Gehört, mit nennenswert mehr Bezug zum eigenen Leben, als ich zunächst angenommen hatte: Eine alte Folge Radiowissen, dort doch noch etwas gefunden, über Kassandra. Die unerhörte Seherin aus Troja.
Danach habe ich unwillkürlich noch lange über die Kassandra-Momente im eigenen Leben nachgedacht. Es wird ihnen vielleicht auch so gehen, wir haben sicher alle welche gehabt. Und wenn man erst ein gewisses Alter erreicht hat, blickt man womöglich oder wahrscheinlich sogar auf mehr als nur eine markante Vorhersage zurück, die deutlich im Gedächtnis blieb. Auf diese paar Vorhersagen, bei denen man richtig lag, erstaunlich goldrichtig mitunter, vielleicht ausdrücklich gegen die Mehrheitsmeinung. Was sich dann im Nachhinein besonders wertvoll anfühlt. Da doch einmal gründlich Recht gehabt! Und wie! Topchecker, der ich bin!
So ging es mir in den letzten Monaten bereits mehrfach, noch vor dem Hören dieser Sendung. Denn es kamen in verschiedenen Kontextsituationen derartige Themen und Einschätzungen aus der Vergangenheit zur Sprache und zur teils eingehenden Revision. Es boten sich bei manchen Themen umfassende Rückschauen und auch etwas Erinnerungsarbeit an. Ich weiß nicht recht, wie es dazu kam, es lag vielleicht in der Luft. Obwohl es jahreszeitlich noch nicht zu passen schien, der Sommer ist für mich keine Zeit der ausdrücklichen Erinnerungsarbeit. Aber egal.
Das ging jedenfalls so weit, dass ich in einem seltenen Moment von Zufriedenheit mit meinem Denkvermögen feststellen konnte – so schlecht in der Trenderkennung war ich in den letzten Jahrzehnten wahrhaftig nicht. Eher im Gegenteil. Was allerdings, so viel sofortige Verdunkelung der Stimmung muss sein, weiß Gott keine gute Erkenntnis für uns alle ist.
Warum, werden Sie da vielleicht fragen. Aber ich kann es unmöglich weiter ausführen, Teile der Antwort würden Sie verunsichern. Falls Sie sich an dieses Zitat überhaupt noch erinnern? Natürlich habe ich nachgesehen: 2015 war das, Thomas de Mazière hat es gesagt. Himmel, ist das auch schon so lange her.
Selbstverständlich ist es jedenfalls so, dass wir die vollkommen vergeigten Vorhersagen, die es bei jeder und jedem von uns ebenfalls zahlreich gegeben haben wird, eher nicht mehr parat haben. Dass wir die längst gründlich verdrängt haben, und besser wird es sein.
Ich dachte weiterführend darüber nach, was aktuell meine kassandrischen Vorhersagen wären. Mehr aus Spielerei allerdings, nicht aus aktueller Panik oder neu überbordender Weltuntergangsstimmung. Ich habe beim Pessimismus keinen besonderen Höhepunkt zu verzeichnen, die letzten Jahre haben mich auf alles gut vorbereitet. Ich bin lediglich unaufgeregt normalfatalistisch.
Was aber ein schönes Format wäre, wie mir dabei auffiel: Interviews mit Menschen über ihre dunkelsten Prophezeiungen zu führen. Besonders über die originelleren Varianten natürlich, nicht über die so sattsam bekannten Standards.
Also nicht über die Themen, die wir alle nicht mehr hören können, weil sie täglich wiederholt und sogar schon gelehrt werden, Klimawandel, Artensterben, Feinstaub, Pandemie, resistente Keime etc. Nein, die etwas schrägeren Ideen, die würde ich reizvoll finden.
Und diese spezielleren, vielleicht ausdrücklich nischigen, gerne betont berufsspezifischen („Was wird in Ihrer Branche GANZ FURCHTBAR werden?“) und ausdrücklich fachkompetenten Katastrophenvorhersagen dann gemeinsam etwas durchdenken.
Sie vielleicht vorsichtig relativieren, vielleicht auch gruselig vertiefen. Heiteres Weltuntergangsgeplauder, ein gemütliches Stündchen am Nachmittag mit Annahmen zum Schlimmstmöglichen. Kaffee, Kuchen, Kassandra.
Man könnte es entspannt als reines Entertainment auffassen. Denn glauben müsste das alles sowieso niemand. Man müsste sich, was auch immer da zur Sprache kommen sollte, zunächst nicht die geringsten Sorgen darüber machen. Wie immer bei Kassandra. Es gehört schließlich so, eine ehrwürdige Tradition.
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Im Guardian geht es um Flugscham und Overtourism.
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