Während es stundenlang und jahreszeitlich korrekt regnet, denke ich beim Blick aus dem Fenster an Kid37, der seelisch bekanntlich in diesem Wetter beheimatet ist. Nachsehen, was er schreibt und macht, und guck, interessante Musik gibt es gerade bei ihm. Ein thematisches Aufblühen in Richtung November ist es gewissermaßen, und ich verstehe das, ich teile das.
Herzliche Glückwünsche dem Herrn Blognachbarn noch, versteht sich!
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Am Sonntagmorgen war ich, wo ich viele Jahre nicht war, nämlich auf dem Hamburger Fischmarkt. Bekannt aus Klischees, Reiseführern und TV-Dokumentationen aus der Richtung Heimatkunde in Dritten Programmen. Als langjähriger Einwohner Hamburgs muss man da alle paar Jahre einmal hin, man erhält nach Losverfahren auch eine nachdrückliche Erinnerung der städtischen Behörden. Schließlich braucht es dort regelmäßig eine große Anzahl Komparsen, die für die durchziehenden Touristenhorden einigermaßen normale Menschen aus dieser Stadt darstellen. Damit alles stets so wirkt, als sei es nicht lediglich für Reisegruppen arrangiert worden. Sonst geht der Tourismus am Ende zurück und die Leute besuchen andere Städte, nicht auszudenken.
Das heißt für mich also Troyer anziehen, die alte Fleetenkieker-Mütze aufsetzen und dann auf dem Markt etwas planlos herumgehen, mehr wird nicht verlangt. So schwer ist das also nicht, und ein wenig Honorar aus dem Amt für Hamburgensien und maritime Stimmungsfragen gibt es hinterher auch. Man wird in diesen Zeiten nicht nur für die Teilnahme an Demos bezahlt.
Wie fast alle, die schon ein paar Jahrzehnte in Norddeutschland zugebracht haben, habe ich Fischmarkterinnerungen aus der Kindheit und aus der Zeit meines Sturmes und Dranges. Mit dem Vater damals dort Tauben von Züchtern gekauft, in den frühen Siebzigern etwa. Vage Erinnerungen an die großen Transport-Körbe mit mehreren Abteilungen darin, in die etliche Vögel der besonderen Arten passten. Auch undeutliche Erinnerungen an die Stände mit dem vielen Geflügel. Hasen, Karnickel und dergleichen gab es daneben auch. Längst ist es verboten, dort noch lebende Tiere zu verkaufen, wir kommen aus wahrlich wilden Zeiten.
Aus anderen Gründen leicht verschwommene Erinnerungen an Besuche dort, als ich noch einen Überlebenden der Partynächte darstellte. Taumelnder Freundeskreis, Restgemeinsamkeiten in der Dämmerung. Fischbrötchen auf Restalkohol und dann zitternd vor morgendlicher Kälte einen Kaffee aus dem Pappbecher, gegen die heranbrandende Müdigkeit, gegen die Unfähigkeit auch, sich für einige Stunden zu trennen.
Heute, das fällt mir auf, sehe ich kaum volltrunkene Überbleibsel der Nacht. Keine bestens gelaunten Grüppchen, die aus der Richtung Reeperbahn kommen und hier noch ein Stündchen herumgeistern, bevor endgültig nichts mehr geht und die Biologie ihnen den Stecker zieht.
Lediglich drei junge Menschen fallen auf, die ekstatisch zu einer Art Techno-Musik tanzen, in eher kümmerlichem Sound von einem Smartphone abgespielt. Für ihre mit interessanten Substanzen angereicherten Hirne noch laut genug. Die gehen ab, da drüben neben dem Fischbrötchenstand, an dem die Krabbenbrötchen, immer auch das Smalltalkwissen mitnehmen, heute bei acht Euro liegen.
Ansonsten nur nüchterne, oft müde wirkende Reisende, die hier pflichtgemäß Station machen und in Treue zu alten Traditionen auf angeblich spottbillige Obstkörbe etc. hereinfallen. Oder die staunend vor den Marktschreiern stehen, die es also wirklich gibt, die man filmen und beweisen kann. Und deren Scherze dann auch programmgemäß neu und ungemein erheiternd gefunden werden. Denn so muss das.
Neben dieser Szenerie der Sonnenaufgang über der Elbe. Als Hauptattraktion viel geeigneter als der Markt, denkt man irgendwann, wenn man den Markt schon kennt. Die Fenster der Elbphilharmonie spiegeln ein dermaßen unglaubwürdiges Rosa, es ist gar nicht zu fotografieren, so kitschig sieht das aus. So überzeichnet, am Ende ist es nur eine weitere AI-Anwendung im Hintergrund.
Für diesen Sonnenaufgang am Hafen lohnt es sich jedenfalls, so früh dorthin zu gehen. Je nach Wetter. Bei Nebel oder auch bei dekorativer Bewölkung in der pinkfarben süßlichen Variante: Kann man machen, doch, doch.
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Die Fischmarkt-Kampaserie war dichterische Freiheit?
Schöne Fotos, Max! Für die Kulisse würde ich mich wohl noch am ehesten so früh auf den Weg machen. So ganz sicher bin ich mir da aber nicht. Danke fürs Teilhaben-Lassen. Und ich hoffe, dass sich vom Honorar wenigstens so ein Krabben-Brötchen erstehen ließ. Oder pult man bei Buddenbohms noch selbst am Küchentisch? Hm.
Vielen Dank für die Glückwünsche! Fallendes Herbstlaub ist ja mein Konfetti, insofern war es ein rauschender Tag.
Oh, aufn Fischmarkt muss ich auch mal wieder. Wie lange ist das her, 30 Jahre? Zum Glück kann man sich als Oldenburger noch aussuchen, wann man sich unter die Hamburger Statisten mischen möchte 😉