Dann war es das

Restbetrachtungen: Noch elf Werktage im Brotberuf zu absolvieren, zehn vor und einer nach Weihnachten. Noch zwei Sonntagskolumnen für die Lokalzeitung der Heimatstadt zu schreiben, eine für dieses, eine schon für das kommende Jahr. Noch etwa zehn, zwanzig Stunden in ein weiteres Projekt der erfreulichen und freiberuflichen Art zu stecken, vielleicht einige mehr oder weniger – und dann war es das.

Komisch, nicht wahr, das zähle ich in jedem Jahr irgendwann runter, und nicht nur ich mache das.

Ganz so, als sei dahinter etwas anderes als die Wiederholung der Übung zu erwarten. Der Kalender wirkt sich doch massiv auf die Wahrnehmung aus, und am Ende hat man das Jahr vermeintlich geschafft wie eine Fortbildung, auch wenn das inhaltlich noch so sehr Unsinn ist. Man hat nur einen Alltag gehabt, und man hat ihn vermutlich auch weiterhin. Nach jetzigem Kenntnisstand.

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Der Hamburger Freundeskreis Lyrik wird sich vielleicht für diese Veranstaltung zum Großmeister Rühmkorf interessieren. Man sieht sich.

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Auf meiner Suche nach vernünftiger Information in wilden, schlechten und immer unvernünftigeren Zeiten habe ich, keine bezahlte Werbung, nein, ein Probeabo der Blätter für deutsche und internationale Politik abgeschlossen. Und, was ich hervorragend finde, dieses Probeabo endet nach zwei Monaten einfach so. Man muss nichts weiter machen. Das ist mir sympathisch, das können andere Medien gerne nachmachen, warum gibt es das so selten?

Das erste Heft habe ich altmodisch in der Printversion auf dem Sofa gelesen, und ich bin zufrieden damit gewesen. Ich habe aus einigen Artikeln etwas gelernt, meine ich. Ich habe etwas mitgedacht und mir etwas vordenken lassen, das könnte etwas Bleibendes werden. Allerdings ist es, wie man sich vorstellen kann, keine Lektüre, welche die Stimmung hebt.

Das Heft passt jedenfalls zu meinem etwa diffusen, aber doch ausgeprägten Weiterbildungswillen, der mich ein wenig umtreibt und sich auch, ich berichtete, auf die klassische Musik bezieht. Von der habe ich aus den vorigen Jahrzehnten eine so geringe Kenntnis, dass ich mich, und das ist eine billig zu erreichende Freude, immer begeistern kann, wenn ich etwas ohne Hilfe erkenne, zuordnen kann, halbwegs einzuschätzen vermag.

Oder wenn ich Verbindungslinien zwischen musikalischen Bearbeitungen bemerke. und zwar allein, ohne sie vorgesagt zu bekommen.

Weswegen es mich gerade etwas streberhaft erfreut hat, dass ich die Linie zwischen Rachmaninoff (es gibt dummerweise mindestens drei Schreibweisen) und Eric Carmen bei einem Spaziergang gehört habe. Stehengeblieben, gegoogelt, und zack, Treffer. Ha! Sie wussten das vermutlich längst, vielleicht wussten es wieder alle längst, aber ich steige bei dem Thema gerade erst zu, mich muntert so etwas noch auf.

Also dieses gleich folgende und allseits bekannte Lied von Eric Carmen (er ist übrigens, wie die Söhne sagen würden, selbstverständlich auch schon tot, wenn auch erst seit kurzer Zeit) beruht auf einer Melodie-Inspiration aus dem darunter eingebetteten Klavierkonzert.

Zweifelsfrei mein Topcheckermoment der Woche. Und so viele habe ich davon gerade nicht, ich muss sie also ausgiebig feiern, pardon.

Und nun zum Vergleich die Quelle …

Zu und zu schön, nicht wahr.

Und apropos schön. Zum Beginn des Dezembers noch ein etwas entspannteres Lied zur Jahreszeit als gestern, und es kommt schon wieder der Herr Brahms vor, wie neulich. Mit dem habe ich es gerade.

Brahms Lullaby in der Christmas-Version von Nat King Cole. Kann man auch ruhig mal hören.

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Schäden am Mauerwerk, an Körpern, an Stimmungen

Zwischendurch habe ich zwei Tage der Migräne, der Schwäche, der Überlastung oder einem Infekt geopfert, was weiß ich. Jetzt wird es wieder eine Weile gehen müssen. Immerhin war ich nicht allein, die Familie fiel mit diversen Symptomen komplett aus, quasi Lazarettsituation. Und immerhin haben noch andere ähnliche Zustände. Die Kirche etwa, in der ich mit der Herzdame das Weihnachtsoratorium hören wollte, sie wird bis Februar geschlossen wegen akuter Schwäche im Mauerwerk. Ich lese die Meldungen dazu in den lokalen Medien mit tief empfundener Sympathie. Ich möchte bitte auch bis mindestens Februar komplett schließen und bis dahin von irgendwem sorgsam und fachkundig saniert werden.

Erst mit etwas Verzögerung kommt nach der Kenntnisnahme der Probleme bei mir die Frage auf, wie ich jetzt wohl das Geld für die Karten zurückbekomme, denn billig waren die nicht gerade. Eher im Gegenteil, derartige Hochkultur hat auch hohe Preise. Das ist nicht als Kritik gemeint, es wird schon alles berechtigt und auch klug berechnet sein, ich stelle nur fest.

Aber gut, das wird sich alles noch finden, das mit den Karten und dem Geld. Glaube ich jedenfalls. Und Glauben und Kirche, das passt dann ja wieder.

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Einen Begriff habe ich gestern zum ersten Mal gelesen, er klingt aber so, als könnte er in der nahen Zukunft öfter vorkommen: Bezahlter Klima-Urlaub.

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Frau Herzbruch aus professioneller Sicht über die so unsympathische Partei und ihren aktuellen Skandal.

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Gesehen: Wie schreibe ich einen Roman auf arte. Unterhaltsam ist das, auch wenn man keinen der Schreibenden kennt, die da auftreten. Und amüsant ist für mich immer wieder der Unterschied zwischen denen, die vor dem Schreiben sorgsam die Handlung plotten und es falsch finden, das nicht zu tun, und denen, die das nicht tun und oft eher abwegig finden. Zwei Welten in der Romanliteratur. Immerhin wird das Vorgehen in dieser Sendung nicht bewertet, weder in der einen noch der anderen Ausprägung. Es gibt daran auch nichts zu bewerten, nach meinem Verständnis.

Besonders schön fand ich eine Bemerkung von Caroline Wahl, die Schwierigkeiten damit hat, Stellen nach dem Schreiben wieder zu kürzen: „Es ist doch dann schon passiert!“

Dies ist, wenn der Hinweis gestattet ist, vermutlich etwas tiefgründiger, als man vielleicht zunächst denkt. Man könnte essaylange Ausführungen über das Verhältnis zwischen dem Schreiben und der Wirklichkeit an diesen Satz von ihr dranhängen, ich fand ihn gut und bemerkenswert.

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Gehört: Ein Zeitzeichen über Alice im Wunderland: Verträumter Nonsens statt Moralerziehung.

Außerdem gehört: Eine Folge Radiowissen über Winston Churchill und seinen Nobelpreis für Literatur.

Und schließlich gesehen, noch einmal Literatur: Diese Doku auf arte über Edgar Allen Poe. Bei 4:08 sieht man ein Bild von ihm, bei dem ich es doch etwas schade finde, dass Charles Aznavour ihn nicht in einem Film gespielt hat. Es hätte schon gut gepasst, verdammt gut gepasst.

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Wir haben ansonsten Weihnachten aus dem Keller geholt. Meine Begeisterung hält sich in engen Grenzen, ich hätte das alles auch gut zum Sperrmüll tragen können.

Vielleicht alles etwas schneller abwickeln, auch die Musik, dann haben wir es hinter uns.

Aber keine Sorge, ich finde vermutlich noch den Weg zu etwas gnädigerer Stimmung wieder zurück, doch, doch.

Im Bild der Hamburger Hafen und ein stabil aussehender Mülleimer.

Ein Mülleimer im Hamburger Hafen, auf dem Deckel steht "AfD hier rein!", im Hintergrund die Rickmer Rickmers.

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Weißt du noch

Der Guardian berichtet über die Kulturkürzungen in Berlin. Juli Zeh wird dort zitiert, mit einer Formulierung, die mich stört. Sie nennt die Kürzungen „politcally incredibly dumb.“ Ich halte sie eher für durchdacht und auf zerstörerische Wirkung ausgelegt. Die Absichten dahinter werden finster sein und ihre Folgen sind längst überall dort zu beobachten, wo Parteien mit Drall nach rechts Aufschwung haben, also nahezu weltweit. Sie richten sich immer gegen Kultur, Demokratieförderung etc. aus, es ist auch nur logisch.

Ich halte es jedenfalls nicht mehr für zielführend, dieses Vorgehen nur als „dumb“ zu bezeichnen. Es ist eine unzulässige Verniedlichung, es entspricht nicht dem Kenntnisstand.

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Neulich stand ich eine Weile vor einer dieser Werbe- und Infosäulen im Hauptbahnhof, auf denen bunte Anzeigenfilmchen und Tickermeldungen in endloser Wiederholung durchlaufen. Ich hatte einen Nachrichtensatz im Vorbeigehen nur halb gelesen und fragte mich, ob ich wohl, wenn ich kurz warten würde, auch die andere Hälfte noch lesen könnte, denn der Inhalt interessierte mich.

Ich weiß jetzt, dass es ziemlich lange dauert, bis ein Loop mit allen Inhalten voll durchgelaufen ist. So lange sogar, dass ich es nicht bis zum Ende abgewartet habe. Man fühlt sich doch etwas deppert, wenn man vor solchen Anzeigetafeln steht, also noch depperter als sonst.

Es scheint jedenfalls keinen dramatischen Mangel an Werbekunden zu geben.

Ich weiß nun auch, dass ich diese Werbung, die ich sonst nie bewusst zur Kenntnis nehme, nicht mehr in jedem Fall verstehe. Das wird zum Teil daran liegen, dass ich kein Fernsehen mitbekomme und also in mancher Beziehung nicht up to date bin, etwa keine oder kaum noch Promis erkenne, die anderen aus Serien, Shows etc. bestens bekannt sind. Auch einige Gesichter im Politikbetrieb sagen mir nichts, merke ich bei den Nachrichten. Sicher aber wird es auch daran liegen, dass ich aus den Zielgruppen rausgewachsen bin, dass ich als Kenntnisinhaber und Konsument nicht mehr vorgesehen bin.

Jedenfalls gab es mehrere bunte Bild-Text-Kombinationen mit Abkürzungen und Schlagwörtern, die sich mir nicht spontan erschlossen haben. Vielleicht ging es um einen neuen Sport-Streamingdienst, vielleicht um irgendwas mit Games, um neue Telefonprovider womöglich, um Mobilfunktarife oder um mir rätselhaft bleibende digitale Dienste oder dergleichen, keine Ahnung.

Markennamen und Kürzel, die mir fremd waren, also komplett fremd, irgendwelche Buchstaben eben. Diese Werbung war an mich sinnlos verschwendet. So geht es zu, wenn man die Zielgruppen hinter sich lässt. Ein wenig ist es wie beim Kontakt mit Fremdsprachen, bei denen man nur ungenügende Vokabelkenntnisse hat. So geht man in Japan durch eine Fußgängerzone, in der man nur ab und zu etwas versteht.

Vor einiger Zeit hatte ich schon einmal erwähnt, dass es mir auch mit Geschäften in der Innenstadt manchmal so geht. Es machen Läden auf, deren Namen und Logo ich nicht kenne, obwohl sie zu einer Kette gehören müssen, worauf schon die Größe des Ladens schließen lässt. Und es machen auch Läden auf, bei denen ich nach dem Blick ins Schaufenster nicht sofort verstehe, was sie verkaufen. Oder bei denen ich mich, wenn ich es denn verstanden habe, doch frage, ob das ernstgemeint sein kann.

Es ist ein wenig lustig, es ist ein wenig merkwürdig. Und wenn man nicht dauernd aufpasst, wird man schon wieder nostalgisch und denkt mit etwas Wehmut und aufsteigenden Erinnerungsbildern, dass da doch früher dieses andere Geschäft war, wo man damals den dicken Pullover …. Den gibt es längst nicht mehr, diesen Pullover, aber auf dem einen Foto trage ich ihn. Und er war gut, er war so gemütlich.

Weißt du noch.

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Im Bild ein Detail vom Aufbau des Winterdoms. Hanseatengarten, ja klar. So sieht das dann aus.

Ein Detail aus der etwas trostlos wirkenen Szenerie des Dom-Aufbaus, an einem Zaun ein buntes Plakat mit der Aufschrift "Hanseatengarten", darüber sieht man ein Segelboot, das irgendwo zu dekorativen Zwecken verarbeitet werden wird, daneben Parkplatzleere

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In den Untermenüs

Eine Anmerkung noch zum gestern verlinkten Filmchen mit dem Weihnachtsoratorium aus der Leipziger WG. Die Aufnahmen waren mehr als zehn Jahre alt, und wenn Sie einmal darauf achten, was die Musizierenden da für Kleidung tragen – das wirkt nicht deutlich gealtert. Die könnten uns durch die Bank heute noch so begegnen. Sie würden nicht weiter auffallen, man würde nicht irritiert und mehrfach hinsehen, was ist das jetzt, aus welcher Zeit kommt dieser Mensch denn.

Ich weiß nicht recht, was das aussagt, ob es überhaupt etwas aussagt. Aber ich weiß, dass ich mehrere Zeitpunkte aus der Vergangenheit, aus meiner erlebten Zeit benennen könnte, zu denen Menschen im Look von vor zehn Jahren verlässlicher aufgefallen wären. Die modische Distanz etwa von 1980 zu 1970 war markanter als die, auf die wir jetzt sehen, in der Rückschau auf die letzte Dekade. Auch die von 1970 zu 1960. Wobei ich in diesem Jahrzehnt nicht vollständig dabei war, aber doch genug Bilder und Filme aus der Zeit zu kennen meine.

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Ich höre immer noch die Lange Nacht über Puccini, ich brauche länger als sonst für so eine Sendung. Das liegt am überbordenden Alltag, an der Arbeit, an den Terminen. Zum Ausgleich und aus Trotz habe ich tatsächlich Karten für eine Hamburger Aufführung des Weihnachtsoratoriums besorgt. Leben im Widerstand, alles dennoch machen, man muss Übungen absolvieren für die kommenden, vermutlich schlechter werdenden Zeiten.

Man muss sein seelisches Überleben absichern, während das Bundesamt für Bevölkerungsschutz ich sehe es gerade auf dem Zweitbildschirm, und was ist das wieder für ein Zufall, schon einmal die Bunker durchzählen lässt.

Man muss, so sagt man doch, eine Einstellung finden. Ich bin gerade mit mehreren Themen konfrontiert, zu denen ich einigermaßen dringend eine Einstellung finden müsste. Auch abgesehen von den politischen, weltgeschichtlichen und großen Themen, man hat in der Regel noch mehr am Hals.

Moment, ich mache eben Musik an.


Das habe ich in letzter Zeit mehrfach gedacht, das mit der Einstellung, es wurde mir auch gesagt. Bzw. haben es sich Menschen aus meinem Umfeld und ich uns gegenseitig aufgesagt, dass wir jetzt aber wirklich einmal eine Einstellung finden müssten.

Vermutlich alle mit dem unausgesprochenen Protestgedanken im Hinterkopf: „Als ob das so leicht wäre!“

Ich finde doch oft nicht einmal die richtige Einstellung auf meinem Smartphone. Wie soll es mir da im Gehirn gelingen, das viel unübersichtlicher aufgebaut ist. Da gibt es dermaßen schlimm verschachtelte Untermenüs, also wenn man mit denen erst einmal anfängt.

„Wat’s wrong with me – oh, don’t open that door“, wie es Chandler Bing in der einen Folge sagte. Fans der Serie wissen sicher, welche Szene gemeint ist.

Eine Einstellung finden. Wo habe ich bloß den Stoizismus hingelegt, wer hat den fröhlichen Fatalismus verräumt, wieso ist die konstruktive Grundhaltung nicht mehr an ihrem Platz und neulich war die gute Laune noch genau dort, wo ich sie hingelegt hatte. Ich weiß, dass sie da war, ich habe sie mehrfach im Vorbeigehen gesehen.

Einstellungen besser immer da ablegen, wo man sie schnell wiederfindet, wenn man sie braucht. Wie Regenschirme und Handschuhe. Aber erst einmal: Weitersuchen.

Im Bild das Nikolaifleet im Nebel. Da findet man dann sogar Gebäude nicht sofort.

Das Nikolaifleet im Nebel

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Eine Meldung aus dem Reservat

Nach der erfolgreichen Abwicklung des Totensonntags können wir vermutlich auch nach eher konservativer Auslegung full christmas gehen. Die Weihnachtsmärkte werden es ebenfalls so halten und die dekorative Beleuchtung in den Städten wird ab heute sicher maximal eskaliert. Emotional erreicht mich das Thema Weihnachten mit fast keinem Aspekt, nur musikalisch finde ich wieder einiges nett und wärmend, mit Stücken aus verschiedenen Epochen und Stilrichtungen.

Daher erinnere ich schon einmal, denn es gibt immer welche, die in den Vorjahren gerade nicht hingesehen haben, an die vermutlich zugänglichste Weihnachtsoratoriums-Version, also an die mittlerweile 11 Jahre alte Leipziger WG-Aufnahme. Eine Freude, eine helle, nach wie vor und immer wieder. Ich verdanke dieser Aufnahme ein wenig, dass mir die klassische Musik überhaupt etwas näher kam. Sie stand da fast am Anfang von allem.

Um wieder einen Youtube-Kommentar zu zitieren:

„I’ve been watching this for years. What’s really striking other than the fact that it’s a beautiful interpretation and performance is that all of these people seem to be really nice and kind people who care about each other, aren’t in toxic competition with each other, and truly, deeply love the music. Performing this really is a „party“ for them.“

Bei der Gelegenheit bemerke ich einen interessanten Aspekt, der mir beim Sehen von Videos mit klassischer Musik in den letzten Wochen mehrfach aufgefallen ist: In den Kommentaren darunter findet man eine erstaunlich trollfreie Zone. Es herrschen dort Zustände, die an heute selig wirkenden Zeiten erinnern. Als noch nicht das ganze Internet und auch kein viel zu großer Teil des Offline-Alltags durch populistische und hasserfüllte, zerstörerische und verlogene Kommentare versaut waren. In einer Zeit, die man aus für mich nachvollziehbaren Gründen zunehmend nostalgisch verklären möchte

Man ist sich in diesen Kommentaren bezogen auf Werte und Bildungsaspekte noch weitgehend einig, man teilt eine Grundhaltung. So wird etwa die Ansicht, dass jemand wie Mozart recht gut komponieren konnte, allgemein abgenickt und nicht in jedem dritten Posting grundsätzlich in Frage gestellt. Von wegen der Trottel und Hurensohn konnte doch nichts und hat alles versaut.

Vielleicht noch grundsätzlicher, man ist sich auch einig, dass es Mozart tatsächlich gab.

Man stimmt auch darin überein, dass klassische Musik erstrebenswert als Kulturgut ist. Man mag also kollektiv etwas, ohne dass es andere lautstark, mit erheblichem Mitteilungsdrang und nervtötender Frequenz in aller Deutlichkeit hassen und abwerten. Der sonst so unübersehbare Trieb, etwas kleinkindhaft kaputtzumachen, er bricht sich hier nicht Bahn. Es wird auch nicht permanent verlangt, kulturelle Errungenschaften durch Rückschritte oder an dieser Stelle Abseitiges zu ersetzen. Noch steht also z.B. nicht unter jeder Aufnahme von Vivaldi oder Händel: „Wir wollen Schlager!“ oder „Hört Rammstein!“

Es ist eigentlich erstaunlich.

Dergleichen ist nicht mehr einfach zu finden, da das Trollhafte sich in kindischer Weise gegen alles Gute und Schöne richtet, selbstverständlich auch gegen alles Etablierte.

Bei dieser Musik wird sogar noch von den Kommentierenden begrüßt, dass die Musikerinnen und Musiker das lernen, was sie da tun, dass sie sich größte Mühe geben. Es wird ihnen nicht als lächerliche Zeitverschwendung und falsches Abbiegen ausgelegt. Es wird nicht als Schwachsinn bezeichnet, sich mit ihrem Thema abzugeben. Ihre Lernerfolge und Leistungen werden oft gewürdigt, sie werden gelobt und gefeiert.

Die eher seltenen kritischen Anmerkungen sind häufig von hoher Fachkompetenz gekennzeichnet. Ein französischer Organist merkt unter einem Orgelstück von Buxtehude etwas an. Ein anderer, aus einem noch ferneren Teil der Welt, antwortet etwas darauf, und sie tun es beide höflich, ja, höflich. Sie beziehen sich auf ihr Wissen und ihre reichen Erfahrungen, nicht auf ihre Affekte, auf ihre schlechte Laune und ihren Hass auf alles.

Schon schön, so etwas. Eine Art Reservat.

Man muss aber bei älterer Musik bleiben. Guckt man in der Gegenwart, etwa kurz bei Taylor Swift, braucht man nur ein paar Zeilen, um vermutlich Strafbares in den Anmerkungen zu finden.

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Was kann ich Ihnen heute noch anbieten. Ich habe diese Doku auf arte über Thomas Manns Zauberberg gesehen. Und beim Deutschlandfunk mit der Langen Nacht über Puccini angefangen. Von Puccini habe ich wieder wenig Ahnung, aber die Sendung ist dennoch interessant. Also gut gemacht, wie meistens in dieser Reihe.

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Ansonsten bin ich kurz an der Elbe gewesen und habe in der Winterjacke unsinnig geschwitzt bei plötzlichem Frühlingswetter. Vom Museumshafen ein Bild mitgebracht:

Dwer Museumshafen bei Övelgönne im Abendlicht, im Bildmittelpunkt der Eisbrecher Stettin, im Hintergrund Kräne

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Anmerkungen zum Totensonntag

Es ist Totensonntag, ich erreichte in dieser Woche passend einen Peak, einen Höhepunkt im Erwachsensein, im Ernstsein und in der saisonalen Anpassung.

Ernst und erwachsen: Wir haben nach reichlich Vorlauf und Bedenkzeit unser Testament notariell und hoffentlich kunstvoll geregelt. Ebenso, wo wir schon dabei waren, unsere Patientenverfügungen und was man für Ernstfälle aller Art so braucht. Also vielleicht braucht, irgendwann braucht, wer weiß wann braucht – aber eben mit gewisser Wahrscheinlichkeit braucht. Wie der Notar angenehm norddeutsch und arm an Pathos sagte: „Wir regeln jetzt also tot und halbtot.“

Es ist ein gutes Gefühl, dergleichen in eine verlässlich wirkende Ordnung gebracht zu haben, so dass man sich nicht mehr darum kümmern muss. Das gefällt mir außerordentlich, ich räume ohnehin gerne auf, und die Freude über dieses Ergebnis, sie fühlt sich paradoxerweise recht lebendig an.

Den Termin für die Unterzeichnung des Testaments habe ich nicht mit Absicht in die Woche vor den Totensonntag gelegt, aber merkwürdig korrekt kam es mir vor, als ich den Zusammenhang erst bemerkte.

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Ferner war ich gestern im Deutsche Requiem von Brahms, das im Hamburger Michel aufgeführt wurde, mit Erika Baikoff, Sopran, und Rafael Fingerlos, Bariton, als Solisten. Ich berichtete hier über die Planung und wie es dazu kam. Auch beim Kauf dieser Konzertkarte habe ich aber nicht weiter auf den Termin geachtet, ich verstand das Timing erst hinterher.

Im Bild sehen Sie hier nicht den Michel, im Bild sehen Sie St. Jacobi, ein passendes Detail an der Fassade.

Die Inschrift Memento Mori über einer Kirchentür, darüber Schädel im Halbrelief

Nach der Aufführung des Requiems, es wurde vorher darum gebeten, gab es keine Beifallsbezeugungen, das wurde als unpassend empfunden. Stattdessen erhoben sich Publikum, Chor, Orchester und Solisten und standen sich eine Weile stumm gegenüber. Ich bin Neuling bei Konzerten mit klassischer Musik, ich fange damit erst an, arbeite mich ein und kenne die Gepflogenheiten in Konzertsälen und Kirchen daher kaum, ich fand es beeindruckend und angenehm würdevoll.

Wie auch die Musik. Schwere Kost, wie der bekannte ukrainische Feuilletonist Klitschko es vielleicht formuliert hätte, aber es gefiel mir. Auch so, dass ich den Besuch im nächsten Jahr nach Möglichkeit wiederholen werde. Es ist ein Hamburger Traditionskonzert, ich reihe mich da ein. Zumal ich noch den freundlichen Service bieten kann, auch dort den Altersschnitt durch meine Anwesenheit dezent zu senken.

Die große Orgel im Hamburger Michel

Die nächste Eskalationsstufe wird wohl das Weihnachtsoratorium von Bach sein. Es ist einigermaßen naheliegend und ich möchte in Übung bleiben.

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Was passt noch, an diesem speziellen Sonntag. Vielleicht der Herr Kreisler:

„Das Beste ist: Ich weiß nicht, ob ich tot bin.
Das Leben scheint mir jedenfalls sehr lange her.
Ich glaub, dass ich in irgendeinem Boot bin,
und wenn ich’s lenke, lachen alle sehr.“

Ich mag diesen Einstieg.


„Die Welt ist weit, viel weiter, als ich geh‘n kann,
der Himmel nah und außerdem besonders blau.
Ich glaube kaum, dass irgendwas gescheh’n kann.
Was schon geschah, war auch nicht sehr genau.“

Oder, es geht moderner und vielleicht massenkompatibler, mit Eilen Jewell und ihrem Song Rain, der ist auch in besonderer Weise dran:


“There’s only one constant in this whole world
And that’s nothin‘ ever stays the same
Someday my life will be over
And no one will remember my name

That’s all right, cause what’s in a name?
And who needs another one to memorize anyway?
Make no fuss over my grave
Just plant somethin‘ pretty and call it a day.”

Ja. Das kann man heute doch entspannt beim Kochen mitsingen. Wofür ich mir gerade eine bessere Box mit deutlich mehr Wumms organisiert habe, damit ich die Küche besser mit trauriger Musik beschallen kann, während meine Laune steigt, weil ich den Monat und die Jahreszeit nun einmal mag. So wie sie sind und mit allem.

Schließlich eine Instagram-Empfehlung, Cemetery Wildlife. Mit selten schönen Krähenbildern, man kann ein wenig neidisch werden. Aber der Neid, für kenntnisreiche Menschen aus dem katholischen Spektrum Invidia, er galt früher als Todsünde. Da lieber Abstand von nehmen.

Die sieben Todsünden kennzeichnen übrigens populistische Politikerinnen, Politiker und ihre zahllosen Skandale treffend, recht eindeutig sogar. Aber das nur am Rande.

Hier noch die alten Kreuze vor der Kirche im Heimatdorf der Herzdame.

Altes, etwas eingesunkenem, schräg stehende Grabmäler und Kreuze auf einem nebligen Kirchof

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Westwärts

Von Hamburg aus sind wir kurz nach Bremen gefahren, zu einem Termin, in dem es unter anderem auch um Lübeck ging. Westdeutsch-hanseatischer kann es also kaum zugehen, und die Züge hin und zurück, man schreibt es heute mit großer Erleichterung, sie waren pünktlich.

Was man allerdings so nicht mehr antizipiert, weswegen die Herzdame und ich deutlich zu früh losgefahren sind. Früher jedenfalls hätte man viel zu früh gesagt, heute muss man vielleicht etwas wie bahnfrüh sagen. Also so früh, dass ruhig einiges passieren kann. Dass etwas ausfallen kann, sich verzögern kann etc., ohne dass man nervlich und organisatorisch sofort ans Limit gerät. Es waren an diesem Tag auch zwei, drei Schneeflocken in der Luft, da ist man in Norddeutschland im Verkehr schnell komplett überfordert, weswegen mir die Autobahn auch nicht wie eine günstige Alternative vorkam.

Wir waren dann also in Bremen und standen etwas dumm herum. Aber es hätte ärgerliche Folgen gehabt, nicht pünktlich beim Termin zu sein, daher die seltsam anmutende Planung mit barocken Pufferzeiten, wie sie auch bei Geschäftsreisen jetzt üblich werden. Wir gingen in der Wartezeit in einen Coffeeshop, den es auch in Hamburg gibt. Wir guckten von da aus auf Geschäfte, die es auch in Hamburg gibt. Innerdeutsche Städtereisen sind auf diese Art auch nicht immer ein Erlebnis-Highlight der besonderen Art.

Bremen ist kalt und nass, weiß ich jetzt und werde es so in Erinnerung behalten, da hat die Stadt ein wenig Pech gehabt. Ich fühlte mich außerdem nicht wohl, ich war vermutlich schon wieder in einem Virenabwehrmodus, also mein Immunsystem. Dieses Gefühl kurz vor Fieber und Schüttelfrost, diese Ahnung, besser ins Bett zu gehören und die stündlich zunehmende Sicherheit, am nächsten Tag krank aufzuwachen. Das kann ich jetzt ebenfalls mit Bremen verbinden. Schlechtes Wetter, schlechter Zustand, schlechte Laune daher auch, also Bremen, nein, geh mir weg.

Wie es eben so ist, mit den zu kleinen Stichproben

Nur ein Foto habe ich dort gemacht, auf Reisen ist das eher ungewöhnlich bei mir. Aber ich hatte kalte Finger und ich sehe eh keine Motive, wenn ich den ganzen Tag und so ziemlich alles darin doof finde.

Blick auf eine alte Mühle in den Bremer Wallanlagen

Vielleicht werde ich in anderer Jahreszeit bei besserem Wetter noch einmal hinfahren und alle Eindrücke mit Annehmlichkeiten diverser Art überlagern. Eine kleine Fototour durch die Altstadt machen oder dergleichen, irgendwas besichtigen, in ein Museum gehen vielleicht. Da wird schon etwas gehen, ich bin fast sicher.

Also wenn es das Deutschlandticket dann noch gibt. Ach, immer die Skepsis bei allem, in diesen Zeiten.

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Zum Trost einfach mal Romy Schneider und Michel Piccoli italienisch singen lassen. Passend novembrig in der Stimmung.

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Ein Update der Gesprächseinstiegsmöglichkeiten

Vorweg ein herzlicher Dank für die Zusendung eines Schreibgeräts vom Wunschzettel, sehr fein! Es lag kein Zettel dabei, ich winke daher ebenso vage wie erfreut in die Runde.

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Eine neue Frage im Smalltalk fiel mir auf. Eine kleine Anpassung an neue Gegebenheiten, eine zeitgemäße Version des Gesprächseinstiegs: „Und, warst du schon krank?“

Ja, so kann man das fragen, während Virenwellen verschiedener Art durchs Land ziehen, durch Firmen, Schulen etc. Es geht nicht mehr um die Frage, ob man krank wird, so viel steht ohnehin fest, eine gewisse Spannung liegt nur im zeitlichen Faktor. Und wie gut es zu den Randbedingungen passen wird, wie schnell und folgenlos man bei dieser Runde damit durch sein wird, das natürlich auch.

Nächste Woche haben wir den Impftermin, fällt mir ein, Grippe und Corona. Für die Wahl dieses Termins habe ich vor Wochen verschiedene Artikel bemüht genau gelesen. Solche Artikel, die mir einigermaßen abgesichert und kompetent vorkamen. Ich dachte danach dennoch, dass die Empfehlungen nicht eindeutig seien und ich ebenso gut einen Dartpfeil auf den Wandkalender werfen könnte, um die richtige Woche für die Auffrischung des Impfschutzes zu erwischen.

Aber ich habe gar keinen Wandkalender, Signorina, fiel mir dann ein, und ich dachte es selbstredend mit starkem italienischem Akzent. Was Jüngere aber auch nicht mehr verstehen (1992 lief die Werbung zum Zitat im Fernsehen, falls Sie sich das gerade fragen).

Wir haben die Terminwahl für die Impfung weitgehend der ausführenden Praxis überlassen. Immer ist irgendwo etwas Glücksspiel im Leben, immer lässig dem Schicksal etwas Spielraum einräumen.

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Im Discounter fehlt die Hälfte des Personals, um noch kurz beim Thema zu bleiben. Die noch arbeitsfähigen Angestellten sagen es pausenlos auf, um der Kundschaft zu erklären, was alles nicht geht und warum es alles länger dauert. Also noch länger, denn es fehlt oft ein wenig Personal. Eine räumt gerade Obst und Gemüse ein, es kam eine Lieferung und sie steht allein vor einer Unmenge von Rollwagen mit frischer Ware und fängt also an, Palette um Palette. Sie hat etwas vor sich.

Eine Kundin tritt auf sie zu, tippt sie an und fragt, kein Scherz, ob sie das nicht alles etwas schneller machen könne. Sie würde noch einiges brauchen und überall diese Lücken in den Regalen, das ginge doch nicht, und sie zeigt mahnend auf die so ärgerlichen Leerstellen, also wirklich. Die Angestellte des Discounters wiederum zeigt wortlos auf die Menge der unausgepackten Ware, hebt die Schultern und fragt die Kundin bewundernswerterweise nicht, ob sie noch bei Verstand sei.

Was ist mit den Leuten.

An den Kassen die langen Schlangen, die Kunden pöbeln, fluchen, meckern, knurren, einige bemerkenswert enthemmt. Auch nach mehreren Jahren mit auffälligem Personalmangel noch, als sei das alles neu und gänzlich unerwartet. Und alles bekommen unweigerlich die ab, die noch arbeiten.

Ich stelle mir vor, dass die Pöbelnden nach dem Einkauf zu ihrem eigenen Arbeitsplatz gehen und dort ebenfalls angepflaumt werden, weil auch dort fast unweigerlich Kolleginnen und Kollegen fehlen und alles nicht so schnell geht … es ist ein Karussell der schlechten Laune und der Befindlichkeiten. Ein gut laufender Prozess zur weiteren Absenkung der kollektiven Stimmung.

Ich gehe zum Arzt, ein Vorsorgetermin. Nicht das übliche Männerding, an das man bei der Gelegenheit routinemäßig auch kurz erinnern kann. Schicken Sie ihren Partner da ruhig hin, falls Sie gerade einen zur Hand haben, der geht nicht freiwillig, wie es Statistiken nach wie vor belegen. Man hat aber auch noch andere Körperteile und also Lästigkeiten, die der regelmäßigen Wartung und Pflege bedürfen.

In der Praxis fehlt, man ahnt es bereits, etwa die Hälfte des Personals. Alles dauert heute etwas länger. Es wird einem auch gleich beim Hereinkommen aufgesagt und es überrascht nicht, man kennt diese Texte mittlerweile.

Neue Patienten werden in dieser Praxis nicht mehr aufgenommen, schon lange nicht mehr. Alles ist längst ausgelastet, wie bei so vielen fachärztlichen Praxen in dieser Stadt. Jemand kommt herein und bittet in deutlich fordernder Formulierung um Aufnahme und baldigen Termin. Er bellt eine Terminanforderung, so kann es man auch nennen. Es wird ihm erklärt, wie die Lage ist.

Der Mensch gibt sich damit nicht zufrieden. Auch er pöbelt herum, gut vergleichbar mit den Kunden in den Kassenschlangen der Geschäfte. Er beleidigt die Frau am Empfang der Praxis. Immer ausfälliger, immer gehässiger und persönlicher, es entgleist und reicht dann im weiteren Verlauf bis knapp vor den Anruf bei der Polizei.

Was ist mit den Leuten.

Und wieso sind diejenigen, die sich gar nicht mehr benehmen können, die sich besonders deutlich im Ton vergreifen und ein allzu offensichtliches Affektkontrollproblem haben, so oft Menschen, die etwa in meinem Alter sind, ein wenig älter vielleicht. Was stimmt ausgerechnet mit meiner Generation nicht, was lief oder läuft da falsch.

Das auf Tiktok, Instagram etc. bekannte Phänomen der durchknallenden Karen, das längst von dem anfangs zentralen Rassismus-Aspekt zu anderen Themen verallgemeinert worden ist und aus den USA in etliche andere Länder wanderte, es bezieht sich ebenfalls auf ungefähr meine Altersgruppe und etwas aufwärts, auf Boomer also in Deutschland.

Deutlich ältere Menschen schütteln stumm und indigniert die Köpfe, deutlich jüngere Menschen sehen und gehen gechillt weg. Die in meinem Alter werden beleidigend, laut und übergriffig. Sie werden etwas später gewiss angenehme Patientinnen in der Pflege etc., man kann es sich lebhaft vorstellen.

Aber es wird dann ohnehin nur die Hälfte des Personals für sie da sein, vielleicht auch ein Drittel nur, ein Viertel.

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Im Bild ohne jeden Zusammenhang ein Blick von der Fleetinsel in Richtung Hafen.

Alte Ziegelfassaden an Fleetufern, Blick von der Fleetinsel Richtung Hafen

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Vorfälle und Sicherheitshinweise

Nachdem ich gestern gerade beschrieben habe, wie ein Mann direkt vor mir nur knapp von einem Bus verfehlt wurde, ist ein anderer Mann, zeitlich und räumlich nur ein wenig weiter, tatsächlich vor einen Bus gelaufen. Lebensgefährlich verletzt. An einer Stelle, an der ich mit dem Auto nicht gerne vorbeifahre. Sie ist direkt vor dem Hauptbahnhof, wo viele Menschen in teils maximaler Verwirrung herumlaufen.

Diese Verwirrung ist teils reisebedingt, wie wir es vielleicht alle kennen, wenn man in fremden Städten gerade jede Peilung verliert und sich orientierungslos umsieht. Sie ist teils verursacht durch Drogen aller Art, manchmal sicher auch durch bloße Müdigkeit und auch, das darf man nicht unterschätzen, durch Dramen aller Art. Denn an Bahnhöfen finden auch Abschiede statt, um nur ein Beispiel zu nennen.

Wenn man oft in Bahnhöfen ist, so wie ich, sieht man im Laufe der Jahre enorm viele tränenreiche Szenen dort. Auch Abschiedsstreiteskalationen sowie Unglück aller Art, und ebenso das Gegenteil, Wiedersehensfreude etc. In und um einen großen Bahnhof herum gibt es ziemlich viel von allem, und eben auch Menschen, die für einen Moment vergessen, wie man eine Straße korrekt überquert.

Schrieb ich so.

Dann kam ich auf andere Themen, dann begegnete mir online wieder gute Musik und ich blieb einen Moment bei Jan Johannson hängen. Bei dem schwedischen Jazzpianisten, der ein paar Stücke hatte, die ich gerne immer wieder höre. Ich las dann noch etwas über ihn nach, er starb leider zu früh, und zwar, nun ja, durch einen Bus. Es ist manchmal doch etwas unheimlich hier, vor diesem Bildschirm.

Aber wie auch immer. Einige schöne, beruhigende Aufnahmen gibt es von ihm. Die aber vielleicht lieber nicht hören, wenn man gerade über die Straße geht, auch mal Sicherheitshinweise einbauen.


Und wo ich schon dabei bin. Wenn man mit guten Noise-Cancelling-Kopfhörern in großen Gebäuden, Bahnhöfen, Einkaufspassagen etc. herumläuft und konzentriert Musik hört, wundert man sich vielleicht, wenn es um einen herum bei dem einen Song noch rappelvoll ist, das übliche Rush-Hour-Gedränge der Großstadt, und beim nächsten Lied auf der Playlist dann aber auf einmal merkwürdig leer. Fast sonntäglich öde, und das mitten in der Woche.

Dann kann es sein, ich habe das für Sie vor einigen Tagen getestet, dass dieses Gebäude, das man da versonnen und in aller Dezenz schöne Melodien summend durchquert, gerade evakuiert wird. Was man aber nur versteht, wenn man mal kurz die Kopfhörer abnimmt.

Es wird nichts passiert sein, bei diesem wie auch immer gearteten Vorfall, es gab keine Meldung dazu in den Lokalnachrichten. Aber ich war doch etwas beeindruckt.

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Wie auch immer. Im Bild noch einmal die Rathausarkaden an einem Sonntagmorgen.

Die Rathausarkaden im Morgenlicht, auf der Brücke im Hintergrund die Weihnachtspavillons am Jungfernstieg

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Herbstlich stabil

Am Morgen sehe ich beim ersten Gang vor die Tür schon zerschlagene Glastüren bei einem Geschäft um die Ecke, ein offensichtlicher Tatort. Splitter auf dem Gehweg, umgestürztes Mobiliar im Laden. Polizisten, die Spuren sichern und telefonieren. Gleichzeitig von irgendwo Hilferufe und auch lauter werdende Halt!-Rufe, es ist immer irritierend, wenn das genau wie in einer Serie klingt. Das gibt es also alles wirklich.

Dann ein fliehender Mann, oder verfolgt er jemanden, in Krimis erkennt man das besser.

Jedenfalls rennt er derart blind über die Kreuzung, dass ihn der Bus nur um Millimeter verfehlt und bei Kontakt wohl zuverlässig umgebracht hätte. Das vorweggenommene Bild des Aufpralls entsteht in den Köpfen der Betrachtenden gruselig deutlich, sicher nicht nur bei mir. Aber der Mann rennt panisch weiter, auf die nächste Kreuzung zu, mit noch mehr Verkehr, das kann nicht gutgehen.

Ein paar Meter weiter bringt ein Polizist der besonders sportlichen und sprintstarken Art den Mann dann robust zu Boden. Viel Geschrei, von überall Sirenen, dazu Blaulichtgeflacker. Obdachlose wühlen sich in Hauseingängen aus Schlafsäcken und gucken irritiert in die Szene. Müde Menschen auf dem Weg zur Arbeit, To-Go-Becher in der Hand, stehen mit offenem Mund, nehmen doch einmal die Kopfhörer ab und sehen sich um, wo hier überall Action ist.

Ob die Fluchtszene inhaltlich mit der eingeschlagenen Tür in Verbindung zu bringen ist, das erfährt man allerdings nicht. Die Wirklichkeit lässt gerne Enden offen, das ist oft unbefriedigend.

Es íst auch mir jedenfalls manchmal ein wenig zu großstädtisch in unserem kleinen Bahnhofsviertel. Solche Szenen vor dem Frühstück sind doch eher unbekömmlich.

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Im Laufe des Tages gibt es in Hamburg einige wenig überzeugende nasse Flocken im Regen, zermatschtes Grau im freien Flug, eher unschön, von wegen Winterzauber. Während ein Sohn gerade für eine Deutscharbeit lernt, was eine Alliteration ist, schmilzt der Schnee schnell auf den Scheiben der Dachfenster über ihm, ein glasiges Geschmier.

Ich gehe meine Einkaufsrunde durch Varianten von Regen, von Niesel bis Platz und Sturz. Es ist alles im Programm, eine ansprechende Auswahl. Als ich bereits unangenehm durchnässt bin und der Regen doch noch einmal weiter aufgedreht wird, eine letzte Zugabe für heute, sorgt immerhin der Streamingdienst im Shuffle-Modus für eine geradezu humoristische Intervention und spielt mir Randy Newman vor: „I think it‘s going to rain today.“

Ja, ach was.

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Im musikalischen Bereich vermerken wir außerdem überrascht neue Musik von Franz Ferdinand, die Älteren erinnern sich. Das Stück klingt vertraut und entschieden damalig, aber warum nicht. Mit etwas Schwung in den Dienstag.

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Im Bild eine Bank in Planten un Blomen, ebenso herbstlich wie stabil.

Eine Bank in Planten un Blomen, es liegt Herbstlaub darauf und auf der Rückenlehmme steht groß: Antifa.

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