Kurz und klein

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Tand, Tand

Hier wird Tik Tok erklärt, für Eltern quasi Pflichtlektüre.

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Ein Buchtipp, es ist interessanter als es vielleicht klingt. Tim Parks: Worüber wir sprechen, wenn wir über Bücher sprechen, übersetzt von Ulrike Becker und Ruth Keen. Ja, noch ein Buch über Bücher, dabei gibt es doch schon zwei oder drei, ich weiß. Aber es sind dann doch ein paar Gedanken drin, die mir neu waren, etwa über globalisierte Literatur. Kann ich empfehlen.

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Sozialmeisenbauten

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Es ist keine Investition (!)

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Der Tag war ein Gartentag und ich habe zwar nur mit aller Vorsicht gearbeitet, da ich nicht schon wieder drei Monate wegen kaputter Arme arbeitsunfähig sein möchte, aber dennoch – Laubharken ist Hochleistungssport, wenn man den ganzen Winter nichts gemacht hat. Definitiv.

Es blühen Krokusse und Schneeglöckchen und noch etwas, das ich nicht mehr erkenne. Es müsste an der Stelle eine Glockenblume sein, aber im Februar? Ich weiß ja nicht. Die Magnolie hat die allerdicksten Angeberknospen, quasi Bullenklöten, und in ihren Zweigen sitzt das Rotkehlchen, zutraulich wie im letzten Jahr und singt uns was in einer schmetternden Fröhlichkeit, da kommen wir Menschen stimmungsmäßig noch nicht mit, wir fühlen da ja noch ganz vorsichtig hin, in diesen unerwartet maienhaften Monat, als wären wir gerade erst aus der Winterschlafhöhle gekrabbelt.

Wir entfernen schubkarrenweise tote Stauden und Zeug, Marie Kondo in den Beeten, alles, was schwarz ist, macht da definitiv keine Freude mehr. Der Rasen sieht aus, als müsse man ihn dringend mal aufschütteln. Der Grünkohl, den wir nicht rechtzeitig gegessen haben, wirkt allmählich auch nicht mehr genießbar, wer nicht kommt zur rechten Zeit. Das mit der pünktlichen Ernte haben wir immer noch nicht drauf.

Der Winter war nicht lang und nicht kalt genug für die Vogelmiere, die hat sich gedacht, ach, wachse ich einfach mal weiter. Sie liegt wie ein hellgrüner Schaum überall herum und pflückt sich leicht wie dahergewehte Watte, das ist eine schöne Arbeit mit schnell vorzeigbarem Ergebnis. Die Finger riechen nach Kraut und Boden.

Dennoch sieht der Garten wüst aus, von den vielen, vielen Mühen des letzten Jahres ist erstaunlich wenig zu erkennen, aber das ist nicht nur bei uns so. Das kommt in den Gartenbüchern übrigens immer zu kurz, wie sehr man im Frühling wieder von vorne anfängt, wie viel man nach dem ersten Eindruck im sehr frühen Frühjahr umsonst und weitgehend ergebnislos gemacht hat. Man muss das schon mögen und ich mag es sehr. Tand, Tand, ist das Gebilde von Menschenhand, drei Monate ohne Pflege und man sieht fast nichts mehr davon. Du arbeitest Dir einen Wolf, dann kommt die Natur und wischt da mal eben so drüber, es ist wie bei diesen Mönchen in Tibet oder wo das war, die diese Mandalas aus Sand anfertigen, die stets wieder verweht werden, kaum dass sie fertig sind. Und dann machen die Mönche einfach weiter, so auch wir. Die Hände im Beet und im Laub, es fühlt sich gut an, richtig gut.

Wir stehen später am Ufer der Bille und sehen ins Wasser. Der Himmel ist so blau über uns und spiegelt sich so freundlich in der sachten Strömung, ich möchte direkt in den Fluss springen und anbaden. Aber ich bin ja ungewöhnlich willensstark und bleibe also eisern auf dem Rasen stehen.

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I wish I could talk to you.

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Musik! Was wir über Jenny Wren noch nicht wussten.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Männer mit Blumen und Frauen mit Gouda

Wir brauchen keine Frühlingszeichen mehr, es ist einfach Frühling. Dreizehn Grad und Sonnenschein, klare Sache und damit hopp. Alles fühlt sich anders an, riecht anders, klingt anders, es ist eine Leichtigkeit und eine hoffnungsvolle Bläue in der Luft, die will einen aus dem Büro ziehen. Man muss sich am Schreibtisch festhalten und die Fenster schließen, dann geht es.

Im Supermarkt liegt stapelweise junger Gouda, Sonderaktion! An jedem Goudapäckchen klebt eine Plastiktulpe, und während ich in der Nähe dieses Goudastapels stehe, weil ich Joghurt für die Söhne suche, bleiben nacheinander drei Frauen verschiedener Altersgruppen vor dem Sonderangebot stehen und weisen ihre jeweilige Begleitung darauf hin, dass das doch echt süß sei, niedlich oder guck doch mal. Drei! Wie viele Frauen wären es wohl gewesen, hätte ich eine ganze Stunde da gestanden? Geschmacklich unauffälliger Käse mit beliebiger Deko, da geht also was, manchmal komme ich aus dem Staunen auch nicht heraus.

In der Bücherei stehen eine Frau und ein Mann in einer Ecke. Er redet und redet, enorm schnell redet er, wahnsinnig viele Sätze und dazu hat er eine flatternde Gestik, bei der er fast nur die Hände bewegt, nicht aber die Arme, nur die Hände, die er vor ihr Gesicht gehoben hat, wo die Finger jetzt wie Derwische herumtanzen, sich spreizen, biegen, beugen, zu Fäusten ballen und sofort wieder aufgehen, durch die Luft sicheln und dann für den Bruchteil einer Sekunde wie im Gebet verharren, bevor sich ein Zeigefinger doch wieder erhebt, ich kann gar nicht wegsehen, so kunstturnend bewegen sich diese Finger. Der Redestrom des Mannes versiegt nicht, er erklärt und erklärt oder doziert und doziert oder windet sich aus irgendwas heraus oder auch schon wieder hinein, wer weiß, er redet eine schnellere Sprache als unsere, ich verstehe kein Wort, zumal er auch sehr leise redet. Gedrängt und getrieben, aber leise.

Die ganze Zeit steht sie einfach nur da und guckt unentwegt zu ihm hoch, denn sie ist einen Kopf kleiner als er, guckt hoch und weint und weint, ohne ein Wort. Mit herabhängenden Armen steht sie da immer weiter im Regen seiner ungeheuer wortreichen Sätze. Ein Experte muss man da nicht sein, um anzunehmen, dass der Valentinstag  2019 diesen beiden vielleicht nicht in bester Erinnerung bleiben wird.

Aber egal! Sie haben ja noch ein paar Stunden Zeit für die Versöhnung und da die beobachtete Situation hier endet, können wir uns alles ausdenken, das ist unser gutes Recht. In zwei Stunden hat sie es vielleicht schon geschafft, dass die Finger des Mannes wieder etwas Vernünftiges machen, ihr durchs Haar fahren oder so, und vielleicht hält er im weiteren Verlauf des Abends kussbedingt auch einmal die Klappe, das kann doch sein. Es kann immerhin alles sein, Geschichten gehen weiter, wir denken das nur meistens nicht. Wie neulich bei den zehn Leuten, die die Frage nach der Anzahl der Autokinos im Hauptbahnhof gesehen haben, ich berichtete. Von denen hat mittlerweile immerhin einer gerade gegoogelt, so beschließe ich das jetzt, dass es auf Rügen ein Autokino gibt, wo er, so ein Zufall, im Sommer mit einem Freund sein wird. Er sitzt in seiner Single-Wohnung, in seiner beeindruckend aufgeräumten Single-Küche und guckt aufs Notebook, klickt auf die Adresse des Kinos und sagt dann leise im Tonfall der Werbung aus dem letzten Jahrhundert: “Isch abe gar kein Auto”, womit er auch wieder Recht hat. Aber auch dazu fällt uns schon noch etwas ein, nicht wahr.

Auf einem Grünstreifen vor der Bücherei treffen sich zwei Hunde und finden sich sofort so dermaßen toll, dass sie beide zeitgleich ihren Herrchen die Leinen aus den Händen reißen und sich in größter Freude auf dem Rasen umeinander wälzen. Die Begeisterung sieht man ihnen auf hundert Meter an, Liebe auf den ersten Blick, voller Körperkontakt, so muss das. Die Herrchen machen währenddessen notgedrungen etwas Smalltalk, rauchen Sie? Nein.

Auf dem Spielplatz vor unserer Wohnung ist zum ersten Mal wieder Hochbetrieb, da liebt ein Kind die Schaukel so, dass es die ganze Straße hört, Jubelschreie, wenn es aufwärts geht. Und es geht oft aufwärts, also zumindest, wenn man schaukelt.

Einige Meter weiter blühen die ersten Krokusse unter der großen Magnolie, die noch nicht so weit ist. Lilafarbene Krokusse, viele und über Nacht, da bleiben die Menschen stehen und sagen zueinander: “Guck mal, die Krokusse!” Man kann ja nicht immer geistreiche Bemerkungen machen und auch das Sagen des Offensichtlichen hat seine Berechtigung im sozialen Miteinander.

Im Hauptbahnhof stehen die Männer Schlange vor dem Blumenladen, dessen Angebot heute nennenswert pinkfarbener als sonst ist, es kommen immer noch mehr Männer dazu, aus jeder einfahrenden S- oder U-Bahn ein neues Grüppchen. Männer, die von der Arbeit kommen und schnell und kompetent auswählen, nicht zu teuer, nicht zu billig, keine roten Rosen, das dauert keine zehn Sekunden, dann haben sie, was sie wollen und reihen sich in die Schlange ein, gucken noch einmal prüfend auf die Blumen, ob die auch ja alle korrekt sind, gucken dann auf die Uhr, wie sie heute in der Zeit liegen.

Dann zahlen sie und gehen ihre Frauen lieben. Oder ihre Männer, egal. Happy Valentine’s Day!

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Null, nada, nix

Das Frühlingszeichen des Tages entnehmen wir einfach dem Internet. Geht auch.

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Die Bücher meines Lebens.

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06:30: Ich sitze beim Schreiben wieder im Wohnzimmer, auch jetzt am frühen Morgen. Da habe ich freien Blick auf etwa dreißig bis vierzig Wohnungen schräg gegenüber, die ich im Moment natürlich nicht sehen kann, es ist ja noch stockduster zu meiner gewöhnlichen Aufstehzeit, so frei ist der Blick gar nicht. Aber da kann ich doch, so dachte ich, beim morgendlichen Tippen immerhin sehen, wie nach und nach bei den anderen Leuten da drüben die Lichter angehen, was ja irgendwie auch ganz romantisch ist. Ich schreibe ein, zwei Absätze, so dachte ich, hebe kurz den Kopf und sehe sinnend aus dem Fenster, und dann ist da wieder eine Nachbarin mehr wach, so in etwa.

Und wissen Sie was, ich sitze hier jetzt seit genau einer Stunde, und wie viele Lichter sind da in den Häusern angegangen? Kein einziges. Null, nada, nix. Alles schläft, einsam wacht – nur der traute Buddenbohm, fern jeder Heiligkeit. Und starrt aus dem Fenster ins Dunkel. So ist das mit den Plänen und der Wirklichkeit.

(Was wohnen da eigentlich für Leute, haben die alle keine Arbeit oder was.)

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Heute hat Simenon Geburtstag, wobei gewisse Quellen auch den 12. angeben, aber egal, ich nehme den 13., der passt mir gerade besser. Zum ehrenden Andenken schlage ich jedenfalls vor, wir schreiben alle diese Woche noch mal eben einen Roman. Oder wenigstens einen halben, das ist etwas realistischer an seinem Pensum. Tippeditipp!

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Musik! Irgendwas mit Nacht und Ruhe.

Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Ich glaube, es war gutes Wetter

Kodachrome

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Wie die steigenden Meere im Alltag ankommen, hier am Beispiel meiner Heimatgegend.Man bereitet sich so langsam vor, die ersten können nachsehen, wann ihre Dörfer weg sind.

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Zwischendurch ein besonderer Dank an die Leserin S.Z., aus Gründen und für Sie wissen schon. Ich freue mich.

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Und mehr Zeit ist heute nicht, war heute nicht, wie auch immer. Im Büro gewesen, Kind von A nach B gebracht, aufs Kind gewartet, dabei brav an Texten gearbeitet, die aber nicht fürs Blog waren, Kind wieder von B nach A gebracht, zack, Tag vorbei, nein, gleich noch eine Kolumne abschicken! Ich glaube, es war gutes Wetter, aber egal, der Tag war untertunnelt. Ich glaube, ich kann schon wieder Urlaub gebrauchen. Ich glaube, ich finde den Zugriff des Alltags geradezu empörend belästigend.

Aber! Es gibt auch etwas, das schön ist. Und zwar sitze ich hier gerade im Wohnzimmer, nicht an meinem gewohnten Schreibtisch, denn im Wohnzimmer ist mehr Ruhe, also zumindest nachdem ich alle anderen hinausgeworfen habe. Vor mir stehen drei bunte Tulpen, das Zeichen des Tages. Das Notebook liegt auf dem Esstisch und wenn ich hier eine Taste antippe, dann vibriert links neben mir ein metallener Kerzenständer, eher eine Kerzenschale, die da auch auf dem Tisch steht. Und dieses fein klappernde Geräusch gibt jedem Tastenanschlag so ein würdevolles Vintage-Feeling, als würde ich hier an einem altertümlichen Gerät wichtige Texte morsen oder als hätte ich wenigstens eine Steampunk-Tastatur, es klingt so, als sei jeder Buchstabe auf eine irgendwie nicht digitale Art bedeutend stop. Das ist zwar grob irreführend, aber doch sehr nett. Es sind die kleinen Dinge, ich sage es ja.

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Musik!

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Das Leben ist kein Tanzlokal

In hundert Jahren ist alles weg.

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Apropos hundert Jahre und alles weg, kennen Sie die obige Zeile auch aus Ihrer Kindheit? Heile, heile Mausespeck? Meine Mutter hat das gesungen, meine Großmütter, die Großtanten und Tanten, alle. Ein seltsamer Text, aber die Melodie war irgendwie beruhigend, ein wiegender Rhythmus. Und ich habe erst vor ein paar Jahren mitbekommen, dass dazu ein ganzes Lied mit mehreren Strophen gehört, den Text dieser Strophen kannte ich nicht. Es gibt auf Youtube eine Aufnahme von Ernst Neger, 1967, da sieht man dem Publikum an, dass nichts je wieder gut geworden ist. Nicht in Mainz und nicht anderswo.

 

“Und denk dein ganzes Leben lang

ans Lied, das dir die Mutter sang”

Das immerhin hat also geklappt, quod erat demonstrandum. Ich glaube allerdings, unsere Söhne kennen die Zeilen nicht.

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Frau Beck über Schottland. Ich weiß noch, wie ich einmal vor vielen Jahren in Schottland bei einer Familie zu Gast war, in Glasgow. Der Hausherr, der ein wenig Deutsch konnte, holte abends einen Gedichtband von Manesse aus dem Regal und zitierte in hochdramatischer Stimmlage und mit weit ausholenden Gesten Balladen von Goethe und Schiller, in der sicheren Annahme, dies müsse die deutschen Gäste ungemein erfreuen. “Bedecke deinen Himmel, Zeus!” Das war eine Form der Gastfreundschaft, die war uns vollkommen unbekannt. Später am Abend kam ein Nachbar dieser Familie dazu, er brachte sein Akkordeon mit und spielte und sang schottische Lieder, einfach so, er hatte gehört, dass Gäste aus Deutschland da seien. Wer konnte, sang selbstverständlich mit. Das war sehr schön und ungeheuer fremd und es war auch so, dass ich noch Jahrzehnte später, längst lebt der Mann mit dem Balladenbuch nicht mehr, immer noch denke, nach Schottland könnte ich ja auch einmal wieder.

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Ich kenne mich kaum.

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Beim Einkaufen im Discounter eine Szene, wie ich sie eher bei Frau Novemberregen erwarten würde. Und zwar stehe ich da in einer Kassenschlange, als mir einfällt, dass ich etwas vergessen habe. Ich schere also wieder aus und gehe zu den Regalen zurück, was normalerweise natürlich blöd ist. Heute aber gerade nicht, denn ich denke da auf etwas herum und es passt mir daher seltsam gut, in Kassenschlangen zu stehen und nichts weiter zu tun zu haben, gerne auch länger. Man kommt ja sonst nie zum Denken, wo auch. Ich hole also, was ich vergessen hatte, ich gehe zurück zur Kasse und stelle mich hinten an, was weiter vorne aber für erheblichen Unmut sorgt, denn man hat mir einen Platz freigehalten, eine für Hamburger Verhältnisse höchst ungewöhnlich Verhaltensweise mit der wirklich niemand rechnen kann. Ich lehne freundlich ab, nein danke, ich bleibe lieber hier hinten, ich habe ja Zeit, fast hätte ich gesagt: “Ich möchte hier einfach nur stehen.” Weiter große Unzufriedenhheit auf den vorderen Plätzen, also wirklich, da hält man schon mal frei und dann kommt der Kerl nicht, wo gibt es denn so etwas. Bleibt der da stehen! Man zeigt anklagend auf die einladend klaffende Lücke zwischen den Warentrennstäben auf dem Kassenlaufband, auf diese Lücke, diese entsetzliche Lücke. In die ich partout nicht will, mit meinem Toastbrot und den Eiern.

”Also sowas”, höre ich und dann noch den Satz, der das alles vermutlich erklärt, nämlich was man darf und kann und was nicht: “Sie können doch nicht einfach Zeit haben!”

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Musik. Ich muss es gar nicht immer bei einem Clip belassen, fällt mir ein, zwei können auch interessant sein, besonders wenn dazwischen eine Geschichte liegt. Im ersten Clips eines der vermutlich pornösesten Duette, die jemals aufgenommen worden sind, Rita Coolidge und Kris Kristofferson, verliebt wie sonst etwas. “I don’t wanna sleep alone” singen sie und “DAS SEHEN WIR!” möchte man antworten. Im zweiten Clip wieder die beiden, kurz vor dem Ende ihrer Ehe, dazwischen liegt der vermutlich ungeschriebene Beziehungsroman.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhanden Hut werfen, den man sich bei diesem Wetter vielleicht als klassischen Südwester vorstellen sollte, vielen Dank!

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Tägliche Zeichen

Freitag: Es weht ein böiger Südwest und es regnet, die Jacken werden wieder geschlossen, die Schals werden wieder enger gebunden. Der Wind treibt einen leeren Kinderwagen quer über den Spielplatz und verblüffend schnell auf einen Baum zu, Eltern laufen mit dem Kind auf dem Arm hinterher. Das Hoffnungszeichen des Tages muss ich heute etwas länger suchen, ich finde es erst in der S-Bahn: Die Frau neben mir liest Wedekinds “Frühlings Erwachen”, das lasse ich durchgehen. Mit etwas gutem Willen haben wir fast Mitte Februar, es müssen jetzt einfach täglich Zeichen zu finden sein.

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Gestern habe ich hinterm Bahnhof Leute in gelben Westen gesehen, die marschierten da längs und haben etwas im Chor gerufen, was ich aufgrund der Entfernung nicht verstanden habe, es schien auch alles etwas durcheinander zu gehen. Haben wir also Gelbwestenproteste in Hamburg? Das ist mir entgangen. In den Medien steht dazu nichts, die Straße war für eine Demo auch eher abseitig, es war keine Polizei dabei, was war denn das? Nicht nur ich, noch mehr Passanten drehten sich um und blieben verwundert stehen, Fragezeichen im Blick, wie bitte? Wenn man schon protestiert, dann doch bitte allgemein verständlich. Mit verständlichen Sprechchören und eingängigen Parolen, mit großen und gut lesbar beschrifteten Pappplakaten oder vernünftig hoch gehaltenen Bettlaken und Polizei vorweg und so, wie es sich gehört. Also wirklich.

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Ein freundlicher Hinweis, Geschichten und Gedichte zu lernen.

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Das Blog schwächelt technisch, groteske Ladezeiten, da stimmt etwas nicht. Ich arbeite daran. Also ich habe eine Mail an jemanden geschrieben, der sich damit hervorragend auskennt und hoffe so vor mich hin, meine ich.

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Musik! Song for whoever. Noch so ein Ding von damals. Und falls sich auch von diesen Herren einer in den letzten dreißig Jahren politisch oder sonstwie falsch verhalten hat, es entzieht sich leider komplett meiner Kenntnis.

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Komm, Kasper!

Fünf Bücher leben wieder.

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Und heute ist einer dieser Tage

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Bei der GLS Bank habe ich etwas über das Rad im Winter geschrieben und zusammengestellt.

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Ein Beitrag geteilt von Deutschlandfunk Kultur (@dlfkultur) am

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Ich finde die in vielen Blogs beantworteten 1.000 Fragen oft eher nicht so interessant, sei denn, die Kaltmamsell beantwortet sie mit kalter Präzision.

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Alle mit dabei. Ich bin ja nicht der einzige Mensch, der über Hamburger S-Bahnen schreibt.

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Im Vorbeigehen gehört: Eine Frau beschreibt einer anderen einen Mann mit den Worten: “Er ist mehr so der Chillo.” Man sieht ihn förmlich vor sich, wie er da irgendwo entspannt herumhängt.

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Im Hauptbahnhof kommt mir am Morgen eine schwankende Dame entgegen, die ist vermutlich nicht betrunken, die ist vermutlich nur unfassbar müde. Sie sieht nach einem Alter aus, in dem viele Menschen nicht mehr arbeiten, diese Dame aber doch noch. Sie sieht so aus, dass gewisse Boulevardzeitungen sie bei einem pressetauglichen Vorkommnis reflexmäßig als Oma beschreiben würden, in diesem Fall vermutlich als Sicherheitsoma, denn sie trägt die Uniform eines privaten Sicherheitsdienstes und kommt, das kann man sich leicht zusammenreimen, gerade von der Arbeit, von der Nachtschicht. Und sie ist so müde, dass man es auf zwanzig Meter Entfernung schon sieht, sie ist so unfassbar bleiern müde, dass man selbst diesen unendlich schweren Zustand geradezu körperlich spürt, wenn man sie ansieht. Sie ist so redlich müde, dass man ihr unbedingt ein baldiges Bett und angenehme Träume gönnen möchte. Sie gähnt und ihr gänzlich unverstecktes Gähnen auf der letzten Rille wirkt so dermaßen ansteckend, das setzt sich durch den ganzen Bahnhof fort und noch weiter in die Züge, es wirkt vielleicht immer noch quer durch Hamburg, auch jetzt noch, mehr als zwölf Stunden später. So ein Gähnen war das.

Ich hatte bis vor einiger Zeit einen Nachbarn, der arbeitete auch als Rentner bei einem Sicherheitsdienst und schob da Nachtschichten. Er hatte immer einen großen schwarzen Hund dabei, der ging mit ihm die ganze Nacht Patrouille. Der Hund hieß Kasper und war so unlustig, wie man sich berufstätige Hunde nur vorstellen kann, dieser Hund meinte alles ernst. Der Hund war dann irgendwann weg, der Nachbar ist bald darauf gestorben. Die Söhne hatten immer etwas Angst vor den beiden. Er war ein Mann, der fast nie gesprochen hat, dieser Nachbar, nie mehr als: “Komm, Kasper!”

In der S-Bahn am Morgen hustet eine ältere Dame ihre Lunge in ein Taschentuch, und zwar tut sie das in einer Intensität, dass etliche Umstehende einigermaßen verzweifelt woanders hinsehen. Das hilft allerdings nur begrenzt, denn dicht neben der älteren Dame mit dem Bröckchenhusten sitzt eine Grundschülerin, die mit entsetzlicher Gelassenheit einen Wackelzahn im Mund hin- und herklappt, sicherlich damit er sich endlich ganz löse. Mir geht es wie vielen Reisenden, wie der Hamburger Verkehrsverbund uns Menschen in den S- und U-Bahnen und Bussen hartnäckig nennt, obwohl wir nur Stadtteile wechseln und von Reisen höchstens träumen, mir geht es wie den anderen, wollte ich sagen, mir menschelt es in diesem Waggon entschieden zu viel und ich freue mich endlich doch einmal, in Hammerbrook schon wieder auszusteigen zu dürfen. Auch mal schön!

In der S-Bahn am Nachmittag, zurück von der Arbeit, sitzt mir ein Rentnerpaar gegenüber, sie sieht etwas auf dem Handy nach, liest und sagt dann zu ihrem Mann: “Also hiernach ist Labskaus jedenfalls keine Vorspeise.” An dieser Stelle grüße ich ausdrücklich alle Touristen, die sich etwas trauen und sich einlassen, und sei es nur auf Labskaus. Nur Mut!

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Musik! Holding back the years. Die Älteren erinnern sich.

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Drei Stunden anders

Gestern habe ich noch Scherze über den Frühling gemacht, heute ist er dann unvermittelt tatsächlich da. Genau drei Stunden lang schlendert er durch die Stadt und sieht sich mal unverbindlich um, späterer Einzug nicht ausgeschlossen. Zehn Grad hat er dabei, das ist doch was, und ein Licht und eine Luft auf einmal, da gucken sich alle Menschen so um und machen die dicken Winterjacken auf und reißen sich die Schals vom Hals und die Mützen vom Kopf und strecken sich und merken, dass etwas anders ist. Und erinnern sich plötzlich vage an Nettigkeiten und bessere Zeiten und der Blumenstand an der Straße verkauft heute deutlich mehr als sonst, wirklich deutlich mehr, hast du die Tulpen gesehen, wie die leuchten.

Im Hauptbahnhof fragt eine große digitale Anzeigenwand, wie viele Autokinos es denn in Deutschland gibt, das ist wohl die Frage zum Frühling, wer weiß. Mindestens zehn Menschen sehe ich, die im Strom der 550.000 Menschen, welche täglich durch den Hauptbahnhof ziehen, genau vor dieser Anzeigentafel stehen bleiben und die Frage auch lesen, die Köpfe teilweise so schräg gelegt und dann ratlos hin und her bewegt , denn das weiß man natürlich nicht, wie viele Autokinos es in Deutschland gibt, woher sollte man das auch wissen, das ist eine typisch sinnlose Quizfrage. Normalerweise müsste die erlösende Antwort ein paar Sekunden später erscheinen, so geht das Spiel doch, aber das tut sie heute einfach mal nicht. Es erscheint erst die Uhrzeit und dann erscheint der Wetterbericht und dann eine Werbung und dann die Nachrichten mit dem Brexit, so lange kann ja keiner warten, also wirklich. Die zehn Leute sind längst weg und fahren S- und U-Bahn in Stadtteile mit Doppelhaushälften, Carports und allem und denken jetzt vermutlich den Rest des Tages über die Anzahl der Autokinos nach. Später nerven sie ihre Partnerinnen und Partner mit der Frage oder sie sind Single und murmeln die Frage in einer leeren Küche, googeln das dann endlich am Abend und wer weiß, vielleicht geht wenigstens einer von diesen zehn Leuten noch in diesem Sommer zum ersten Mal tatsächlich in ein Autokino, weil ihn oder sie der Gedanke einfach nicht mehr loslässt, das könnte doch sein, dass da jemand endlich einmal hingeht, so halb ironisch, versteht sich, weil Autokino doch irgendwie seltsam ist. Aber noch bevor der Film auch nur halb vorbei ist, wird in genau diesem Auto selbstverständlich schon heftigst und mit großer Ernsthaftigkeit geknutscht. Und dabei bleibt es auch nicht und wir waren dann also heute ganz am Anfang dieser Geschichte dabei, ist das nicht schön? Herzchenkonfetti regnet herab, Musik mit vielen Streichern, Abblende.

Es sind übrigens zwanzig Autokinos, falls Sie sich das jetzt auch fragen, und keines ist auch nur annähernd in meiner Nähe. Da kann ich ein ganz ruhiges Gewissen haben, in den knapp bemessenen drei Stunden des Hamburger Frühlings heute hätte ich ganz gewiss keines erreicht, was aber nichts macht, denn für Frühlingsgefühle brauche ich mittlerweile sowieso deutlich mehr als drei Stunden und ich kenne mich da zwar nicht aus, aber ich nehme stark an, dass in Autokinos sowieso nur im Sommer Vorführungen stattfinden.

Egal. Morgen wird es schon wieder kälter. Aber schön war es schon. Drei Stunden lang.

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Musik!


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Was das Ding ist

Sven kuschelt mit Franzbrötchen. Nanu!

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Simone über Musik und die Folgen. Und ein Ja zur Frage im letzten Satz. Was sonst.

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Als die Hölle aufging

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In der U-Bahn sitzt mir ein türkischsprachiges Mädchen gegenüber, Teenager-Alter. Die benutzt eine fürchterliche Phrase, die heute allgemein üblich ist, sie beginnt ihre Sätze dauernd mit “Das Ding ist …”. Allerdings kommen danach bei ihr türkische Satzfortsetzungen, wodurch man als ohnehin unfreiwilliger Zuhörer ohne Türkischkenntnisse nie erfährt, was denn nun das Ding ist und man fragt dann ja nicht nach, nein, das tut man nicht. Sie spricht überhaupt nur Türkisch, wenn man von dem häufigen unvermittelt eingeschobenen “Das Ding ist …” mal absieht. Das Ding ist nämlich, dass sich “Das Ding ist” in ihr Türkisch geschlichen hat, wie das Okay oder das Ciao z.B. ins Deutsche. Und das ist doch tatsächlich ein Ding.

Es sei denn, aber das kommt mir eher unwahrscheinlich vor, Dasdingis wäre ein türkisches Wort. Kann das sein? Nein, es klingt nicht so. Dasdingis klingt, wenn es denn überhaupt ein einziges Wort sein soll, am ehesten wie ein mongolischer Vorname, Dschingis und Dasdingis, das könnte hinkommen. “Dasdingis, bringst du mir bitte noch Milch und Katzenfutter mit?” Na, ich weiß ja nicht.

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Ich war auf einer Lesung von Andreas Moster, er las aus “Wir leben hier, seit wir geboren sind”. Isa hat einmal darüber geschrieben und ja, das ist richtig gut, das wollen Sie also auch lesen.

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Zum phänologischen Kalender: Freundliche drei Grad am Morgen, der Himmel zeigt ein Streifenmuster in attraktivem Graublaurosamix, vor dem Hotel nebenan steht ein rauchender Tourist in kurzen Hosen und offenem Übergangsjäckchen. Es wird.

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Musik! Sophie Hunger.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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