Weiter in dieser Reihe.
Wie bereits angekündigt bin ich mit den ganz einfachen Rezepten nahezu durch und nähere mich nun fortgeschrittener Bastelarbeit am Herd an, die Wirsingroulade am Horizont wurde neulich schon angedeutet. Auf dem Weg dahin heute ein Rezept, das alle Welt einfach finden wird, nur ich nicht. Denn, hier muss wieder etwas bekannt werden, ich kann keine Sachen braten, die man vorher zusammenmengen muss. Also Frikadellen, Bratlinge, Puffer, was auch immer. Ich bin darauf abonniert, diese Teilchen so zu verfertigen, dass sie sich entweder bei der ersten Berührung mit der Pfanne wieder in ihre Bestandteile auflösen oder aber sich nach einigen spannenden Minuten äußerlich in Grillkohle verwandeln, während sich innen die Salmonellen noch behaglich räkeln. Es ist ein Küchenfluch, siehe in meinem Fall auch -> Auflauf. Gleiches Problem, nur mit ohne Bratpfanne.
Das Rezept von heute man kann als etwas kryptisch bezeichnen, ich habe nämlich im Laufe des Tages jedem erzählt, was ich am Abend vorhatte – und habe dabei niemanden getroffen, der das Wort schon einmal gehört hat: Stemmelkort. Genauer Stemmelkort mit Feldsalat in Buttermilchdressing. Das ist, lassen Sie sich von meinem gleich folgenden Lamento über die Bratlingkonsistenz nicht ablenken, saulecker, das kann man ruhig kennen. Stemmelkort also, es handelt sich um einen Ausdruck aus dem Westfälischen. Man könnte das auch als Möhrenpuffer bezeichnen, aber wer würde das tun, wenn es ein besseres Wort gibt. Außerdem würde ich Möhrenpuffer nicht zubereiten, denn Möhrenpuffer klingen definitiv uncool, so etwas kommt mir nicht auf den Herd. Dagegen Stemmelkort – gar kein Problem. Stemmelkort bei Buddenbohm, das hat doch was, schon vom Klang her.
650 Gramm Möhren schälen und ansonsten unversehrt mit einem Lorbeerblatt und einem Sternanis in 800 ml Gemüsebrühe 20 bis 25 Minuten kochen. Danach sind sie weich, sagt das Rezept – ich aber sage Euch, dass nur besonders devote Möhren schon nach 20 Minuten wirklich weich sind, meine waren es eher deutlich später. Mit Betonung auf deutlich. Die irgendwann doch noch weich gewordenen Möhren aus der Brühe nehmen, ohne den Sternanis und das Lorbeerblatt zerstampfen und abkühlen lassen. Im Kochbuch steht an dieser Stelle NICHT PÜRIEREN hervorgehoben, das wird also seinen Sinn haben, daran sollten Sie sich auch halten. Also schön stampfen. Danach 150 Gramm rohe Möhren raspeln, 1 Zwiebel in feine Würfel schneiden, beides zusammenwerfen und mit Salz, Pfeffer und Muskat würzen. Ich habe bei der Suche nach einer Rohkostreibe zu meiner Überraschung festgestellt, dass ich ein küchenmaschinenähnliches Gerät besitze, es ist doch immer spannend, was in den Schränken ist, die man nicht so oft aufmacht. Ich habe mir dann natürlch die Mühe des Reibens und Würfelns gespart und Möhren und Zwiebeln in die Maschine geworfen. Und auf einen Knopfdruck hin atomisiert. Wirklich beeindruckend, was für ein Leistungsvermögen so kleine Maschinchen heutzutage haben. Das nächste Mal lasse ich den Knopf nicht eine Minute lang gedrückt.
Einen EL Mehl, einen TL Backpulver und einen EL Semmelbrösel sowie ein Ei unter die atomisierten Möhren und die Zwiebel geben. Möhrenstampf dazu, alles vermengen und dabei evtl. vorhandenen Kindern möglichst souverän erklären, wieso Papa mit dem Essen herumspielen darf und sie nicht. 10 Minuten quellen lassen. Also den Karottenpamps, nicht die Kinder.
Butterschmalz oder anderes Fett in einer Pfanne erhitzen und esslöffelweise Puffermasse hineinwerfen. Flachdrücken und, so das Kochbuch, bei mittlerer Hitze von jeder Seite 3 bis 4 Minuten braten. Normale Menschen haben danach leckere Puffer, ich habe danach rohe Klopse mit leichten Verbrennungen außen. Aber nach dem zehnten Esslöffel hatte auch ich das richtige Verhältnis aus Menge, Druck, Hitze, Zeit und Wendung heraus, das war total spannend und hat irgendwie auch Spaß gemacht. Jedenfalls mir, der hungrigen Familie nicht unbedingt, die gerne deutlich schneller vorzeigbare Ergebnisse in größeren Mengen gehabt hätte. Denn die Dinger schmecken wirklich gut. Etwas überraschend ist dieser Geschmack, irgendwo zwischen Nachtisch und Hauptgericht, jedenfalls faszinierend. Früher wurden die zum Kaffee gereicht, das kann man sich sehr gut vorstellen. Ich habe dazu ein sehr schwarzes Schwarzbier vom Schwaben-Bräu getrunken, das ist eine Hammerkombination, wie füreinander gemacht.
Für den Salat dazu 100 ml Buttermilch mit 100 g saurer Sahne, einem EL Apfelessig und einem EL Sonnenblumenöl verrühren. Salz, weißer Pfeffer, etwas Zucker, ordentlich rühren und über den Feldsalat kippen, fertig. Der frische, säuerliche Geschmack des Salats zu dem erdig-dunklen Stemmelkort, das ist so gut, das kann man auch Gästen servieren, sofern man denn in akzeptabler Zeit genug Puffer braten kann und nicht ellenlange Versuchsreihen braucht.
Anrichten, fotografieren, essen. Das ist kinderkompatibel, zufällig anwesende Gäste fanden es auch gut, alle waren zufrieden. Stemmelkort.
Kann man sich ja mal merken.
Damit werde ich demnächst meine neuveganische Eventuell-mal-Schwiegertochter schocken. Muss nur noch die Salatsoße umditschen auf Soja. „Stemmelkort“ hört sich gut, wenn auch arbeitsreich an. Besonders die renitenten Möhren. Rezepte OHNE genaue Angaben funktionieren meist bestens. =D
Und ich hatte es heute bei der Essensplanung für die nächsten Tage überblättert. Also dann doch noch den Einkaufszettel erweitern.
Der Name ist genial. Vor allem um nörgelnden Zwerginnen mal etwas zu verwirren. Und während ihnen noch der Mund offen steht kann gleich der Stemmelkort hinein geschoben werden.
Das schreit nach TEST!
Oh, das klingt doch gut. Ich persönlich würde ja zugunsten einer größeren Menge Klopse glatt auf den Salat verzichten und lieber noch um ein weiteres Bier aufstocken wollen, halte das aber nach blitzartiger Auswertung des Gesichtsausdruckes auf der gegenüberliegenden Sofa-Ecke ganz intuitiv für keinen guten Gedanken mehr. 🙂