F. Scott Fitzgerald gelesen und gehört, seine Storys.

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Kiki über Frau Elise.

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Im Tagesbild der Michel, an dem ich schon lange nicht mehr vorbeigekommen bin. Aber von Zeit zu Zeit seh‘ ich den Alten gern.

Der Turm des Michels, im Voordergrund etas Schnee auf Mauern

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6 Kommentare

  1. Vitamin D-Wetter ist es nicht, da kann die Sonne sich derzeit noch so anstrengen, sie steht bis ca. März einfach in zu flachem Winkel.

  2. „Im Garten sehe ich dann ein herrlich klares Gewusel von Tierspuren. Wie gedruckt oder gestochen sehen sie aus, so deutlich zeichnen sie sich im überfrorenen Schnee ab“ – Ich hoffe, dass es davon demnächst ein Tagesbild geben wird!!!

  3. 9. Januar 1985 im Erzgebirge: -28°C
    Das bleibt mir immer in Erinnerung, weil mein Bruder an diesem Tag sehr überraschend und zu früh zu Hause geboren wurde und der Rettungsdienst einfach den Krankenwagen nicht warm bekam. Eine herbeigeholte Standheizung, Watte, Tücher und Alufolie waren nötig, um die Beteiligten in die nächste Stadt zu fahren.
    Doch wie Erzgebirgler so sind, ging danach der Alltag trotzdem weiter. Man stapfte dick eingepackt durch hohen Schnee Richtung Schule und Arbeit. Außer natürlich die frisch gebackene aber unterkühlte Mama 🙂
    Herzliche Grüße
    von Nelia

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