Hochgucken, Tag 5

Die Kinder treiben einen zu den seltsamsten Freizeitbeschäftigungen, so fahre ich neuerdings auch des öfteren Bus. Ich habe, das ist natürlich Zufall, in Hamburg bisher immer so gewohnt und gearbeitet, dass ich mit Bahnen auskam, Busse sind für mich eher exotisch. Ich staune immer, wenn Menschen wissen, welcher Bus hier wohin fährt, ich kenne nur den 5er und den 6er, der Rest ist mir rätselhaft. Angeblich komt man mit Bussen auch in Stadtteile ohne jede Bahnanbindung! Wenn mir einmal sehr langweilig ist, werde ich vielleicht darauf zurückkommen und es testen. Allerdings ist mir nie langweilig. Hm.

Nun ist Sohn I aber mittlerweile in einem Schwimmverein, und zum Training kommt man tatsächlich am besten mit dem Bus, quer durch die Stadt. Aufgrund einer Tradition, auf deren Anfänge ich gar nicht mehr komme, nimmt sich Sohn I mein Handy, sobald wir in einen Bus steigen, im Bus ist es nämlich seins. Immer. Dann macht er darauf irgendwelche Vorschulspiele, ich sehe mir die Leute an, das Hochgucken braucht in dem Fall also gar keinen Plan, das geht gar nicht anders. Wobei das Hochgucken im Bus oft eher ein Hochhorchen ist, im Bus hört man Gespräche nämlich viel besser als in der S-Bahn.

Ein Frühlingstag, die Sonne scheint und die Kulisse der Stadt wirkt ungewöhnlich angenehm. Erstes Grün an Büschen und Bäumen, bunte Blüten im Straßenbegleitgrün, erste Frühjahrsmode an den Menschen. Entspannte Gäste räkeln sich in Straßencafés, Touristen fotografieren irgendwas vor knallblauem Himmel, guck mal, das ist Hamburg, das war echt schön. Der Bus ist halbleer und sonnendurchflutet, der Fahrer pfeift leise vor sich hin. Weiter hinten erzählt ein junger Mann, stellen Sie sich einfach ein Erstsemester mit prächtigem Hipsterbart vor, es wird schon passen, was er im Fernsehen gesehen hat. Nämlich einen krassen Film über die Massentierhaltung. Da waren Szenen drin! Alter! Also das hat er natürlich alles schon mal gehört, ist ja klar, aber jetzt eben auch gesehen und dann wird es einem doch erst klar, sagt er. Also Szenen! Alter! Ey!

Die Freunde, drei andere junge Männer, die ihn umstehen, nicken mit leichter Panik im Blick und dann kommt, was kommen muss: der Erzähler fängt bei den ersten Szenen an, es geht um gekürzte Entenschnäbel, und berichtet detailliert, was da gezeigt wurde. Eine klare, junge, deutliche Männerstimme, die hört man ohne jede Konzentration ein paar Sitzreihen weit, zumal er sich beim Reden etwas aufregt und dadurch immer lauter wird. Auf den Gesichtern der anderen Fahrgäste ringsum sieht man erstaunliche und verblüffend wilde Bewegungen, als würde man neben ihnen sehr laut mit Kreide über eine Tafel quietschen. Köpfe sinken tiefer zwischen Schultern, Hände bewegen sich in Richtung der Ohren und der Bericht geht von Station zu Station unerbittlich immer weiter, er ist gerade bei den geschredderten Hähnchen angekommen und geht jetzt noch zu Ferkeln über, da ist ja das mit der Kastration, wisst Ihr das? Alter! Wisst ihr, wie man das macht? Nein? Also…

Eine Frau setzt sich Kopfhörer auf und wirkt danach deutlich erleichtert. Die ältere Dame mir gegenüber beugt sich zu ihrer Freundin, die ob des zwangsweise mitgehörten Themas mittlerweile etwas grünlich im Gesicht wirkt, und fragt, wo man denn heutzutage eigentlich noch Hähnchen kaufen könne. Na, wo denn? Hm? Die Freundin sagt, beim Aldi jedenfalls nicht, das könne sie mal glauben, und dann denken beide über Supermärkte nach. Ob Rewe denn besser sei? Oder der Edeka? Der habe ja doch bessere Sachen, oder? Hinter mir höre ich andere Damen diskutieren, da fällt gerade ein “Fisch geht ja auch nicht mehr”. So setzt sich die Erzählung des Erstsemesters in anderen Gruppen fort, hier ein Satzbrocken, dort eine Ergänzung. Jeder weiß etwas zu dem Thema, so ist es ja nicht. Es sind dann aber doch alle recht froh, als die jungen Männer aussteigen und man nur noch das vergnügte Pfeifen des Fahrers hört.

Die Mutter neben mir hat von all dem nichts mitbekommen, sie redete nämlich die ganze Zeit engagiert auf die Freundin neben ihr ein. “Die Frage ist doch”, sagt sie gerade zum wiederholten Male, “die Frage ist doch – wie kommt das Kind aufs Gymnasium? Das ist doch die Frage.” Dabei streicht sie ihrem Sohn durchs Haar und man fragt sich, ob er wohl mit der Frage gemeint ist oder ob er vielleicht noch größere Geschwister hat. “Das ist doch die Frage”, sagt sie noch einmal sehr energisch, und es muss wirklich eine wichtige Frage sein, so ernst, wie sie guckt.

Eine wichtige Frage, die das Kind aber überhaupt nicht interessiert. Es beschäftigt sich vielmehr konzentriert mit der Produktion von Spuckebläschen. Was man eben so macht, wenn man etwa ein Jahr alt ist.

#spring

 

 

Kinderfilme für feuchte Frühlingstage daheim

Ein Gastbeitrag von Rochus Wolff

In den Wochen und Monaten vor Weihnachten gibt es regelmäßig fast explosionsartig zunehmende Massen von Neuerscheinungen für jene Menschen, die nach Filmmaterial suchen, das sie mit ihren Kindern gemeinsam ansehen können. Da trifft sich, wie bei allen Dingen, die mit Kindern und Geldverdienen zu tun haben, die saisonale Kaufwut mit dem Angebot des Marktes, auch wenn natürlich – leider, leider – die wirklich feinen Angebote zu wenig beachtet werden.

Und wenn das Fest dann geschafft ist, die Lebkuchen verdrückt und das Feuerwerk abgebrannt, dann lassen die Filmverleiher ganz, ganz stark nach. Der Jahresanfang ist in Sachen Kinderfilm erst einmal eine sehr müde Angelegenheit. Im Kino hat sich die Flaute mittlerweile wieder ein wenig gefangen, da ist jetzt der großartige dänische Kindersuperheldenfilm Antboy zu sehen, und für kleinere Kinder bietet Pettersson und Findus – Kleiner Quälgeist, große Freundschaft mehr als solide, wirklich gelungene Unterhaltung.

Aber man kann es sich auch daheim gemütlich machen. Zwei Neuheiten sind da besonders zu empfehlen, beide Großproduktionen aber deswegen tatsächlich ja nicht unbedingt schlechter. Das wäre zum einen Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen 2, (Cloudy With A Chance Of Meatballs 2) die Fortsetzung des Animationsfilms aus dem Jahr 2009, die vor allem ein wilder, sehr witziger Actionritt ist. Der noch ziemlich jugendliche Erfinder Flint Lockwood hatte im ersten Film eine Maschine erbaut, die aus Wasser Essen produzierte – so wurde aus seiner sehr verdrießlichen Heimatinsel irgendwo im Atlantik eine Art Schlaraffenland, erst als Sehnsuchts-, dann als Horrorphantasie. Nun muss er auf die Insel zurückkehren, denn dort leben mittlerweile aus Obst, Gemüse und anderen Speisen entwickelte Tiere, deren genetischer Code vor allem in Sprachwitz besteht (vom Wassermelofant über die Schrimpansen bis zu den Nilpfertoffeln). Die Tiere drohen, die Welt zu übernehmen – oder sind sie vielleicht doch nur freundliche Wesen? Der Fortsetzung fehlt ein wenig die Originalität und vor allem der emotionale Drive des ersten Films, aber sehr, sehr vergnüglich ist das allemal.

Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen

Foto: Sony Pictures

Zum anderen kommt Anfang April Die Eiskönigin – Völlig unverfroren (Frozen) auf den DVD-Markt, Disneys Weihnachtsfilm aus dem vergangenen Jahr, den zumindest an unserer Grundschule die meisten Kinder schon gesehen haben – ein spannender und witziger Abenteuerfilm, der am Ende sogar ein wenig von den üblichen Disney-Prinzessinnen-Standards abweicht. Mainstream ist das natürlich schmalziger, aber schöner, sehr gut gemachter Mainstream.

Aus dem Hause Disney kommt auch die zweifellos wichtigste Klassikerneuerscheinung der letzten Wochen: Mary Poppins ist endlich hochauflösend auf Blu-ray erhältlich. Man muss den Film wahrscheinlich kaum vorstellen, viele heutige Eltern haben ja ihre eigenen Kindheitserinnerungen an tanzende Pinguine, Schornsteinfeger oder „Superkalifragilistikexpialegetisch“. Robert Stevensons Film gehört zu den Filmen, die trotz für damalige Verhältnisse (der Film entstand 1964) umfangreicher (und preisgekrönter) Spezialeffekte sehr gut gealtert ist und nie albern wirkt. Gewiss, man kann an weltanschaulichen Details herumkritteln, wie ich das vor einiger Zeit ausführlich getan habe; aber insgesamt ist das punktum halt einer der schönsten, wichtigsten Musicalfilme des 20. Jahrhunderts, den jedes Kind einmal gesehen haben sollte. (Und, versprochen, sie reden dann noch tagelang davon.)

Mary Poppins

Foto: Disney

Auch Mary Poppins freilich hat ein Manko, das zumindest in unserer heimischen Filmschaupraxis eine große Rolle spielt: Der Film ist eigentlich zu lang. Der Alltag unter der Woche erlaubt es eigentlich nie, mal eben neunzig Minuten Film noch unterzubringen (wir schauen aber auch generell im Alltag kein „normales“ Fernsehen, und die Kinder schauen nie allein – wir wollen sofort über das Gesehene sprechen können, und außerdem wollen wir die Filme ja auch sehen!). Und an den raren Wochenenden muss das Wetter schon sehr schlecht sein, bis wir uns die anderthalb Stunden für einen Langfilm an einem Tag nehmen. Wir teilen Filme deshalb meist in zwei oder drei Teile, was aber regelmäßig zu Unzufriedenheit führt; es fehlt eigentlich vor allem an geeigneten kürzeren Formaten.

Bestens geeignet dazu sind natürlich Fernsehserien, die für Kinder meist noch nicht zu lang angelegt sind und deren einzelne Folgen sich wiederum leicht in einen Abend einpassen lassen. Luzie, der Schrecken der Straße werden auch viele Eltern noch kennen – eine perfekte Serie für Regentage im Sommer vor der Einschulung. Neu herausgebracht wurde jetzt aber auch die klassische Serie Die schwarzen Brüder, die in den 1980ern nach einem Roman von Lisa Tetzner entstand. Am 17. April wird dazu ein Film in die Kinos kommen, der Serie – die ich leider selbst noch nicht habe sehen können – eilt aber der Ruf einer sehr sehenswerten Umsetzung um die Erlebnisse Mailänder Kaminkehrerjungen voraus.

Gleich eine ganze Reihe solcher Klassiker gräbt derzeit More Entertainment aus, die für die Reihe The Children’s Film Foundation Collection mittlerweile schon sechs in den 1950er und 1960er Jahren in Großbritannien entstandene Miniserien aufgestöbert hat. Filmpuristen werden sich dabei womöglich an der Form stoßen – der fünfte Beitrag der Reihe etwa, Geheimsache fünf (im Original The Treasure of Woburn Abbey oder Five Clues to Fortune) wurde 1957 als Mini-Serie mit 8 Episoden produziert. Für die erste Ausstrahlung in der ARD wurde daraus in den sechziger Jahren ein zweiteiliger Fernsehfilm; auf der DVD ist nun jedoch die vierteilige Schnittfassung zu sehen, die 1975 im WDR zu sehen war.

Dafür bekommt man in diesem Fall eine höchst klassische Abenteuergeschichte zu sehen: Drei Kinder stoßen auf Spuren zu einem alten Klosterschatz, aber natürlich heftet sich auch ein Bösewicht an sie dran und will ihnen den Fund streitig machen. Ein Hirschgeweih und Tonsplitter bilden den Anfangspunkt, es folgen dann unwahrscheinliche, aber für Kinder höchst nachvollziehbare Indizien, die immer näher auf die Spur führen. Das ist alles sehr aufregend und spannend, obgleich es für heutige Kinderfilme fast schon betulich zuzugehen scheint, und für den nötigen Humor sorgen die ungeschickten Gehilfen des Bösewichts. Wie sich das gehört.

Wer noch lieber einen neueren Kurzfilm genießen will, ist schließlich mit Für Hund und Katz ist auch noch Platz (Room on the broom) gut versorgt, der dieses Jahr auch für einen Oscar als bester animierter Kurzfilm nominiert war. Man sieht dem 25-Minüter sofort an, dass er aus dem gleichen Hause stammt wie der sehr großartige Kurzfilm Der Grüffelo, und auch das gleich Autor/innengespann hinter dem zugrundeliegenden Kinderbuch steckt: Axel Scheffler und Julia Donaldson. Für Hund und Katz ist eine im Grunde klassische Geschichte, eine Handvoll Außenseiter finden sich und raufen sich zunächst eher widerwillig zusammen, und sind am Ende gemeinsam natürlich nicht mehr Außenseiter, nicht mehr allein.

Hund und Katz

Foto: Concorde Home Entertainment

Der Film kombiniert Computeranimation und Zeichentrick, vor allem aber trifft er genau Tonfall, Spannungsmaß und Filmlänge, die man für jüngere Kinder braucht, wenn sie so ab etwa vier Jahren mehr als nur Fünfminutenclips von Molly Monster, Shaun das Schaf oder Tom und das Erdbeermarmeladebrot mit Honig ansehen können, wollen und womöglich auch sollten.

Wobei, Shaun geht für jedes Alter.

Rochus Wolff

Rochus Wolff ist Filmkritiker, Feminist und Vater, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Seit Januar 2013 beschäftigt er sich im Kinderfilmblog am liebsten mit dem schönen, guten, wahren Kinderfilm. Er lebt mit seiner Familie in Berlin und arbeitet hauptberuflich als PR-Mensch und Konzepter für eine Online-Agentur in Süddeutschland.

 

 

Woanders – diesmal mit Monstern, Beppo, Thüringen und anderem

Wo die müden Monster wohnen.

Die zwei Geschwindigkeiten von Beppo.

Über eine Jugend in Thüringen.

Ein Vater, der nicht fegen kann.

Eine dörfliche Soundcollage.

Herr Kid denkt über Perlhühner nach.

G8/G9, ach wie scheun. Und hin und her und hopsassa, ist das Abi endlich da. So geht Schulpolitik in Deutschland, kurzgefasst. Hier steht die Langversion.

Wie unterschiedlich die Sternzeichen mit der Buchhaltung umgehen, habe ich für die Firma lexoffice hier erklärt.

Und hier noch ein äußerst interessanter Text zur Zombie-Apokalypse. Na, oder so ähnlich. Aber wirklich lesenswert.

 

Hochgucken, Tag 4

Mir gegenüber ein älterer Herr, für den man extra man die hübsche Vokabel soigniert wiederbeleben müsste. Lange nicht mehr gehört, das Wort.

Nadelstreifen, aber keine geckenhafte 30er-Jahre-Verschnitt-Variante, nur einfach ein guter Anzug. Blankgeputzte Schuhe, Krawatte mit Nadel, daran etwas, das ein Clubabzeichen sein könnte, ganz klein. Man müsste schon sehr nah herangehen, um es genau zu erkennen. Weißes Hemd, dezente Manschettenknöpfe, mattes Silber. Keine Outdoorjacke, wie sie sonst alle tragen, sondern ein Kleidungsstück irgendwo zwischen Mantel und Jacke. So etwas wie Loden vielleicht, aber nicht in grün, sondern in grau und ohne jeden volkstümlichen Schnickschnack. Herrenausstattermode. Der Stoff sieht weich und teuer aus. Walkstoff, auch so ein Wort, das mir kaum je begegnet. Randlose Brille, graue Haare, im gleichen Ton wie die Jacke.

Er sieht ein wenig zu alt aus, um noch in ein Büro zu fahren, zumindest tut er das nicht mehr als Angestellter. Als Inhaber ist es vielleicht etwas anderes, als Berater, als Seniorchef, als wissenschaftlicher Beirat, als Aufsichtsrat. Fährt ein Aufsichtsrat mit der S-Bahn? Er hat es nicht eilig, er sitzt da sehr entspannt. Keine Zeitung, kein Buch, kein Handy, er sieht einfach aus dem Fenster. Nicht interessiert, sondern so, wie man eben aus dem Fester sieht, wenn da draußen irgend etwas vorbeizieht, das einem völlig egal ist. Hammerbrook ist das in diesem Fall, ein Stadtteil, der den meisten Hamburgern völlig egal ist. Der Herr sitzt und guckt, seine Mimik ist leicht, ganz leicht bewegt. Ab und zu gehen die Augenbrauen ein klein wenig nach oben, ab und zu ahnt man ein Nicken,ein Kopfschütteln, eine kaum wahrzunehmende, wiegende Bewegung. Dann ein etwas rhythmischeres Nicken, auch das sehr zurückhaltend. Seine Finger tippen manchmal sachte auf die Knie. Er hört Musik .

Er hört Musik aus Kopfhörern, wie sie jetzt aktuell sind, groß und voluminös. Es ist gar nicht lange her, da hätte man so etwas von der Form her noch für Lärmschutz gehalten und nur in Fabrikhallen aufgesetzt. Heute tragen das aber alle auf dem Weg in die Fabrikhallen, die natürlich nur noch Büros sind. Die Kopfhörer des soignierten Herrn sind, das kann man auch bei freundlicher Betrachtung kaum anders ausdrücken, in einer Farbe gehalten, die man als Brüllpink-Metallic wohl annähernd korrekt bezeichnet. Er trägt mit der größten anzunehmenden Würde ein Accessoire, das an ihm genau so falsch und grotesk aussieht, wie ein Hello-Kitty-Rucksack oder ein Lillifee-Krönchen. Es glitzert schrill an seinem Kopf.

Und er hört damit, man kann das natürlich nur ahnen und raten, klassische Musik. Dieses ganz leichte Wiegen des Kopfes, die Augenbrauen, die ab und zu sachte in die Höhe gezogen werden und dort oben leicht schaukelnd einen kleinen Moment verweilen… die folgen doch Violinen, möchte man annehmen.

Ich stehe auf und steige aus, der Mann sieht mich an, lächelt und nickt. Ein verbindliches Nicken, als hätte ich eben bei ihm einen Bausparvertrag unterschrieben oder einer Firmenfusion zugestimmt. Er ist es gewohnt, höflich zu sein. Ein kultivierter Typ, gar keine Frage.

Dann sieht er wieder aus dem Fenster, wo Zimmerleute auf einem Fleet an Hausbooten bauen. Sie tragen gerade Latten vom Ufer auf die Schiffe. Aber der Herr sieht nicht so aus, als würde er das wahrnehmen. Er hört einfach nur konzentriert Musik. Aus pinkfarbenen Kopfhörern. Mit Glitzer.

#hamburg #hammerbrook

Woanders – diesmal kurz mit der U-Bahn, dem Mittagessen, Fred Astaire und anderem

Das hier ist eine vollkommen aberwitzige Fleißarbeit, eine ausführliche, wirklich wahnsinnig ausführliche Beschreibung des Hamburger U-Bahnnetzes (sorry, Link kaputt) mit allen Bahnhöfen. En detail. Da hat jemand seine Aufgabe gefunden.

Herr Rau verweist auf Fernsehauftritte von Fred Astaire. Wie Sohn I mit Kennerblick sagte: “Der kann das ganz gut, das mit dem Tanzen, was?”

Bilder: Piano-Bars in Flugzeugen.

Wladimir Kaminer über die Krim.

 

 

Muss ich was tun?

Ich habe keine Ahnung, woran es liegen mag, aber in diesem Jahr machen mehr Menschen als sonst in meinem Freundeskreis bei diesem Frühjahrs-Fitness-Fimmel mit. Vielleicht liegt es am Alter? Knackig von Natur aus sind wir nun nicht mehr. Sie laufen also alle nach Feierabend in Sporthosen durch die Gegend, trinken sieben Wochen lang keinen Alkohol, essen keinen Zucker, kein Fleisch, kein Fett, was weiß ich. Das wirkt alles eher anstrengend als lustvoll. Ich habe erhebliche Zweifel, dass diese Strafmaßnahmen wirklich Sinn haben. Wer straft sich schon gerne? Ich selbst z.B. finde Laufen ganz furchtbar, was für eine Zumutung, das macht man doch nicht freiwillig.

Aber ich ziehe natürlich dennoch in Erwägung, dass ich so etwas auch nötig haben könnte. So viel Ehrlichkeit muss sein! Wiege ich womöglich tatsächlich zu viel? Und woran bemisst sich das eigentlich? Das mit dem Body-Mass-Index soll Blödsinn sein, sagt man. Meine Hosen passen noch, mein Bett ist noch breit genug, die Herzdame liebt mich noch. Sagt sie jedenfalls. Ist also alles gut?

Ich hatte die Spitzenidee, Sohn I danach zu fragen, denn Kinder sind bekanntlich gnadenlos ehrlich: „Bin ich eigentlich dick?“Und das Kind sah auf meinen Bauch, dachte ernsthaft nach und sagte dann nach einer Weile aufmunternd: „Papa, du bist mitteldünn.“ Das klang ganz gut, fand ich. Mitteldünn, damit kann man gut leben, das klingt normal und lebenstauglich.

Allerdings fügte er noch hinzu: „Und weil dick das Gegenteil von dünn ist, ist die Mitte so dazwischen, und dann kann man das also auch mitteldick nennen, das ist ja logisch. Also das bist du dann auch.“ Und da habe ich das Gespräch doch lieber wieder beendet.

Wenn Ihnen demnächst abends auf der Joggingstrecke ein mitteldicker Mann entgegenkommt: das bin vielleicht ich.

(Dieser Text erschien als Sonntagskolumne in den Lübecker Nachrichten und in der Ostsee-Zeitung)

Kurz und klein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ommmm

Es gibt Kinderfragen, die einen etwas unvorbereitet treffen und wunderbar aufzeigen, wie schwach es um die eigene Allgemeinbildung wirklich bestellt ist. Als etwa ein Rudel Sechsjähriger neulich auf die Buddhafigur auf unserem Kühlschrank zeigte. Wer ist das? Warum ist der da? Warum ist der so dick und warum steht der eigentlich auch in dem Tibet-Laden da hinten im Schaufenster? Da  musste ich erst einmal tief Luft holen. Und dann erklärt man eben im Rahmen der altersgerechten Aufmerksamkeitsspanne, also innerhalb von etwa fünf  Minuten, was es mit dem Buddha und dem Buddhismus auf sich hat und wünscht sich dabei eine innere Wikipedia. Also man hat natürlich eine innere Wikipedia, Gedächtnis genannt, schon klar. Aber da gibt es leider manchmal ein erhebliches Problem mit den Ladezeiten und mit „Seite nicht gefunden“-Meldungen.

Buddha also, der Prinz mit der himmlischen Kindheit im Palast ohne Sorgen irgendwo in Indien, Siddhartha. Der irgendwann doch mit dem Leid der Welt konfrontiert wurde und dann wissen wollte, worum es nun wirklich geht. Und dann die Sache mit der Askese und der Meditation. Hat sich also hingesetzt und meditiert, bis er alles verstanden hat. Hat nachgedacht, bzw. eben nicht gedacht, es ist kompliziert. War am Ende aber jedenfalls erleuchtet, zack, Weltreligion. Na, so ungefähr. Und auf dem Kühlschrank steht er wiederum nur als Deko, nicht als religiöses Versatzstück, Erwachsene sind komisch.

Und die Kinder fragen, ob er sich denn da beim Meditieren einfach nur hingesetzt habe? Ja, hat er. Ganz alleine. Mit ohne was dabei.

Und die Kinder fragen, wie lange er denn da gesessen habe? Sehr lange. Ich weiß nicht genau, wie lange. Aber in fünf  Minuten wird er es jedenfalls nicht geschafft haben.

Und die Kinder überlegen und beraten sich etwas. Und stellen dann souverän fest, dass sie das auch könnten. Also jeder wahrscheinlich. Wenn man nur lange genug sitzt, dann geht das schon, doch, das scheint ihnen ganz logisch. Wenn man WIRKLICH still sitzt – warum nicht? Dann kommt man am Ende auf alles, man kommt doch immer auf irgendwas. Und so schwer sei das Sitzen nun nicht. Sie selbst hätten momentan allerdings keine Lust zum Stillsitzen. Man könnte ja darauf zurückkommen. Irgendwann.

Und dann schubste der eine den anderen und der schubste natürlich zurück und ich hatte binnen Sekunden ein Knäuel sich raufender, kreischender und definitiv unerleuchteter Kinder vor mir, das ich langsam aus der Küche schob.

Und die Buddhafigur saß meditierend auf dem Kühlschrank und lächelte über die Szene hinweg. Mit einem dekorativen Lächeln, versteht sich.

Woanders – diesmal mit dem Maternal Gatekeeping, einer alten Geschichte, dem Beobachten und anderem

Das Nuf wichtig und richtig über “Maternal Gatekeeping”, ein Begriff, der mir bis heute völlig unbekannt war.

Don Dahlmann gräbt alte Geschichten aus. Find ich gut.

Bei Meike Winnemuth kann man lesen was passiert, wenn man beim Beobachten zu erfolgreich ist. Sozusagen.

Frau Gminggmangg fährt Bus.

Barbara klebt.

Eine gewisse Sportartikelfirma versucht gewisse Anhänger loszuwerden.

Schicke und besonders sinnige Lesezeichen.

Catalina kannte keinen Schnee.