Anmerkungen am Rand

Der Herbst dreht auf, ich habe kaum Zeit, es ausreichend mitzubekommen und zu würdigen. Sonnenuntergang schon 18:04. Da wird es eng im Plan, wenn am Rand des Tages noch Bewegung im Freien und bei Licht stattfinden soll. Die Arbeit dehnt sich gerade allzu weit aus und beansprucht Stunden, die ihr gar nicht zustehen.

Eine flotte Runde durch Planten un Blomen ist gerade noch zu schaffen, als herbeigetrickster Waldbadersatz. Und so schlecht ist der Notbehelf nicht. Menschen, die besser aufgepasst haben als ich, wüssten vielleicht gleich den japanischen Begriff Shinrin-Yoku, er war doch häufig genug in den Medien. Ich hatte den allerdings nicht parat.

Unabhängig vom eben verlinkten Artikel habe ich beim Spaziergang jedenfalls überall da, wo es mitten in der Stadt doch einmal deutlich nach Natur riecht, nach Herbstlaub und Erde, nach Wasser oder nach gesundem Vermodern, einigermaßen überzeugend das Gefühl, dass die Luft dort gesund sei.

Gefallenes Hernstlaub im Park, ein Steg über einen Wasserlauf

Ich sehe es auch bei anderen, dass sie an diesen Stellen unwillkürlich kurz stehenbleiben und so atmen, wie wir vermutlich alle atmen, wenn wir an den Strand fahren und dort endlich wieder das Meer riechen. Es muss ein ähnlicher Effekt sein, und es ist immerhin ein billiger, halbwegs gut verfügbarer Effekt. Wenn man einen Park oder sonst ein Stück Natur in der Nähe hat.

Blick durch herbstliche Parkanlagen auf den Fernehturm am frühen Abend

Es eilt auch, wie immer eilt es alles schon. Denn die ersten Bäume, ich sehe es im schwächer werdenden Gegenlicht des Sonnenuntergangs, sind fast kahl, nackte Äste sind bereits zu sehen. Einige dramatisch zitternde letzte Blätter, die aus ihrem Fallen eine große Show machen, die Grandezza des Verfalls. Eine Show, der man gerne zusieht, auch wenn es eine Wiederholung ist, auch wenn wir wissen, wie es ausgeht.

In einem Gebüsch an einer besonders landschaftsbildtauglichen Stelle ein Typ, der wiederum einige Klischees bedient. Wenn Sie sich bitte für einen Moment jemanden vorstellen wollen, dem man eventuell lieber ausweichen möchte. Das kann verschiedene Ausprägungen haben, aber einigen wir uns auf enorm kräftige Schultern und einen überbreiten Nacken sowie auf ein Gesicht, das in jedem Film den Bösen kennzeichnen würde. Da haben wir ihn in etwa, die Kleidung, Accessoires etc. können Sie nach Belieben und Erfahrung variieren. Und der steht also derart im Gebüsch, dass man gleich denkt, der pinkelt da.

Was in einer Großstadt eben passiert, zu oft und an zu vielen Stellen, Männer nach Biergenuss, es ist immer das Gleiche. Diese Haltung, die erkennt man, auch von hinten, auch aus der Distanz, und man sieht dann bemüht woanders hin.

Muss man aber nicht immer. Denn dieser Typ da z.B., der pinkelt gar nicht. Der fotografiert vielmehr in seiner geschützten Ecke sorgsam güldenes Herbstlaub. Fein durchbrochene Blätter, filigrane Schönheiten, so etwas. Sieht hinterher auf sein Smartphone und schüttelt den Kopf, macht weitere Aufnahmen im warmen Abendlicht, vergleicht dann wieder scrollend die Ergebnisse auf dem Bildschirm. Ist nach einer ganzen Weile und vielen Aufnahmen erst zufrieden und geht schließlich weiter, sieht sich nach anderen guten Stellen und attraktiven Pflanzen um, während das Licht schnell schwindet.

Wir sind hinausgegangen, den Sonnenschein zu fangen.“ Was einem alles auf einmal wieder einfällt, bei Sonnenuntergang im Park. Es ist ein Frühlingslied, ich lese dennoch zuhause den Text noch einmal nach: „Werft ab alle Sorge und Qual, fallera.

Na ja. Ab einem gewissen Alter möchte man bei solchen Stellen einige Anmerkungen am Rand machen.

Eine Fußgängerbrücke in Planten un Blomen vor herbstlichen Bäumen

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2 Kommentare

  1. Der altehrwürdige Hauptfriedhof meiner Stadt liegt in unmittelbarer Nähe meines Hauses und ist meine Oase. Er hat ein Wegenetz von 50 km. Keine Autos, keine Hunde, keine Radler, ein Ort der Stille und des Friedens und in der ganzen Region bekannt und beliebt. Allein mag ich nicht in den Wald (Nordschwarzwald) gehen. Auf diesen Friedhof aber schon.

  2. Auch hier klettern die Überstunden in schwindlige Höhe und trotzdem bleibt viel zu viel liegen … vielleicht muss das ja so im Herbst, bevor es im Dezember nach noch mehr Stress endlich ruhiger wird ….

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