Ein paar Tage zurück. Über den Kirchhof vor unserer Haustür wabert beißender Rauch durch einen dunkelgrauen, durchnieselten Dezembernachmittag. Eine große Feuerschale hat man dort aufgestellt, kleine Holzkistchen werden darin verbrannt, als ich vorbeigehe. Vielleicht sind es solche, in denen manchmal die Mandarinen in Supermärkten liegen, sie sehen beim flüchtigen Hinsehen so aus. Um die qualmende Schale herum stehen etliche Menschen. Allerdings stehen sie da nicht, um sich zu wärmen oder weil etwas gefeiert wird.
Sie stehen dort für die Essensausgabe an, die hier wöchentlich in der Kirche stattfindet. Es ist die übliche, seit Jahren so furchtbar lang gewordene Schlange der Bedürftigen, ich berichtete vielfach.
Sie stehen da in einem Bogen um die Feuerschale herum. Es ist ein scheußlicher, aber immerhin warmer Dezembertag, die üblichen 12 Grad, das Durchschnittswetter. Die Leute werden heute kein wärmendes Feuer auf dem Kirchhof brauchen, denke ich mir. Aber riechen werden sie alle unweigerlich, penetrant wie die Räucherware vom Fischmarkt, denn sie können dem Rauch in der Warteschlange nicht entkommen. Sie stehen zu lange in den stinkenden Wölkchen, die zwischen ihnen verwehen, sie können ihre Plätze in der Schlange nicht aufgeben. Es wird gut gemeint sein, das große Feuer, davon gehe ich aus. Aber ob es auch gut ist, da bin ich nicht sicher.
Aber das nur als Bild am Rande. Ich muss es ab und zu erwähnen, wie es hier zugeht. Denn bei Ihnen, was weiß ich, geht es irgendwie anders zu.
Sie haben vielleicht in den letzten Tagen eine Meldung gesehen, in der unser Stadtteil auch überregional erwähnt wurde. Es sind selten erfreuliche Meldungen, wenn so etwas vorkommt, es war auch diesmal keine. Da ging es um eine Kita, die ihr Außengelände gerade mit Stacheldrahtverhau gegen Junkies etc. zu schützen versucht. Das ist hier um die Ecke.
Und ich bin gerade, Sie müssen sich hier eine kurze Pause vorstellen, dort vorbeigegangen. Ich dachte, ich mache Ihnen reportermäßig ein Bild davon. Das habe ich dann aber gelassen, denn es standen Typen vor der Kita, die man lieber nicht fotografiert. Aber dieses Bild, das es nun nicht gibt, es passt auch.
Es ist ansonsten norddeutsch dezembrig in Hamburg, also eher hässlich. Schwer ist es, in dieser Zeit des Jahres, im durch und durch unschönen Stadtwinter, irgendetwas Reizvolles, Attraktives zu entdecken, während man durch die Straßen geht (andere haben es gerade etwas leichter, wie etwa Anke). Ich müsste aber neue Fotos machen, denke ich mir. Zu viele meiner Vorratsfotos sehen jahreszeitlich schon falsch aus, das stört mich.
Neue Bilder braucht das Blog. Ich gehe wieder raus, ich gehe gucken.
Ich sehe aber hartnäckig nichts. Also nichts, das ich abbilden möchte. Ich komme gegen den winterbedingten Filter in meiner Wahrnehmung nicht an, ich kann Schönes im Moment nicht erkennen. Der trostlos ghettohaft herumfliegende Müll fällt mir nur auf. Die unzähligen falschparkenden Autos. Das Elend der Obdachlosen, die durchnässten Schlafsäcke in den Hauseingängen, die zerfledderten Kartonbetten. Die Bettelnden am Straßenrand usw. Das möchte, kann und darf ich alles nicht abbilden.
Das Wetter zieht uns hier etwas herunter in diesen Wochen, nicht nur mich. Und man lässt sich auch ziehen. Das bringt diese Zeit so mit sich, immer wieder, und es klingt auch schlimmer, als es ist. So geht der Winter hier nun einmal, man kennt es nicht mehr anders. Wann war das damals mit dem Alstereis, mit diesem letzten Winteralstervergnügen. Mit den vielen gutgelaunten Menschen auf Schlittschuhen unter der Wintersonne am Nachmittag, mit den Glühweinständen auf der weiten weißen Fläche, wann war denn das.
Da waren die Kinder noch … der Autor zeigt mit einer Hand irgendetwas ungefähr in Kniehöhe an, fährt dann doch etwas höher, grübelt, weiß es nicht recht, schüttelt den Kopf, winkt ab. Früher eben, es war einfach früher. Da war es hier jedenfalls auch im Winter einmal schön, in jenem Jahr. Da sah es gut aus, zumindest unten an der Alster. Was sagt der Wetterbericht gerade, ostwärts abziehende Schauer, dahinter neu aufkommender Regen, vereinzelt Graupel und Schneeregen, meist trüb.
Na, es passt schon alles zusammen.
Im Bild heute ein U-Bahngleis im Hauptbahnhof. Auch so ein Festival des Frohsinns.
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Im Frühjahr 2012 fand laut Wikipedia das letzte Alstervergnügen auf ausreichend dickem Eis statt. Hab’s mir immer nur vom Ufer aus angesehen, dafür gab es in meiner Kindheit zuviele unterm Eis ertrunkene Kinder, zumindest war das so in meiner Erinnerung; vielleicht bin ich da auch nur den abschreckenden Geschichten der Altvorderen aufgesessen.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Alstereisvergn%C3%BCgen