Beifang vom 13.01.2017

Nachdem es im Beifang gestern gleich mehrmals um Kaffee ging – und was ist mit Tee? Wir geben dafür ab nach Schottland. Wo ich schon viel zu lange nicht mehr war, auch schlimm.

Das hier gekocht, ich fand es gut. Zander allerdings gegen Bio-Lachs getauscht.

Ein Superstar tritt in Weißenburg auf. Ein zweifellos kurzgeschichtentaugliches Arrangement.

Bevor es in den Kommentaren zum gestrigen Text untergeht, dafür ist es nicht nämlich viel zu schön: Auf den Seiten des Orgelbauers Klais gibt es einen Artikel zur Orgel in Hamburgs neuem Konzertdings, der steht hier. Der Text ist interessant, aber noch viel interessanter ist dort die zweite Seite mit den eingebettete Filmen. Der Herr Klais macht vor der Kamera eine gute Figur. Ich finde Orgelbau großartig (das Thema kommt in Crawfords “Wiedergewinnung der Wirklichkeit” prominent vor, ich schrieb hier über das Buch), und bei diesen Filmen bekommt man doch glatt Lust auf eine Führung. Oder auf ein Orgelkonzert. Oder auf beides.

Und bei Orgel erinnere ich immer gerne an The Peddlers, auch wenn das gedanklich etwas weit gesprungen ist. Das ist ziemlich abgefahrenes Zeug, es wird immer besser, je lauter man es dreht.

Kleine Anmerkung zur Elphie

Wobei der Name Elphie übrigens schon nicht mehr lustig ist, weil es jetzt wirklich alle sagen, das treibt in Hamburg niemanden mehr zur Ver  zweiflung, da ist der Spaß etwas raus. Will man fortgeschrittene Bildungsbürger deutlicher ärgern, sagt man jetzt besser “das neue Opernhaus am Hafen”, das löst viel verlässlicher gewisse Reflexe aus. Manche schreiben auch Elphi mit ohne e am Ende, das läuft gerade etwas uneinheitlich, auch in den Medien. Sprache in Bewegung!

Ich war da jedenfalls noch nicht drin, in der Elphie. Ich habe auch noch keine Karte, ich habe noch nicht einmal nach Karten gesehen. Und so wie mir geht es vielen. Der Eindruck, der in den Medien gerade erweckt wird, dass ganz Hamburg da in den nächsten Wochen und Monaten einmal probesitzen wird, der stimmt nicht ganz. Kommt Zeit, kommt Gelegenheit, auch für die Elphie. Man muss nichts überstürzen, womöglich riecht es dort noch nach Farbe oder so. Die Herzdame sagte, als ich sie fragte, wann wir das denn mal abhaken wollen, einigermaßen empört: “Ich wohne seit 20 Jahren in Hamburg und habe hier noch nicht einmal eine Stadtrundfahrt gemacht. Da werde ich jetzt doch nicht sofort in so ein neues Ding rennen!”

Ich glaube, das ist eine vernünftige Grundhaltung. Immer ruhig bleiben, das wird schon. Freuen kann man sich ja trotzdem schon einmal ein wenig, dass das Ding offensichtlich was geworden ist.

 

Was schön war

Die junge Frau vor mir an der Kasse des sehr großen Supermarktes hatte russische Süßigkeiten und Wodka auf das Förderband gelegt. Die Kassiererin zog die Packungen erst achtlos über den Scanner, sah dann doch noch einmal genauer hin, murmelte die Markennamen mit einem Anflug von Wehmut in der Stimme und nickte. Den Preis des Einkaufs nannte sie der Kundin in fließendem Russisch. Die Kundin sah sie irritiert an, die Kassiererin wiederholte die russischen Sätze etwas lauter und hängte auch gleich noch ein paar dran. “Nein”, sagte die Kundin und lachte, “ich bin nicht aus Russland. Ich kaufe das einfach nur so.”

Die Kassiererin schüttelte irritiert den Kopf, zog die Augenbrauen hoch, sah die Einkäufe an, sah die Kundin an. Und sagte dann freundlich auf Deutsch: “Na, aber Sie trinken Wodka, das ist doch … immerhin!”

 

Der Dalles und die Traditionen

Lese weiter in Erich Mühsams Tagebuch.Der ist übrigens, das ist vielleicht gar nicht so bekannt, auch der Autor eines der schönsten Schüttelreime überhaupt, alle paar Jahre muss ich den zitieren:

“Der ist ein großer Schweinehund,

dem je der Sinn für Heine schwund.”

Ein Genuss, nicht wahr. Und man ist nicht selbst draufgekommen, warum denn bloß nicht? Der beißt einen doch förmlich? Nach Lektüre der Mühsamschen Schüttelreime geht man mit einer seltsamen Reimwortgier durch den Tag und grast Werbeplakate und alle möglichen Hinweisschilder nach Möglichkeiten ab. Bei mir war in letzter Zeit kein sensationeller Treffer dabei, aber ich jage weiter.

Im Tagebuch geht es gerade viel um den Tripper, der die ansonsten übliche erotische Freizügigkeit in seiner Szene einschränkt. Wobei es anscheinend als Kavaliersdelikt galt, sich auch infiziert zu amüsieren und dann gespannt abzuwarten, wen es darauf folgend im Freundeskreis traf, das wurde dann lapidar im Tagebuch notiert: “auch angesteckt”. Das war immerhin etwas harmloser als in Zeiten von AIDS, aber es ist doch eine unschöne Vorstellung.

Und dann ist man bei der Lektüre wieder dankbar, wie leicht man heute Texte veröffentlichen kann. Noch ein paar Zeilen und ich stelle den Artikel hier schlicht auf “online”, das war es, Sie können es dann lesen oder ignorieren, wie es beliebt. In den Zeiten von Erich Mühsam musste man dafür erst eine literarische oder sonstige Zeitschrift finden oder schnell selber eine mit möglichst kryptischem Titel gründen, man musste deren Druck vorfinanzieren, einige handverlesene und vor allem auch zahlungsfähige Abonnenten finden, sich mit potentiell beitragenden Freundinnen und Freunden herumschlagen, sich mit nicht zuhörenden Druckern auseinandersetzen, nachts noch schnell eine Ballade schreiben, um eine plötzlich leere Seite aufzufüllen oder andersherum den bräsigen Essay eines ansonsten guten Freundes mal eben rabiat halbieren weil einfach kein Platz mehr war, man musste sich mit anderen Freunden überwerfen, deren hektisch hingeschluderten Textschrott man dann leider doch nicht bringen wollte, man musste den Postversand der Einzelexemplare organisieren, auf lässig herabsetzende Kritiken in den Zeitungen und giftige Bemerkungen in den Cafés warten, jede Nacht inständig um mehr Abos beten … Wir haben es schon leicht, was das angeht.

Die Frage, ob man mit irgendwelchen Zeilen auch Geld verdienen kann, die ist allerdings geblieben. “Der Dalles”, wie der chronisch bankrotte und stets hoch verschuldete Mühsam das Geld nennt, ist heute immer noch ein Problem für schreibende Menschen aller Art, das ging gerade wieder durch die Feuilletons. Manche Traditionen müssen eben unbedingt gewahrt werden, ganz egal, wie weit die Technik voranschreitet. Aber man hat heute immerhin mehr Möglichkeiten, von Spendenbuttons, Affiliate Links, Werbung, Tipeee, Flattr und ähnlichen Diensten bis hin zum Sponsoring. Man hat sogar viel, viel mehr Möglichkeiten, das kann man bei der Lektüre solcher Tagebücher auch einmal wieder begeistert zur Kenntnis nehmen.

Briefe, Dramen, Damen

Ich lese weiter im Tagebuch von Erich Mühsam, er streitet sich da gerade mit Else Lasker-Schüler wegen einer jungen Dame herum, die sich von ihr verfolgt und belästigt fühlt. Nach gewissen höchst dramatischen Szenen in einem Café kündigt Mühsam der Lasker-Schüler aufgewühlt per Brief die Freundschaft, ganz Ritter, der das junge Ding beschützen möchte und sich an ihre Seite stellt. Ich habe schon wieder vergessen, ob er auch naheliegende Interessen an der jungen Dame hatte, es würde durchaus passen, in der Szene ging es insgesamt reichlich bunt zu, man kommt als Leser leicht durcheinander. Diesen empörten Freundschaftskündigungsbrief schickt Else Lasker-Schüler jedenfalls postwendend zurück – zerrissen.

Danach gehen sie aber weiter beide ins übliche Café, weil man da eben hingeht. Sie ignorieren sich dabei eine Weile dramatisch, er geht also abends hin, um im Tagebuch festzuhalten, ob sie da war oder nicht, und das beruht vielleicht sogar auf Gegenseitigkeit, ich weiß gar nicht, ob Tagebücher von ihr vorliegen. Die Szene mit den Briefen muss man sich jedenfalls einmal bildlich vorstellen, wie Mühsam da in flammender Wut spätnachts in ärmlicher Bude einen finalen Brief schreibt. Wie der schon am nächsten Tag zurückkommt, in Form von Papierfetzen, die aus einem Umschlag fallen, womöglich sogar auf einen Tisch in eben jenem Café, in dem die wütende Dame drei Tische weiter sitzt und mit größtmöglicher Selbstbeherrschung zornbebend in eine andere Richtung sieht, während die sehr junge und sehr attraktive Dame, um die es bei all dem geht, gerade zur Tür hereinkommt und unsicher zwischen den beiden hin- und hersieht. Papierschnipsel mit energischer Handschrift, die in halbleeren Kaffeetassen schnell zerläuft, ein schneller Griff und ein Blick in den Umschlag mit der Frauenhandschrift darauf, nein, da ist nichts weiter, da kommt nichts mehr, dann wird dieser Umschlag eben auch mit großer Gebärde zerrissen und ein stärkeres Getränk bestellt, so!

Das ist auch so etwas, das kriegen wir in dieser schicken und vermutlich irgendwie auch befriedigenden theatralischen Zuspitzung gar nicht mehr hin. Wir klicken im freundschaftlichen Krisenfall auf “unfollow”, das ist am Ende doch ein wenig stillos. Und böse blickende Emojis im Smartphonechat machen es nicht besser.

Keine Ahnung, wann ich den letzten Brief mit der Hand geschrieben habe, es muss viele Jahre her sein. Ein Freundschaftskündigungsbrief war es aber gewiss nicht.

Zwischendurch ein Dank …

… an den Leser Andreas K., der den Jungs eine CD vom Wunschzettel geschickt hat. Der kleine Drache Kokosnuss – ich hätte ja gedacht, aus dem Alter sind sie raus, aber das mögen sie tatsächlich beide noch, die Herzdame war da besser informiert. Man schätzt eben nicht immer richtig. Herzlichen Dank!

Beifang vom 06.01.2017

Ein Interview mit Reinhold Messner. Wird einige vielleicht inhaltlich überraschen.

Im vegetarischen Foodblog Kraut-Kopf gibt es nicht nur besonders schöne Bilder, es gibt auch (oben im Menü) einen Link zur Rezepte-App, die man für ziemlich kleines Geld erwerben kann. Aus dieser App habe ich das Winterrezept Bombay-Kartoffeln gemacht, das ist eine sehr feine Sache. Bratkartoffeln indisch, warum auch nicht.

Paolo Conte zum Geburtstag, der Herr ist jetzt 80 Jahre alt. Mein Lieblingsstück von ihm ist “Max”, das mich sozusagen direkt anspricht. Der Text ist kryptisch, aber das macht ja nichts.

Die Herzdame und ich waren gestern im Theater, und seltsamerweise war es kein Kinderstück. Um uns den Umstieg nach all den Jahren einigermaßen leicht zu machen, haben wir aber ein betont lustiges Stück ausgesucht, in dem die Schauspieler gelegentlich aus ihren Rollen ausbrechen und außerdem ab und zu völlig unvermittelt Musik gemacht wird, das kam uns also ganz vertraut vor. Falk Schreiber hat das Stück hier äußerst treffend rezensiert. Wir hatten eine feinen Abend und die Herzdame war nur ganz knapp nicht die Jüngste im ganzen Theater. Auch erstaunlich.

Noch eine musikalische Entdeckung mit bemerkenswertem Lebenslauf: Mary Gauthier. “I drink.” Aber auch einige andere Titel von ihr sind unbedingt hörenswert, etwa “Falling out of love” oder “Mercy now”. Alle sind bei Spotify verfügbar.