Trinkgeld Juli, Ergebnisbericht

Urlaubsbedingt war der Juli natürlich ein etwas anderer Monat als sonst, aber ich beginne einfach mit dem, was nicht zum Urlaub gehörte. Darunter sind auch einige Nachträge, die ich im letzten Monat schlicht vergesse habe. Noch davor aber ein dringender Dank für weitere Geschenksendungen aus der letzten Woche, diesmal mit noch mehr Blumensamen und etwas, das ich erst nachschlagen musste, weil es ein mir unbekannter Herzdamenwunsch war, der aber, so habe ich dann erkannt, auch für mich nützlich sein wird. Es handelt sich um so ein Adapterding, mit dem man am Handy gleichzeitig hören und laden kann. Bestimmt gibt es auch einen schicken Fachbegriff dafür, aber egal. Dank an die Spenderin, ausdrücklich auch für die Begleitzeilen, es war eine Freude, eine helle!

Wir erwarben dann noch knapp vor dem Urlaub Holz aus dem Baumarkt für Sohn II, der brauchte nämlich dringend Baumaterial und aufgrund irgendeines Deals, an den ich mich nicht erinnern kann, schuldete ich ihm etwas. Der Verwendungszweck der Bretter ist mir leider nicht komplett bekannt, das Werkeln findet mittlerweile teils in anderen Gärten statt, ich nehme aber stark an, es geht da um etwas, über das man mit einem Mountainbike springen kann. Ab und zu sehe ich aus dem Laubenfenster und ein Sohn fliegt vorbei …

Überhaupt ging einiges von dem Geld in den Radsport der Söhne, es gibt da verblüffend viel kleines Zubehör, wenn man sich für Downhill und so etwas interessiert, wobei ich unentwegt murmele: “Wir sind damals ja einfach nur so herumgefahren, und das war auch gut.” Aber egal, andere Zeiten, andere Ausrüstung und sowieso können die Söhne ihr Geld frei verwenden. 

Es gab eine Summe, die an die Suppengruppe weitergeleitet werden sollte, das ist selbstverständlich so geschehen.

Die Herzdame liest abends seit Ewigkeiten Trixie Belden vor, das ist eine uralte Buchreihe noch aus ihrer Kindheit, die wider Erwarten auch bei einem Sohn gut ankommt, aus dieser Reihe gab es im Juli einen weiteren Band, es gibt, so glaube ich, endlos viele. Nein, nachgelesen, es gibt 22. 

Als Hörbuch haben die Herzdame und Sohn I außerdem die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling erworben, und als Hörbuch gab es auch “Der König der purpurnen Stadt” von Rebecca Gablé, die beiden finden gerade Gefallen an historischen Romanen und hören gerne gemeinsam. Sohn II las in der guten alten Buchform “Mein Leben mit Pixelkröten und Grusel Graffiti” von Christian Tielmann, das ist auch schon der xte Band einer Reihe, die kam hier bei beiden Söhnen gut an, übrigens auch wegen der Illustrationen von Zapf.

Schon vor einer Weile gekauft und hier versehentlich nicht aufgeführt: Das wirklich brauchbare Gartenbuch “Wird das was oder kann das weg”. Nützlich, enom nützlich!

Und dann kam der Urlaub, der auch in etlichen Betreffzeilen der Gelder vorkam, so dass ich jetzt beglückt sagen kann, dass wir powered by Leserinnen durch die ganzen drei Wochen, also durch Westfalen, durch die Gartenwoche und noch durch Eiderstedt kamen. Wir bezahlten von den Trinkgeldern den Sprit, die Parkplatzgebühren, den Vogelparkeintritt, das Schwimmbad in Herford, die Stützpommes, Kaffee und Kuchen und selbstverständlich mehrmals Eis, die Fischbrötchen und die Waffeln, den Strandzutritt in Sankt Peter-Ording, die Reitstunden von Sohn II, Malzbier, Chips, Flips, überhaupt die Verpflegung und auch noch ein Notfall-E-Book, weil mein nicht gerade kleiner Lektürestapel noch vor Urlaubsende komplett verbraucht war, woran man erkennen kann, der Urlaub hat funktioniert. Besonders Eiderstedt hat wieder funktioniert, ich erkläre das in Kürze noch genauer. Das E-Book übrigens war dann “Das Haus am Rande der Welt” von Henry Beston, übersetzt von Rudolf Mast. Und ich habe komplett vergessen, wie ich auf dieses Buch kam, aber es ist eine hervorragende Lektüre, wenn man ganz nah am Meer ist und nicht allzu viele Menschen um einen herum sind.

Es gab Geld für “Etwas mit Regenbogen”, da habe ich dezent getrickst, denn neben der Tankstelle bei Husum wehte die Regenbogenflagge, da fand ich das Tanken dann ganz passend, pardon. 

Und dann, es kann nicht alles nur Urlaub sein, haben wir noch die neuen Schulsachen der Söhne für das wie auch immer geartete nächste Halbjahr von den Trinkgeldern bezahlt.

Zwei Updates noch! Nicht ausgegeben habe ich weiterhin die Summe für Unsinn, Schabernack & Verwegenes, dafür boten sich weder Westfalen noch Eiderstedt an, nicht ausgegeben haben wir auch das Geld für “Etwas, das Ihr Euch nie kaufen wolltet” – wir kommen einfach nicht darauf. Aber es ist amüsant, darüber ab und zu nachzudenken. Was wird das bloß werden?

Wie immer und diesmal sogar ganz besonders, vielen Dank für jeden Euro und jeden Cent, vielen Dank für diese Wochen und für diesen Urlaub, es war der bisher beste, entspannteste und erholsamste Urlaub, den wir je als Familie hatten. Und das ist ja was, besonders in diesem Jahr – ganz herzlichen Dank dafür von der Herzdame, den Söhnen und mir. 

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci! 

Hamma dös

Am ersten Tag nach dem Sommerurlaub ist es immer so, dass ich morgens so früh wie in normalen Wochen nun einmal üblich aufstehe und dann merke, aha, ich brauche um diese Uhrzeit also schon Licht. Dann finde ich das kurz ganz gemütlich, wie ich da sinnend mit dem ersten Kaffee im Licht der Küchenlampe stehe und den ersten Schluck nehme, merke aber auch, dass mich das gedanklich irgendwie schon seltsam nah an den Herbst befördert. Ich überblicke im Geiste flüchtig die Terminlage und denke an die kommenden Kindergeburtstage, die wieder vorzubereiten sind, auch wenn sie in diesem Jahr wohl etwas anders als sonst ausfallen werden. Die Geburtstage sind Anfang September, danach haben dann die ganzen Freunde der Söhne Geburtstag, das geht den ganzen September durch, wir haben da eine Serie. Dann ist schon Oktober, längst gibt es Lebkuchen und es wird auch schon merklich kühler und das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.

Nun, nicht ganz. Erst kommt noch eine Hitzewelle, ich weiß. Ein wenig Hundstagegefühl, einige Wochen lastender Sommer, brütender Sommer, all das. Aber jedes Jahr wieder fühlt sich die Zeit nach dem Sommerurlaub an wie das Wildwasser des Kalenders, kaum ist man drin, kommt man schon Weihnachten raus, blickt irritiert zurück und fragt sich: „Was bitte war das denn jetzt?“

Aber es kann auch anders kommen, in diesem Jahr jedenfalls, das bisher in jeder Beziehung speziell ausfällt. Und ich habe gar nichts dagegen, wenn es anders kommt, jedenfalls was mein Zeitgefühl betrifft. Ich mochte diese immer rasender werdende Fahrt nach dem Sommerurlaub in den letzten Jahren nicht recht.

Natürlich sind die Werktage gleich wieder voll, so dass ich mühelos auch über heute einen Text schreiben könnte, dabei ist der Urlaub bisher nicht einmal zu einem Drittel erzählt, wie löse ich das nun wieder auf. Und wie kann es eigentlich sein, dass man nicht einmal von sich selbst in Ruhe berichten kann, geschweige denn vom Rest der Welt, ohne weit in der Zeit zurückzufallen, wie kann das Berichten bloß in die Stunden der Tage passen? Ich denke, es kann nicht passen, aber in diesem Jahr macht es mir nichts. Ich werde schon noch vom Urlaub weiter berichten, in diesem Jahr ist ja alles anders, warum nicht auch das, warum nicht auch ich.

Aus reiner Bockigkeit erzähle ich daher jetzt von einem Moment aus dem Urlaub 2019, das ist viele Jahre her. Da waren wir in Südtirol, man fuhr damals noch ins Ausland, die Szene spielt am Großen Montiggler See. Der ist, wenn Sie den nicht kennen, wunderschön, er ist der mit Abstand herrlichste See, den ich je gesehen habe. Malerisch wie sonstwas, ein Anblick, bei dem man, wenn man kein Herz aus Stein hat, plötzlich stehenbleibt und ein etwas schmerzhaftes Entzücken fühlt, denn man kann ja nicht öfter hin und das müsste man doch eigentlich, so sensationell sieht dieser See aus, die Mutter aller Postkartenseemotive. Alles, was in Reiseführern an Jubelarien über diesen See steht, stimmt. Die Söhne haben von einem großen Felsen am Ufer aus Fische beobachtet, sie sind dann auch selber hineingesprungen und die Fische haben an ihren Zehen geknabbert. Sie sind etwas hinausgeschwommen und sie haben gesehen, wie eine Schlange vom Ufer ins Wasser glitt und sich durch die Wellen ringelte, woraufhin sie den See in Rekordzeit verlassen haben. Kieferduft am Ufer, Sonne und Libellen. Ein Baum, der über das Wasser ragt, auf den kann man klettern wie in der Südsee auf eine Palme und dann von oben doch noch einmal ins Wasser springen – Kinderglückkonzentrat.

Da also standen wir gerade am Ufer, als ein Rudel Mountainbiker angefahren kam. Sie hielten in einer Staubwolke, einer ein wenig weiter vorne als die anderen, das kennt man auch aus Western und weiß also, das ist der Chef. Stattliche Burschen waren das, Sportler durch und durch. Standen da auf oder an ihren Rädern, nassgeschwitzt, atmeten heftig und guckten über den See, der von dieser Stelle aus auch am schönsten war. Der Chef mit den Händen in den Hüften, breitbeinig, auch das wie im Western. Besah sich den See, eine Minute vielleicht. Dann stieg er wieder auf, drehte sich zu seinen Männern um und rief ein entschlossenes „Hamma dös!“, was ich hier nur bemüht lautmalerisch wiedergeben kann, also ein „Haben wir das“. Und dann trat er gewaltig in die Pedale, die anderen machten es ihm natürlich nach und fort ging die wilde Jagd.

Was ich aber nur erzähle um, den folgenden Texten etwas vorgreifend, den Sommerurlaub 2020 mit einem natürlich nicht ganz so kernigen „Hamma dös!“ zu beenden. Ich erzähle in Kürze dennoch weiter davon.

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Links am Morgen

Ich verstehe die Entscheidung nicht, auf Masken und Abstand zu verzichten.” Na, es bleibt spannend, wobei spannend ein viel zu nettes Wort ist.

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Derweil auf dem Land: Ein Konzertbericht.

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Weiter durch Westfalen

Wobei mir einfällt, ich habe versucht, halbwegs passend zum Aufenthalt in der Gegend etwas Droste-Hülshoff zu hören, „Bei uns zu Lande auf dem Lande“, das kam mir dann aber arg langweilig vor. Wiedervorlage in etwa einem Jahr, manches braucht ja mehrere Versuche und ich gebe so schnell nicht auf. Droste-Hülshoff habe ich überhaupt wenig gelesen bisher, ich behalte so etwas gerne im Blick und bei Schriftstellerinnen ist der Nachholbedarf, nicht nur meiner, ohnehin riesig.

Wir fuhren zu den Externsteinen, darüber schreibe ich an anderer Stelle. Der Link folgt dann, es dauert noch etwas. Wir fuhren „zum Willem“, wie man in Nordwestfalen sagt, das ist der hier. Ein Denkmal für einen Kaiser, zu seinen Füßen ein neues Restaurant mit erheblicher Aussicht. Man kann da Kaffee und Kuchen in der üblichen deutschen Ausflugszielqualität zu sich nehmen, um es einmal neutral zu formulieren. Wenn man noch Kind genug ist, kann man auch etwas an der Basis des Denkmals herumklettern, das ist aber sicher verboten, es hat also niemand gemacht, und falls es jemand gesehen hat, ich kenne diese Kinder überhaupt nicht. Selbstverständlich kann man auch auf Schildern und Erklärtafeln nachlesen, was es mit dem Herrn da auf dem Sockel nun auf sich hat, wann das Ganze erbaut wurde und von wem und warum, das Ganze hat so Wandertagsqualitäten. Man könnte im Schulausflugsfall hinterher einiges abfragen oder in der Klasse ein halbwegs heiteres Quiz veranstalten. Irgendwas bleibt doch immer hängen.

Der Kaiser hat die rechte Hand erhoben und weist damit in die Lande oder grüßt diese, was auch immer. Ich hörte eine Kinderfrage, von einem etwa Zehnjährigen, warum denn Denkmäler von Leuten mit Hitlergruß noch herumstehen, was das denn solle? Darüber kann man ob der Verdrehung der Chronologie natürlich leise lächeln, ich kann aber noch etwas anfügen, nämlich eine Erläuterung und eine Frage. Zur Erläuterung für Menschen, die vielleicht keine Schulkinder haben, nur kurz der Hinweis, dass es ziemlich lange dauert, bis Kinder in diesem Land einen geschichtlichen Überblick haben, schon gar, wenn es um die jüngere deutsche Vergangenheit geht. Man muss ja erst durch die Steinzeit, durch Ägypten, durch Griechenland und Rom usw., das dauert, und wie das dauert. Die Frage, die sich mir, der ich natürlich schulpädagogisch weitgehend kenntnisfrei bin, zum wiederholten Male stellte, ist, ob es nicht vielleicht auch sinnig wäre, mit der Geschichte in der Gegenwart anzufangen und dann so rückwärts … ob das so aus Kindersicht nicht viel logischer wäre und auch aufschlussreicher und interessanter? Aber wie gesagt, ich verstehe davon gar nichts, ich finde es nur etwas unglücklich, dass die Gegenwart und das letzte Jahrhundert so irre lange gar nicht vorkommen. Nein, ich finde es nicht etwas unglücklich, ich finde es fatal.

In Detmold etwa, wir sind da an einem anderen Tag noch einmal durchgelaufen, fiel dem Nachwuchs auf, wie eine Altstadt aussieht, die nicht zerbombt wurde, und da machte es noch einmal hörbar Klick in den Köpfen und es war auch so, dass sie das dann noch einmal wissen wollten, wieso einige Städte jetzt so unangenehm nachkriegshässlich sind und andere nicht. Das ist doch ein naheliegender Ansatz?

Wir waren auch noch beim Hermann, der die Herzdame und mich schon dadurch irritierte, dass wir uns beim besten Willen nicht erinnern konnten, ob wir schon einmal da waren oder nicht und wenn ja, zusammen oder mit wem? Es blieb im Dunkeln. Wir sind aber auch schon eine ganze Weile zusammen, wir zwei, da verliert sich allmählich einiges im Dickicht der Geschichte. Der Hermann hat, das fiel Sohn II auf, einen Helm auf, der mit Hasenohren dekoriert ist. Das stimmt zwar nur aus einem bestimmten Blickwinkel, ansonsten sind das schon zweifellos Flügel auf dem Helm, aber wenn man diesen Blickwinkel einmal hatte, dann vergisst man den sicher nicht mehr und der Hermann wirkt dann etwas albern, mit diesen lustigen Öhrchen. Die Söhne diskutierten dann auch über die Flügel, denn warum bitte macht man Flügel auf einen Helm? Geht’s noch? Sie würden das eher nicht machen, sagten sie. Wir sprachen etwas darüber, dass zu anderen Zeiten andere Dinge und Dekoartikel anders gewirkt haben, ich kann etwa als Kind der 60er und 70er auch ein Lied davon singen, ich habe auch ziemlich schlimme Sachen getragen. So schlimm wie Flügel auf dem Helm? Darüber kann man wohl lange diskutieren.

Diese Flügel da, sie waren jedenfalls einmal ein Zeichen von Würde, von Macht vermutlich auch, man muss das historisch und kulturgeschichtlich einordnen und im Kontext interpretieren – oder nein, wenn man Kind ist, muss man das vielleicht nicht. Sohn II jedenfalls kam auch nach längerer Diskussion und ausführlicher Belehrung zu einem Schluss, den ich gerne so stehenlassen möchte, denn vielleicht war er schon durch alle Zeiten richtig und geradeaus denkende Menschen wie Sohn II haben es auch schon zu allen Zeiten gewusst:

„Alter, mit Flügeln auf dem Helm siehst du einfach immer bescheuert aus.“

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Links am Morgen

Ungenügend. Ein Text mit Hamburg-Bezug, aber auch für Eltern aus anderen Bundesländern interessant, nehme ich an. Sohn I hat am Donnerstag Schulbeginn, Sohn II am Montag in einer Woche. Es bleibt spannend und es erinnert fatal an die Situation im März. 

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Noch eine Ergänzung zum Nachdenken über Notizen.

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Manchmal ist es einfach

Nach dem Tag in dem Freizeitbad in Herford, ich berichtete, wollten wir das nördliche Westfalen noch etwas weiter als Touristen erkunden, besonders die Herzdame wollte das. Denn sie kommt ja aus der Gegend und kennt also gar nicht alles, das ist meistens so. Ich z.B. komme aus Travemünde und war nie auf der Passat, auf die jeder reisende Mensch, den es dorthin verschlägt, doch pflichtgemäß zuerst geht, bei dem Schiff ist nämlich immer so ein Hinweissternchen im Reiseführer oder ein gelb markierter „Tipp“-Pfeil, etwas in der Art, aber wenn man da wohnt, dann liest man eben keine Reiseführer und denkt jahrelang, dass man da auch demnächst noch hingehen könnte, und das denkt man, bis man endlich wegzieht. Weswegen es beim Stichwort „Urlaub in Deutschland“ in aller Regel Ziele – welcher Qualität auch immer – vermutlich direkt vor der Haustür gibt, und zwar in jeder Region. Aber das nur am Rande.

Ich machte also, was man als Tourist so macht, ich googelte „Westfalen mit Kindern“, was sofort den Hinweis ergab, den Vogelpark in Heiligenkirchen zu besuchen, das liegt in der Nähe von Detmold. In der Nähe von Detmold liegt überhaupt so einiges, stellte sich dabei heraus. Niemand in der Familie der Herzdame hatte je etwas von diesem Vogelpark gehört, was ich interessant fand, denn in der Familie sind immerhin etliche Kinder und Enkel großgezogen worden und viele, viele Male wurde da also die sonntägliche Frage nach Ausflügen gestellt, aber nie kam jemand auf diesen Vogelpark, er blieb gänzlich unbekannt. Was wohl auch heißt, dass er in der lokalen Zeitung niemals vorkam. Da gibt es dann also Grenzlinien der Informiertheit, die man keiner Landkarte entnehmen kann, aber die umgeben sicher auch unsere Wohnorte und dahinter wartet dann schon das Neue, das Andere, es ist vielleicht nur eine Auto- oder Zugstunde entfernt. Bezüglich Vogelparks gab es im norddeutschen Raum in den letzten Jahrzehnten übrigens einen solch gewaltigen und penetranten Werbedruck, dass jeder Mensch in einem riesigen Umkreis reflexmäßig Walsrode als Bindewort ergänzt, das gehört so, das kann gar nicht anders sein, es kann keinen Vogelpark geben neben dem, du sollst keinen zweiten Vogelpark haben.

Wir fuhren dennoch zu diesem Vogelpark, der nicht in Walsrode lag. Nicht ohne die Söhne eindringlich zu warnen, Achtung, unbekanntes Ziel, keiner weiß, was uns da erwartet, am Ende taugt das gar nichts, das ist hier quasi ein Abenteuer, ein allerdings sehr gut gepolstertes. Den Söhnen aber war eh alles recht, man muss die, so haben wir dabei gelernt, nur mal coronabedingt ein paar Monate krass ereignisarm halten, dann freuen die sich auch wieder über ganz altmodische Familienausflüge. That was easy!

Der Park war bestens ausgeschildert, leicht zu finden und mäßig gut besucht, keine Spur von Überfüllung, wie wir sie etwa bei Hagenbeck sicher zu erwarten gehabt hätten.

Man geht zunächst an einer ganzen Reihe von bestenfalls mittelgroßen Volieren vorbei, in denen erwartungsgemäß exotische Vögel sitzen oder herumflattern. Es sind solche Volieren, deren Größe irgendwie nicht reichen kann und man sieht das auch, sie können also leicht traurig stimmen. Allerdings war die Vogelauswahl so, dass wir tatsächlich überrascht davor standen: Nie gesehen, solche Gestalten. Es waren welche dabei, die man anstaunen konnte und das habe ich schon lange nicht mehr gemacht, Tiere angestaunt, das ist aber schön. Wie bunt kann man sein, wie elegant, wie schillernd, was hatte die Schöpfung oder die Evolution denn bloß für abgefahrene Launen, wie isses nun bloß möglich. Solche Vögel waren das. Ich bin bei zoologischen Gärten aller Art reichlich skeptisch und bleibe das auch, aber ich fand es dann doch gut, so etwas einmal wieder gesehen zu haben.

Gegenüber ein Helmkasuar. Ein Laufvogel von beträchtlicher Größe und mit ausgesprochen grimmer Visage, wenn der Ihnen auf einem Waldweg entgegenkommt, dann weichen Sie aus, und zwar verlässlich und schnell und weit. Der ist tatsächlich gefährlich und er sieht auch so aus, auch diesen Vogel hatte ich noch nie vorher gesehen. Da stand ein einzelner Helmkasuar im Gehege, was einen zunächst spontan dauert, das arme Tier! Bis man nachliest, dass diese Kasuare rabiate Einzelgänger sind, die sich ausschließlich zur Paarung treffen. Ich bin auch gerne und oft alleine, aber ich sehe die Herzdame doch etwas öfter und das ist auch gut so, glaube ich. Vor der Paarung baut der Kasuarhahn ein Nest, nach der Paarung und der Eiablage kümmert er sich alleine um Eier und Aufzucht der Küken, der weibliche Vogel dagegen zieht weiter und sucht sich bald den nächsten Partner. Auch ein Modell.

Ich habe dort ferner endlich einmal einen Tukan gesehen, das wollte ich schon lange einmal, Tukane sind großartig. Zwei unerwartete Bemerknisse ergaben sich dabei, denn zum einen hüpft dieser Vogel ausgesprochen leichtfüßig, als würde er gar nichts wiegen, zum anderen, und da wird es wirklich seltsam, klingt dieser gewaltige Schnabel, wenn er ihn gegen einen Ast schlägt, als sei er hohl und aus Plastik, ja, er klingt deutlich wie so ein Billigspielzeug, das etwa einer Kinderzeitschrift beiliegt, er klingt wie eine Kopie dessen, was man sich als Original immer gedacht hat. Nanu! Aber die Optik natürlich – grandios.

Den größten Erfolg bei den Söhnen hatte dann aber eine Art, die eigentlich hinlänglich bekannt ist, für die man überhaupt nicht hätte verreisen müssen, die kommt in genug Privatwohnungen vor: Wellensittiche. Die gibt es da schwarmweise in einer großen Anlage, in der sie frei herumfliegen und sich den Besucherinnen auf die Hände setzen, jedenfalls wenn diese Hände Hirse halten, die man da aus einem Automaten kaufen und kaufen und kaufen kann. Und dann hat man eben kleine bunte Vögel auf der Hand, die picken und knabbern und mit schräg gelegtem Kopf neugierig gucken und erstaunlich fest und schmerzhaft in Kinderfinger zwicken, und ich glaube, die Söhne und die Herzdame waren da mehr als anderthalb Stunden drin, weil es eben manchmal wirklich sehr einfach ist.

Im Gehege daneben haben sie dann noch gesehen, dass die Küken der einen Art skrupellos an die andere Art verfüttert werden, das haben sie dem Marabu etwas übelgenommen und ich habe mir dann pädagogisch wertvolle Vorträge über Chicken Nuggets mühsam verkniffen. Das war aber schon auf dem Weg zum Ausgang, da sahen die Söhne schon wieder eine Kioskmöglichkeit und hörten eh nicht mehr zu.

Es gab noch einen netten und kaum besuchten Spielplatz für eher kleinere Kinder, der ist zu normalen oder postpandemischen Zeiten sicher voll. Man kann natürlich Eis und Pommes und das Übliche kaufen, der Eintritt ist nicht teuer – klare Empfehlung. Als Tagesausflug bestens geeignet, man ist, je nach Kind, versteht sich, in drei bis vier Stunden locker durch, und das reicht ja auch, dann schafft man noch eine weitere Attraktion in der Gegend, dazu in Kürze mehr.

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Links am Morgen

Ich habe eine Bildungslücke geschlossen und weiß jetzt, wie Rudi Dutschke gesprochen hat. Ein Interview mit Günter Gaus, 40 Minuten lang. Damals hat man noch Sätze gebildet, die waren so lang, da passen heute zwei Sendungen rein. Link zu Yotube.

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Eine vollkommen berechtigte Beschwerde über das Internet.

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Die Scharlachpest

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Ich gehöre in den Norden, idealerweise auf eine Insel.” Das kann ich nachvollziehen.

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Hier wird etwas zu dem notiert, was ich über Notizen notiert habe. 

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Bleistift und Notizen

Ich habe, es ist schon eine ganze Weile her, eine Doku über John Irving gesehen, in der er sich ganz prächtig inszenieren wollte und konnte, so dass er sehr schön mit seinen Romanen harmonierte. Mit Training auf Matten und mit konzentriertem Sprungseilhüpfen und allem, er gab sich sehr sportlich, passt schon, und wie es passt, es fehlte nur noch der Bär im Garten.

Da hat er jedenfalls zwei Sachen gesagt, in dieser Doku, die mich beeindruckt und nachhaltig beschäftigt haben. Zum einen erwähnte er, dass er seine Romane mit der Hand geschrieben habe, die meisten davon sogar mit Bleistift, bis er schließlich aus Altersgründen doch noch auf schnellere Schreibgeräte mit leichterem Fluss umgestiegen sei. Das hat doch etwas, wenn man es sich bildlich vorstellt, das Hotel New Hampshire sei so entstanden, langsam und auf die gute, sehr alte Art, ich hätte das so nicht im Sinn gehabt, nicht bei John Irving. Ich schreibe selbst auch viel mit der Hand, aber ausgefeilte Prosa? Da habe ich viel drüber nachgedacht und ja, es ist mir klar, dass das jahrhundertelang gut funktioniert hat. Man kann aber auch schon seit etlichen Jahrzehnten auf diversen Geräten tippen.

Ich schreibe diese Zeilen hier übrigens auf der Halbinsel Eiderstedt und wissen Sie, was es in Tönning, gar nicht weit von hier, gibt? Ein Hotel New Hampshire. Nur im Vorbeifahren gesehen, nur am Rande erwähnt.

Der andere Aspekt, der mir sehr zu denken gab, bezog sich auf das Thema Notizen, das mir bekanntlich am Herzen liegt. Der Herr Irving ist nämlich ein Notizenverweigerer, er schreibt sich nichts auf, nie, so sagte er. „Denn wenn etwas wichtig ist“, so erklärte er dann, „dann fällt es mir wieder ein.“

Ich halte diesen Satz für fundamental falsch, also für mich natürlich. Der Verstand von John Irving mag grundsätzlich anders beschaffen sein als der der meisten Menschen, als meiner, was weiß ich, das ist möglich. Ich denke aber, dass es für die viele zweckdienlich ist, sich Sachen zu notieren, denn es fällt einem wenig wieder ein, erschreckend wenig, man kann das ja leicht testen. Man kann mit und ohne Notizen leben, man kann vergleichen, ich habe das mehrfach und gründlich getan. Wenn ich mir etwas nicht aufschreibe, dann ist es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit weg, für lange Zeit oder für immer. Gewissen Ratgebern kann ich leicht entnehmen, dass das auf viele Menschen so zutreffen muss. Ich leide ja gelegentlich unter schwallartigem Sachbuchlesen, dabei registriere ich immer klammheimlich befriedigt, und mit einiger Erleichterung, welche Defizite auf andere Menschen auch zutreffen, das kommt Ihnen vielleicht bekannt vor. Egal, ich verbessere mich jedenfalls organisatorisch und kreativ, also bei den beiden Bereichen, auf die es für mich entscheidend ankommt, ziemlich deutlich, wenn ich mir ausreichend Notizen mache – und es können eigentlich gar nicht genug sein. Um einen Satz von Susan Sontag aufzugreifen und etwas umzuwandeln, ich glaube jedenfalls, er kam von ihr: Ich weiß nicht, was ich denke, wenn ich mir keine Notizen mache. Und manchmal glaube ich sogar, ich denke nennenswert mehr und strukturierter, womöglich sogar logischer, wenn ich mir Notizen mache, weswegen ich immer noch versuche, mir mehr zu notieren, häufiger und besser. Ich habe da noch lange nicht ausgelernt und auch noch lange nicht alles ausprobiert, ich glaube auch, dass man erstaunlich lange braucht, bis man sich Notizen gründlich genug angewöhnt hat.

Den letzten Text hier etwa hätte es nicht gegeben, also nicht so, hätte ich mir im Schwimmbad nicht „Mädchen/Sprungbrett“ notiert, ich merke mir so etwas sonst nicht. Es ist ja nur ein Augenblick, ein flüchtiges Hochsehen, eine Sekunde, eine Assoziation, wie schnell ist die verschollen und vergessen. Ich muss mir in so einem Augenblick denken, dass ich mir gerade etwas gedacht habe, und dann muss ich es mir aufschreiben.

Vielleicht merke ich mir so etwas normalerweise nicht, weil ich ein besonders zerstreuter oder flüchtiger Denker bin, was weiß man schon, das kann natürlich sein. Vielleicht merke ich mir jetzt nennenswert mehr als andere, weil ich mir mittlerweile genug Notizen machen, vielleicht merke ich mir auch nur endlich halbwegs normal viel, wie will man das herausfinden.

Vielleicht hätte John Irving mit reichlich Notizen noch zehn Romane mehr schreiben können und da lacht er dann vermutlich, legt das Sprungseil kurz weg, lächelt gutmütig wie ein sympathischer Sporttrainer aus einem seiner Bücher und fragt amüsiert: „Wann das denn?“

„Bleistift und Notizen Irving“. So stand das im kleinen Buch. Das kann ich jetzt abhaken und dieses Abhaken, das würde jetzt wieder mit der Hand mehr Spaß machen.

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Kleine Schritte

Um die im letzten Text erwähnten fünf Stunden ruhige Lesezeit zu erbeuten, sind wir also nach Herford gefahren. Das ist, zugegeben, etwas aufwändig, aber es lohnt sich für uns, wir haben da schon einschlägige Erfahrung aus dem letzten Jahr. In Herford gibt es ein großes Freizeitbad, das in der aktuellen Situation mit den üblichen Einschränkungen geöffnet ist. Wobei die üblichen Einschränkungen bei Schwimmhallen sehr angenehm sind, denn die Hälfte der Gäste reicht für mich völlig aus. Schwimmhallen sind mit reduzierter Gästezahl wesentlich angenehmere Orte und viel leichter zu ertragen, was vermutlich sogar dann gilt, wenn man dort ins Wasser geht. Wobei übrigens noch zu fragen ist, ob es überhaupt etwas gibt, eine Einrichtung eine Veranstaltung oder einen Ort, der dadurch reizvoller wird, dass er massenhaft besucht wird und also verlässlich bumsvoll ist – vermutlich ist das nicht so und ich bin noch gar nicht fertig mit der Frage, was daraus zu lernen ist. Also abgesehen von small is beautiful, das wird ja nur die oberste Ebene sein.

Wir waren die ersten Gäste an diesem Tag, wir standen, das ist vielleicht etwas peinlich, wie schlimme Freizeitstreber als erstes Familiengrüppchen in der Schlange vor der Kasse, und zwar schon zwanzig Minuten vor Beginn der Öffnungszeit. Was allerdings nur daran lag, dass wir entgegen aller Erwartung und Wahrscheinlichkeit das Haus im Heimatdorf der Herzdame exakt pünktlich und plangemäß verlassen haben, es dürfte das erste Mal überhaupt gewesen sein. Dann gab es noch eine freie Autobahn, es hat sich alles so gefügt, und da standen wir also. An der Schwimmhalle waren große Schilder, die warben, ich denke mir das nicht aus, für die Deutschen Aufgussmeisterschaften 2021, die in der Saunalandschaft dort stattfinden sollen, mit, so war zu lesen, „Show-Aufgüssen“, was immer das nun wieder sein mag. Wenn man reist, dann sieht man was.

Es war mir allerdings auch recht, so früh vor dem Bad zu stehen, denn es gibt da zwei Liegen, die stehen abseits von allen anderen, und ich wusste, auf diese Art kriegen wir die, und so war es dann auch.

Wir legten uns auf diese Liegen und die Söhne gingen was auch immer machen, was man eben so macht in einem Spaßbad, in dem man rutschen und springen und planschen und sicher auch schwimmen und tauchen kann, ich habe weder hingesehen noch mich daran beteiligt, denn darum ging es ja nicht, ich habe gelesen. Die Söhne sind in einem Alter, in dem man nicht mehr jederzeit neben ihnen stehen muss, weder zu Wasser noch zu Lande. Das ist ziemlich angenehm so, denn das Danebenstehen hat man irgendwann lange genug gemacht, und wenn sie sich so allmählich entfernen und immer größere Kreise ziehen, dann hat es bei aller angebrachten Wehmut auch eine entschieden schöne Seite.

Wir legten uns also auf die Liegen und lasen. Ich las den Mannschen Hochstapler Felix Krull, hauptsächlich um ihn durchzukriegen, eher nicht aus reinem Genuss, denn das Buch gefiel mir nicht. Aber ich war schon über den Abbruchpunkt hinaus, jetzt wollte ich es auch komplett schaffen, ich wollte ihn erledigt haben, abgehakt und wieder wegsortiert. Ich überlegt zwischendurch einen Moment, ob es nicht irre tiefsinnig wäre, nur so zu tun, als würde ich den Felix Krull lesen, das wäre doch überaus meta … aber dann rief ich mich wieder zur Ordnung und fraß mich durch die Stunden und die Kapitel und dieses reine Fertigwerden, das ist bei Büchern manchmal eben auch eine Lust, Sie kennen das vielleicht. Ich wollte dieses Buch durchgearbeitet haben, ich fand das entspannend. Wellness ist eine individuelle Angelegenheit.

Als ich mit dem Krull fertig war, las ich die Anne Lamott auch durch, es war ganz und gar herrlich und die Söhne kamen nach wie vor einfach nicht wieder. Ab und zu sahen wir sie irgendwo vorbeilaufen, im Wasser, am Wasser, wie auch immer, sie hatten Spaß. Ich auch. Aus den Becken kam das übliche Kindergeschrei, die Leute sprachen auf den Liegen miteinander, Mütter und Väter riefen Kindernamen, aus Lautsprechern wurden unentwegt längere Texte durchgesagt, die für mich klangen wie die Stimme der Lehrerin bei den Peanuts, die immer riesige Sprechblasen mit endlosem Blabla füllte, über die Köpfe der Kinder hinweg. Kein Wort war zu verstehen, es war ein herrlicher Geräuschbrei in dieser Halle, den ich ganz mühelos ignorieren konnte. Diese wirre Dauerbeschallung in Endlosschleife war so dermaßen konzentrationsfördernd, damit kann keine Focus-Playlist auf Spotify jemals konkurrieren.

Das Bad in Herford ist gar nicht so riesig, aber es ist auf irgendeine Art, die zu beurteilen ich nicht kompetent bin, so ideal gebaut, dass der Spaß für Kinder dort stundenlang anhält. Es müssen dort die genau richtigen Anteile von allem enthalten sein, also genau die richtigen Rutschen etc., die Wellen im richtigen Intervall, die Sprungtürme rechtzeitig geöffnet und all das, es gibt kein einziges Bad in Hamburg, das so dermaßen gut funktioniert, nicht einmal annähernd.

Nur einmal sahen wir die Söhne zwischendurch, als dringend die üblichen Schwimmbadpommes zugeführt werden mussten, bei denen ich mich wieder fragte, ob es an einer kollektiven Verklärung liegt, oder ob die in meiner Kindheit wirklich besser geschmeckt haben. Man kann es wohl nicht herausfinden? Vielleicht hätte ich schwimmen müssen, um einen gültigen Vergleich zu haben, stundenlang schwimmen. Und springen und tauchen und rangeln und alles und danke nein.

In einer kleinen Szene, die ich sah, als ich gerade die Bücher wechselte, kam schon wieder ein kleines Mädchen vor. Wie neulich erst, als es hier um das kleine Mädchen mit dem rollenden Ball ging, jetzt sah ich ein Mädchen im etwa gleichen Alter auf einem Sprungbrett, und zwar auf dem Dreier. Der war ein wenig zu hoch für sie, alle anderen, die dort sprangen, waren wesentlich größer als sie und überhaupt bin ich mir nicht sicher, ob ich schon einmal ein so kleines Mädchen auf einem so hohen Sprungbrett gesehen habe. Sie stand noch oben an der Leiter, als sie mir auffiel, bis zum Ende des Brettes war es aus ihrer Sicht noch ziemlich weit. Dann fing sie etwas zögernd an zu gehen, mit winzigen, vorsichtigen Schrittchen. Sie hielt sich links und rechts am Geländer fest, und wie sie sich festhielt. Das Geländer reichte vorne bis etwa zur Hälfte des Brettes, danach war nur noch die Planke da, und natürlich der Abgrund. Aber auch bis zu dieser Mitte brauchte sie schon lange. Sie hielt sich gerade, sie hielt sich die ganze Zeit sehr fest und ihre Schritte waren spielzeugklein. Unten standen etliche, die auch springen wollten und man muss es wohl den besonderen Umständen der Corona-Zeit zuschreiben, dass da niemand drängelte, niemand etwas rief oder sich auf eine andere Art danebenbenahm. Die standen da einfach alle und guckten geduldig, viele lächelten sogar oder nickten aufmunternd, es war so ein Moment, der mir nicht gerade wahrscheinlich vorkam.

Zurück zum Mädchen, das da ganz oben mittlerweile am Ende des Geländers angekommen war. Äußerst vorsichtig löste sie jetzt die Hände, eine nach der anderen. Sie hielt die Arme noch einen Moment waagerecht, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, so ganz ohne sicheren Halt. Dann nahm sie die Arme Zentimeter für Zentimeter herunter, machte sich noch gerader und ging weiter. Die Schritte wurden aber auch jetzt nicht größer und der Weg war immer noch weit. Wer schon einmal auf einem Dreier gestanden hat, der weiß, wie verdammt hoch das wirken kann. Das Mädchen war kalkweiß im Gesicht oder es wirkte vielleicht auch nur in dem Licht so, es vergingen gefühlte Minuten, bis sie endlich vorne ankam, wo die Planke unweigerlich zu Ende war und jede und jeder entweder schmachvoll umkehren oder aber tatsächlich springen muss. Das Mädchen blieb da vorne nicht stehen, keine Sekunde, es machte einfach nur noch einen dieser ganz kleinen Schritte, ohne die allergeringste Bedenkzeit. Sie hatte, so denke ich mir, alle Angst bereits in kleinen Schritten verbraucht und jetzt ging es eben. Sie fiel dann zwar mehr, als dass sie sprang, aber sie tat es in immer noch gerader Haltung, kam wieder hoch und schwamm und grinste. Applaus vom Beckenrand.

Ich kenne in Herford weiterhin nichts außer diesem Freizeitbad, aber die Stadt ist mir irgendwie nicht unsympathisch.

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„Kann sicher lesen“

Was mich vom 13. März bis zum ersten Urlaubstag in der vorletzten Woche durchgehend und zunehmend gestört hat, das war ein gewisser Zeitmangel bei mir wichtigen Beschäftigungen, als da wären Denken, Lesen und Schreiben. Es handelt sich dabei um meine Lieblingsbeschäftigungen, dicht gefolgt von Herumgehen und Herumgucken, da wären wir dann bei immerhin fünf, und viel mehr würden mir auch nach längerem Nachdenken vermutlich nicht einfallen.

Nun klingt es immer etwas unangenehm überambitioniert, wenn man das Denken als Beschäftigung ausgibt, mit der man sich gerne abgibt, aber es ist so – ich bin im Denken zwar nicht übermäßig erfolgreich, aber es macht mir eben Spaß. Ich dilettiere im Denken sozusagen ähnlich vergnügt herum wie mancher Hobbyjogger nach Feierabend um die Alster hampelt, der hat da ja auch keine wirklich sportlichen Ambitionen, der hat nur irgendwie vage Fitness im Sinn und etwas Spaß dabei, also im besten Fall. So auch ich, nur eben etwas anders. Denken finde ich, auch bei unklaren Erfolgsaussichten und höchst zweifelhafter Bilanz, oft faszinierend und fast immer interessant, es wird so schnell nicht langweilig. Um aber denken zu können, brauche ich etwas Zeit, und ganz besonders Zeit, in der ich nicht von irgendwem beansprucht werde. Diese Zeit ist seit März ziemlich knapp geworden. Es war, haha, eine ganz schlechte Zeit für Home-Thinking.

Das Denken geht bei mir oft ins Schreiben über, da sind die Erfolgsaussichten schon etwas besser. Nicht aus meiner Sicht, das nun wirklich nicht, aber aus Ihrer, denn ab und zu erhalte ich von irgendwem irgendwo ein Lob. Das nehme ich dann manchmal vor mir selbst als Legitimation und schreibe danach mit frisch erworbener Berechtigung weiter. Zum Schreiben aber brauche ich auch wieder Zeit. Erst zum Hinschreiben, dann zum Korrigieren, dann zum zweiten Korrigieren und so weiter, das zieht sich gerne mal ganz fürchterlich und schon sind zwei, drei Stunden vergangen.

Schließlich das Lesen, das immerhin ist etwas, das kann ich, so glaube ich, ganz gut. Ich kann schnell und langsam lesen, flüchtig und gründlich, rückwärts und über Kopf, ich kann lernend lesen oder nur zum Zwecke des Amüsements, ich kann recherchierend lesen und suchend, forschend und fragend, lange und kurz, und ich kann sogar vorlesen. „Kann sicher lesen“ würde ich mir also jederzeit und aus voller Überzeugung und bei aller Bescheidenheit selbst ins Zeugnis schreiben. Dummerweise brauche ich auch dafür wieder Zeit. Lesen geht nur manchmal nebenbei und huschhusch, in aller Regel erfordert es mindestens etliche Minuten, wenn nicht Stunden oder, da wird es dann aber schon traumhaft, halbe Tage, ganze Tage, pardon, ich komme da leicht ins nostalgische Schwärmen.

Neulich habe ich endlich einmal wieder sagenhafte fünf Stunden am Stück gelesen, und wie das möglich war, das erzähle ich im nächsten Text, der online geht, wenn ich wieder einmal etwas Netz habe. Vielleicht ist es morgen soweit, vielleicht erst übermorgen – je nördlicher ich in Deutschland bin, desto südlicher muss die Haltung sein, was das Digitale betrifft. Manana is soon enough for me.

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