Ostwind in der ungelüfteten Stadt

Die Paketabholgeschichte von gestern endete damit, dass ich den Kiosk doch noch fand und hineinging. Ein Mann kam aus einem Hinterzimmer. Ich sagte, dass ich eine Sendung abholen wolle. Er sah mich genauer an, nickte und sagte: „Ich weiß.“ Dann lachte er.

Ich weiß nicht, warum er lachte. Es war auch kein unfreundliches Lachen, es war eher auf die gute Art onkelhaft, und er war ein sympathischer Typ. Ein älterer Mann vermutlich arabischer Herkunft, aber das rät man immer nur. Ein gutaussehender, freundlicher, älterer Mann, eine ansprechende Figur mit ausgesprochen filmtauglichem Gesicht, beste Besetzung.

Die Geschichte, also wenn dieser Tag eine Geschichte gewesen wäre, hätte an dieser Stelle eine eher Mary-Poppins-artige Wendung genommen, denn jede halbwegs erfahrene Leserin hätte sofort gemerkt, aha, eine wichtige Nebenfigur tritt auf. Typ skurriler Ladenbesitzer, das kennt man doch. Gleich geht wieder etwas los. Wir biegen erneut ab ins Fantastische, vermutlich auf der nächsten Seite schon. Auch mit diesem Kiosk und seinem Besitzer wird es etwas auf sich haben, weißte Bescheid.

Ich habe das Paket aber einfach nur mitgenommen. Zwischen den seltsamen Momenten im Alltag wird die Wirklichkeit übergangslos wieder zur unauffälligen Wirklichkeit, gibt sich dann über längere Zeit glanzlos und täuscht bis zum nächsten beachtenswerten Vorfall graue Beständigkeit vor, als könne es nichts anderes geben. Man kennt das.

Es war auch nur das in dem Paket, was ich nach der Bestellung erwartet hatte, ein weißes Leinenhemd, die Sommerausrüstung. Es passierte nichts weiter, was mich noch einmal ins Fiktive verwiesen hätte. Oder ich müsste länger darüber nachdenken, das kann natürlich auch sein. Wer weiß, was einem alles entgeht, nur weil man nicht lange genug denkt oder nicht langsam genug schreibt.

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In der letzten Woche noch eine weitere Gartenjahrpremiere: Die Herzdame und ich fahren zum ersten Mal nach der Arbeit in den Garten und gießen. Es ist viel zu trocken, der letzte Regen ist in Hamburg lange her, das frisch gepflanzte Gemüse überlebt ohne unsere Hilfe nicht.

Auf dem Weg zur U-Bahn ist die Stadt stickig, staubig und durchglüht wie im Hochsommer. Obwohl zwischendurch ein heftiger Ostwind durch die Straßen kapriolt, schon seit Tagen ist der da und pfeift hier herum und zieht einfach nicht weiter. Er kreist durch die Stadtteile, lauert an den Ecken und heult zwischendurch in den Lüftungen auf. Er treibt leichten Müll über die Plätze, tanzende Papiertüten, leere Hundekackbeutel und all die weißen Servietten, die er von den Imbisstischen raubt.

Dieser Wind kühlt aber seltsamerweise die Stadt bei seinem Spiel nicht ab und er frischt auch nichts auf. Die ganze Stadt riecht immer weiter arg ungelüftet. Es ist ein seltsames Wetter. Es ist ungewöhnlich, es fühlt sich falsch und ungehörig an, aber es scheint niemandem aufzufallen. Etwa 26 Grad sind es an diesem Tag. Wie könnte man so einen Tag von einem Juni- oder Juli-Tag unterscheiden, von irgendeinem heißen Tag in den Sommerferien? An der Farbe der Kirschen etwa.

In unserem Garten wird der Rasen an den ersten Stellen trockengelb, sehen wir dann beim gemeinsamen Gießen. Das Jahr schreitet voran und hat mittlerweile deutliche Gebrauchsspuren und Schäden.

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Regen und Nebel dagegen in üppigster Ausprägung bei der Landlebenbloggerin.

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Jens Scholz über Trends und das Begaffen von Unfällen.

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Ein Kommentar

  1. Danke für die genauen Wetterbeschreibungen aus dem Norden. Hier im Vordertaunus r3gnet es so viel, dass der Rasen explodiert und Glanzmispel und Kirschlorbeer (von den Vorbesitzern großzügig gepflanzt) hellgrüne Kappen tragen…

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