Unentwirrbarer Alltag

Montag, der 28. August. Am Sonntagnachmittag der erste Spaziergang nach dem für mich stets fürchterlichem Hochsommer bei endlich wieder akzeptabler Außentemperatur, bei 19 Grad. Ich gehe durch die Hafencity, in der schon wieder neue Gebäude wachsen. Ich finde dort nichts schön, ich finde nur alles sehr urban, ordentlich aufgestapelt und immerhin gut temperiert, aber auch das ist nicht nichts. Es gibt schlimmere Gegenden in dieser Stadt und es ist immerhin verlässlich menschenleer dort am Hafen, zwischen den Neubauten und Baustellen. Ich gehe daher eher beschwingt und genießend, geradezu federnd. Es ist mir eine große, eine wirklich große Freude, wenn ich Ende August draußen wieder atmen kann. Ich atme ab und zu ganz gerne.

Blick über einen Elbeseitenarm und die Hafencity an den Ufern

Menschen sitzen auf Bänken in der Hafencizy, neue Gebäude, Kräne am Horizont

Und ich weiß, es ist noch deutlich zu früh, aber ich rüste, kaum dass ich wieder zuhause bin, im Übermut meinen Kleiderschrank schon auf Herbst um. Ich finde es immer belebend, im Kleiderschrank die Saison zu wechseln. Wobei ich gar nicht so viel Kleidung besitze, dass es da viel zu wechseln gäbe, aber hinterher liegt dann jedenfalls alles immer sehr ordentlich, adrett und Naht auf Naht, ich liebe das. Dem inneren Spießer Raum geben, und sei es nur in einem Schrank.

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12 Grad am Montagmorgen, es ist zu und zu schön. Auf dem Land wäre es jetzt sicher noch ein wenig besser, mit etwas verwehendem Nebel über den Weiden und Gräben, mit zwei, drei Rehen am Waldrand und dunklen, reifen, taubenetzten Brombeeren am Weg, aber gut, man kann nicht alles haben. Und ich habe hier immerhin die Ringeltauben im Holunder auf dem Spielplatz unten, die Meisen in der Mirabelle daneben und die segelnden Möwen hoch über der Kirche. Na gut, und den lallenden Betrunkenen an der Straßenecke, den habe ich unweigerlich auch im Bild.

Am gestrigen Abend The Kominsky Method weitergesehen, während die Herzdame wieder zum Tanzen aus war. Die Serie wird allerdings in der dritten Staffel ohne Alan Larkin nicht besser. Aber nun mache ich es, wie die Herzdame es machen würde, ich gucke stoisch fertig. Auch hier ein späteres Update: Die Serie endet ausgesprochen nett und ich merke, mit so etwas rechne ich gar nicht. Wie überaus konventionell, eine Art Happy-End. Auch mal schön.

Ich habe beim Kochen (Lohikeittto) einen Historien-Podcast gehört, in dem es um einen Vorfall ging, den ich gründlich vergessen hatte, den Abschuss eines südkoreanischen Flugzeugs durch die Sowjetunion im Jahr 1983. Interessant darin die wiedergegebene Rede von Ronald Reagan, allein schon sein Tonfall – es fällt einem doch wieder ein, was man geschichtlich bereits alles mitgemacht und erfolgreich wieder verdrängt hat. Interessant aber auch der Zusammenhang des Vorfalls mit der allgemeinen Einführung von GPS, das war mir nicht klar.

Ansonsten unentwirrbarer Alltag, um Effizienz bemühtes Herumgewusel und nagende Unzufriedenheit mit fortschreitenden Verstrickungen, auch Staunen über neue Knoten und Schlingen im Gewirr der To-Do-Fäden.

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Auf den Wegen weiter den Lenz gehört, „Der Überläufer“, Burghart Klaußner liest das hervorragend, man ist sehr in den Szenen.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Menschenleer, neblig und verregnet

Sonntag, der 27. August. Ich werde um 4 Uhr 30 von der verrückten Nachbarin geweckt, sie hört „I will always love you“ von Whitney Houston in Stadtteilfestlautstärke. Und ich weiß, da es quartalsmäßig auftritt, dass dann bald wieder „Heal the world“ von Michael Jackson folgen wird, etwa zwanzigmal wird sie es im Laufe des Vormittags mindestens abspielen, dabei immer noch etwas lauter werdend. Heal the world, make it a better place. Meinetwegen könnte sie dabei gerne mit ihrem Auszug anfangen, for you and for me and the entire human race.

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Gestern habe ich mit der Herzdame noch zwei Folgen einer Krimiserie auf arte gesehen: „Trom – Tödliche Klippen.“ Das interessiert mich inhaltlich eher nicht, Krimis sind nicht mein Ding, aber es spielt auf den Färöer-Inseln, da kann ich also Kulissen und schöne Landschaften gucken. Und nebenbei auf dem Handy alles zur Inselgruppe nachlesen. Wer da aber in den Folgen wen warum umgebracht hat – mir doch egal. Das ist kein Werturteil, es hat mit der Qualität der Sendung nichts zu tun, es ist nur mein Geschmack, also kein Maßstab für überhaupt nichts, abgesehen von meiner Freizeitgestaltung. Vielleicht ist es sogar ein hervorragender Krimi, mir fehlen da generell auch die Kriterien und Vergleichsmöglichkeiten. Ich füge hier eben ein späteres Update ein, nachdem wir alle Folgen gesehen haben: Nein, es ist wohl eher kein guter Krimi, die Dialoge sind gegen Ende hin dermaßen deppert und aufgesetzt, hohl runtergeplappert, um dem Publikum nur bloß alle Informationen zu geben, das kann nicht gut sein. Es endet zudem mit einem Cliff-Hanger, und es wurden dann allerdings keine weiteren Folgen gedreht, wie fatal ist das denn.

Aber die Straßen, die da durch die menschenleeren, nebligen oder verregneten Landschaften führen, die könnte ich mir stundenlang ansehen, die sind grandios. Da könnte man kaum entlangfahren, ohne pausenlos „Gott, ist das großartig“ zu brüllen.

Auf den Inseln da oben wird es gar nicht richtig kalt, dort liegt auch kaum jemals Schnee, das wusste ich nicht. An Tagen in zu warmer Dachwohnung wirkt das Wetter dort jedenfalls nicht unattraktiv auf mich. Es hat für den Freundeskreis 12 Grad ganzjährig viel zu bieten.

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Nebenbei sehe ich, dass die Ringeltaube, die ich vermutlich im Plural bezeichnen sollte, aber für mich ist es einfach immer derselbe Vogel, nach mehreren Monaten der intensiven Konkurrenzbeobachtung tatsächlich gelernt hat, mit den Erdnüssen auf dem Balkon umzugehen. Also im Rahmen ihrer Möglichkeiten, versteht sich, es haftet ihren Bemühungen dabei stets etwas Trampeliges, Clowneskes an. Aber sie hat es jetzt jedenfalls raus, die Erdnüsse aus dem kleinen Blumentopf, in den ich sie jeden Morgen lege, auf den Balkonboden zu werfen und die Schalen dort dann zu zerhacken, was wohl keine leichte Arbeit für sie ist. Sie braucht lange dafür und von gezielter Aktion kann kaum die Rede sein, sie rät wohl mehr, was da zu tun ist und sieht dabei aus, als würde sie sich fortwährend über positive Arbeitsergebnisse wundern. Es ist auch eng auf dem Balkonboden, zwischen den Stuhl- und Tischbeinen und den Blumentöpfen und Pflanzenständern, sie hat nicht genug Bewegungsfreiheit da unten für einen doch so stattlichen Vogel, und sie rempelt daher unentwegt alles an, es scheppert, es lärmt. Wir haben einen Flatterpoltergeist vor dem Fenster, es rumort und randaliert dort. Wenn ich nachsehen gehe und die Balkontür öffne, hat die Taube nicht genug Zeit, aus der arg eingeengten Lage herauszukommen und rechtzeitig vor mir zu fliehen, sie sitzt dann da kurz erstarrt unter dem Tisch auf ihren hart erwirtschafteten Erdnusstrümmern, sieht konsterniert zu mir hoch und hat dabei einen Gesichtsausdruck, als würde sie jeden Moment im Tonfall von Miss Piggy „Mon Dieu!“ rufen.

Die Kohlmeisen, die sich solche Szenen vom Dach aus mitansehen, lachen hysterisch. Hast du gesehen, die Taubentrulla wieder.

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Ein Dorf verschwindet im tauenden Permafrost

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Zur Kenntnis genommen

Sonnabend, der 26. August. Morgens emsige Textarbeit, solange der Rest der Familie und überhaupt der Stadt noch schläft.

Nach dem aus meiner Sicht stets späten Familienfrühstück gehe ich in die Innenstadt, um Hosen zu kaufen, die mir online entschieden zu schwierig zu erwerben sind, ich scheine eine Spezialfigur zu haben, keiner Norm genügend. Ich gehe in eines dieser darbenden Kaufhäuser und stelle wieder und nur äußerst ungern fest, dass sie auch einfach keine Kunden haben wollen, es sind schier unbegreifliche Erfahrungen, die man dort macht. Die Verkäufer verweisen bei Fragen auf jeweils andere Verkäufer, weil angeblich nur der andere etwas im System nachsehen kann, wenn es um Lagerbestände, Größen und Farben geht. Was ich mir zwar nicht vorstellen kann, aber wenn es so sein sollte … meine Güte, gar nicht erst darüber nachdenken.

Wie aber kommt man heute zu Hosen, wenn man nicht -zig Retouren produzieren möchte und Kaufhäuser eher ungastlich findet, es ist mir allmählich ein Rätsel. Ich googele Maßschneider, ich staune dann kurz über die Preise. Ich denke lieber noch weiter nach und trage alte Hosen auf, sie werden schon noch Weile reichen, verschlissen wir ihr Besitzer.

Ich fahre später in den Garten, in dem die Herzdame und Sohn II schon sind. Ich bringe ihnen Kuchen mit, es wird höchste Zeit für die Pflaumensaison. Der Kuchen gibt sich fotogen im Gras, er ist allerdings nennenswert zu sauer, in den Früchten keine ruhig gereifte Sommersüße. Wir essen ihn dennoch tapfer mit eskalierender Mimik und haben das jetzt also abgehakt, wenn auch nicht allzu freudig. Aber falls der Herbst allzu hastig über uns hereinbrechen sollte, meinetwegen. Ich habe die letzte Sommerpflicht heute erledigt. Been there, done that, ich habe keine sommerlichen To-Dos mehr.

Ein Teller mit Pflaumenkuchen, auf Rasen abgestellt

Ich höre auf meinen Wegen den Podcast Die Lage der Nation, in der in zweifelsfreier Deutlichkeit festgestellt wird: „Der Bundeskanzler lügt die Menschen an.“ Nichts an dieser Folge könnte die Laune heben, aber man will ja halbwegs informiert sein.

Es ist manchmal ein harter Job, alles zur Kenntnis zu nehmen.

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Dies und jenes anprangern

Freitag, der 25. August. Die Kaltmamsell und auch andere hatten es bereits verlinkt, aber ich wiederhole es, weil es wirklich interessant ist, das Interview mit Elisabeth Bronfen. Halten wir in der Gesellschaft Ambivalenzen schlechter aus, weil wir weniger Zeit haben oder weniger Zeit auch nur zum Denken aufzuwenden bereit sind? Das sind schon Gedanken, die man weiterführen kann, nicht wahr.

Mit meiner Annahme, dass die unblogbaren Probleme mit dem nahenden September wieder die Lage dominieren würden, lag ich dummerweise richtig, obwohl wir nach Kräften alles tun, es nicht zu einer self-fulfilling prophecy werden zu lassen, wir sind da nämlich so weit aufgeklärt. Herrje. Ein schlechter, ein sehr schlechter Tag. Alles mühsam veratmen.

Der versprochene Regen kommt ansonsten nicht, die gründliche Abkühlung kommt auch nicht, nicht einmal die Wolken kommen. Ich stehe am frühen Morgen auf dem Balkon und hadere mit allem, ich prangere dies und jenes an, aber wenigstens mache ich das leise. Es gibt genug andere Verrückte, die hier den ganzen Tag laut brabbelnd und mit dem Schicksal verbal ringend durch den Stadtteil laufen, viel zu viele gibt es davon, zu denen möchte ich freiwillig nicht gehören.

Kathrin Passig über Blogs:

Wir lesen Blogs nicht mehr so wissentlich wie vor 15 Jahren, „ich rufe diese Seite in meinem Browser auf“ oder „ich abonniere diesen Blog“. („Abonnieren“ bestand darin, dass man den Blog in den eigenen Feedreader aufnahm, aber Feedreader sind so erklärungsbedürftig geworden wie Wählscheibentelefone.) Ein Großteil von dem, was wir in unsere Social-Media-Timelines gespült bekommen, sind technisch gesehen in Blogs erschienene Beiträge. Aber wenn wir anderen davon erzählen, sagen wir nicht „stand im Nachtleuchtende-Grottenolme-Blog“, sondern wahrscheinlich nur „hab ich irgendwo gelesen, find ich jetzt nicht wieder“. Das Kassenbon-Textformat hat sich so flächendeckend durchgesetzt, dass es unsichtbar geworden ist.

Man möchte sich ja boomerhafte Sätze, die mit „Man …“ beginnen, gerne verkneifen, aber dass die Menschheit Feedreader mehrheitlich nicht verstanden hat – man kann einfach nicht aufhören, sich darüber zu wundern, nicht wahr, wenn man die Hochphase dieser unfassbar nützlichen Tools erlebt hat.

Aber gut, ich fühle mich bei dieser Feststellung mittlerweile auch schon wie jemand, der immer noch ein Wählscheibentelefon hat und nicht aufhört, dessen Vorzüge zu preisen.

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Knick und Kapitelende

Donnerstag, der 24. August. Schulanfang. Einer geht nun in die zehnte Klasse, wie fortgeschritten klingt das denn, einer geht in die achte Klasse. Morgens wieder knurrende, murrende Kinder, die unmotiviert im Weg herumlungern, aber danach, wenn sie dann weg sind, gibt es hier zwei freie Schreibtische zur Auswahl. Es hat also auch etwas Gutes. Okay, nur für mich. Aber immerhin.

Ich sehe auf Mastodon jetzt häufig Meldungen zu Bluesky, es werden dort Parallel-Accounts eingerichtet, es gibt wohl auch eine Abwanderungsbewegung dorthin. Ich habe da bisher keinen Account, das stellt für mich eine Neuerung dar. Früher, und dieses früher ist nicht allzu lange her, wäre ich vor Neugier schier eingegangen, heute warte ich das alles entspannt ab. Vielleicht sehe ich es mir einmal an, um zu wissen, worüber sie da alle reden, vielleicht mache ich das aber auch nicht. Kommste heut nicht, kommste morgen, meine Güte, was bin ich gelassen, so kenne ich mich gar nicht. Es hat doch etwas, dergleichen etwas ruhiger zu betrachten. Und das ist hier zwar nur eine persönliche Anmerkung, sie lässt sich aber vermutlich mühelos in den kulturhistorischen Kontext einfügen – die große Zeit der sozialen Medien ist mit einiger Sicherheit vorüber. Wie überhaupt das Internet, wie wir es kannten, so nicht mehr existiert, man wird später diese Phase, in der Twitter einging und gleichzeitig die AI auftauchte und alle Suchergebnisse zuverlässig komplett vermüllte, mühelos als Knick ausmachen können, als ein Kapitelende. Der Rest ist Nostalgie, Opa erzählt von Twitter und Google.

Es ist ansonsten auch der erste Morgen mit kühlerer, dunklerer Anmutung. Ich stelle es mit großer Zufriedenheit fest und weiß recht sicher, ich werde erst wieder Mitte Januar endgültig genervt vom Wetter sein. Bis dahin wird mein weitgehendes Einverständnis mit der Jahreszeit, dem Regen und der Temperatur etwa reichen, so zumindest der Erfahrungswert, und tatsächlich ist meine Zufriedenheit über die Stimmung dieses Morgens so groß, ich könnte sie auch unter der alten Rubrik „Was schön war“ verbuchen.

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Hier ohne jeden Zusammenhang eine Aufzählung, welche europäische Stadt wie oft in der Literatur seit 1920 vorkommt. Überraschend fand ich darin nur Porto. Na, vielleicht auch Brüssel.

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Und es kam tatsächlich noch einmal Geschenkpost, ich danke herzlich für das Treibhaus vom ollen Koeppen. Sehr schön!

 

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Im Bild ein Hausboot auf der Bille, gegenüber der Billerhuder Insel.

Ein lilafarbenes Hausboot auf der Bille

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Währenddessen in den Blogs

Ein Verriss zu John Irving, der sich nachvollziehbar liest. Wobei ich ihn schon sehr lange nicht mehr gelesen habe, ich bin eher der Hotel-New-Hampshire-Nostalgiker. Das wird mir bleiben und auf eine Art ewig nachklingen, das war damals ein gutes Leseerlebnis. Selbst wenn das Buch nicht gut war, ich würde es gar nicht wissen wollen.

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Gröner über Turner

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Die Kaltmamsell über den Familienpfiff. Einen solchen gab es bei uns auch, ich könnte ihn allerdings nicht fachgerecht beschreiben und die Erinnerung daran ist mir auch eher unangenehm. Er wurde von meiner Mutter rege eingesetzt, etwa am Strand. In meiner eigenen Familie habe ich nichts dergleichen eingeführt, es pfeift auch im Umfeld niemand nach seinen Kindern. Nein, wirklich niemand, auch nach längerem Nachdenken fällt mir kein Beispiel dafür ein, ich höre dergleichen auch nicht vom Spielplatz unten vor der Tür. In der Firma hat mich vor vielen, vielen Jahren einmal eine Kollegin darauf hingewiesen, dass man ja immer wisse, wo ich sei, wegen dieser dauernd gepfiffenen Melodie … ich wusste gar nicht, was sie meinte, ich pfiff das sozusagen nicht mit klarer Absicht, es war so eine verinnerlichte Selbstverständlichkeit für mich, beim Gehen machte ich das eben. Die Titelmelodie von Pippi Langstrumpf war es, und ich habe sie von dieser Stunde an nicht mehr gepfiffen. Glaube ich jedenfalls.

Und auch herzliche Glückwünsche nach München, ins andere Bahnhofsviertel, das Blog der Kaltmamsell wird 20.

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Weitere Links wieder bei Kiki

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Ah, what the hell

Mittwoch, der 23. August. Für mich ein Tag, um anlassbezogen mit Paul Simon zu singen:

“Yesterday it was my birthday

I hung one more year on the line

I should be depressed

My life’s a mess

But I’m having a good time

I’ve been loving and loving And loving

I’m exhausted from loving so well

I should go to bed

But a voice in my head Says „Ah, what the hell.“

Er hat viele gute Lieder geschrieben, keine Frage.

Heute Office-Office, die Wege sind mir allerdings zu warm, all die verschwitzten, klebrigen, tropfenden Menschen in den S-Bahnen, mich eingeschlossen. Die Luft in der Stadtmitte riecht dumpf nach Sauerstoffmangel und später am Tag auch ein wenig nach Gewitter, aber es kommt nichts, noch lange nicht, es dräut nur mit etwas abgetönten Wolken.

In den sozialen Medien sehe ich das erste Lebkuchenbild, nein, es sind Dominosteine, wie erwartbar war das denn.

Nach der Arbeit komatöser Mittagsschlaf auf dem viel zu warmen Bett. Zerschlagen wieder aufgewacht wie nach einer OP mit Vollnarkose, ein absolut grausiges Gefühl. Sinnlos Kaffee in mich eingefüllt, dem Kreislauf war nicht mehr zu helfen. In der viel zu heißen Küche gekocht, Rahmspinat mit Kartoffelbrei und Spiegelei, Familienküche der schlichten Art. Eine Wespe stürzte sich dabei in die brutzelnden Eier, ein zielstrebiges Kamikaze-Insekt war das, in schnurgerader Linie vom Fenster zur Pfanne. Das tote Tier aus dem Essen gefischt, den Sommer gründlich sattgehabt.

Es kam schon die erste Schulmail, die Einladung zum Elternabend in der nächsten Woche, here we go again. Ich lese die Mail, ich notiere den Termin, ich klappe das Notebook zu. Ich gehe Schulbrotzutaten kaufen, da war ja was. Die Herzdame sucht schon einmal die unterschriebenen Zeugniskopien raus, die dann am ersten Schultag gegen die Originale getauscht werden. Rituale.

Es kommt Geschenkpost, der leider kein Zettel beiliegt, es ist ein Buch: „Der Trost der Schönheit“ von Gabriele von Arnim. Ganz herzlichen Dank!

Auf den Wegen gehört: Der Überläufer vom Lenz, gelesen von Burghart Klaußner.

Gelesen auch noch einige Seiten im Stoner, ich finde es weiterhin hervorragend.

Abends dann weiter mit der Herzdame die Transatlantik-Serie gesehen, ohne rechte Begeisterung. Aber sie sieht zu Ende, was sie angefangen hat, denn die Herzdame ist im Gegensatz zu mir ein Mensch mit Zielstrebigkeit und Konsequenz, und ich mache diesmal mit, es ist immerhin auch Zeit zu zweit.

Prigoschin stirbt außerdem vermutlich, sein Flugzeug wurde wohl abgeschossen, nichts Genaues weiß man nicht. Auf Mastodon lese ich routinierte und sehr zynische Kalauer dazu, wie auch die ebenso routinierten Hinweise, dass man über so etwas aber keine Kalauer machen dürfe. Man kennt das, auch das sind Rituale.

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Mittlere Menschlichkeit

Dienstag, der 22. August. Ich werde 57, guck an, und ich werde gleich mehrmals am Tag etwas uncharmant darauf hingewiesen, dass das aber nicht mehr allzu jung klinge. Als ob es mir entgangen sein könnte.

The body stiffens, tires and aches
In its wrinkled, blotchy skin
With each decade, more camouflage
For the wild eyed child within

Peter Gabriel, So much, ein schöner Text ist das.

Er hat es trotz der melancholischen Melodie als positives Lied gemeint, lese ich nach, man darf also vermutlich entspannt mitsummen, und das mache ich dann auch.

Ansonsten Office-Office. Wieder eine Verabschiedung in die Rente, wieder das Nachrechnen, wie lange man sich kannte. Dreißig Jahre und mehr, weißt du noch, weißt du noch, wir damals in dieser so anderen Welt.

Am Nachmittag fahre ich mit der Herzdame in den Garten. Ich ernte die Aroniabeeren, was ich noch nie gemacht habe. Aber die von uns gepflanzten Büsche hängen in diesem Jahr erstmals dermaßen voll, es sind so überaus prächtige, dicke, verlockend aussehende Früchte – mal sehen, wie das mit dem Trocknen im Backofen klappt. Ich könnte sie dann im Winter ins Müsli werfen und immer „Superfood“ beim Kauen denken, denn Aroniabeeren sind überaus gesund. Allerdings esse ich normalerweise kein Müsli, schon wieder so ein Problem. Irgendwas ist eben immer.

Dank übrigens, ich habe vergessen, an wen er korrekt zu richten wäre, für die Empfehlung von „Stoner“ von John Williams, es ist wirklich ein hervorragender Roman. Lange bin ich nicht mehr so gerne an den ersten fünfzig Seiten drangeblieben und er hält mich unerwartet sogar von den bereitliegenden Bukowski-Briefen ab. Aber Leseleidenschaften muss man immer mitnehmen, wo auch immer man sich gerade festliest, da ist man richtig, alte Regel. In der Wikipedia wird Ulrich Greiner zum Buch zitiert: „Wir begreifen: Man kann das Leben nur leben, so gut es eben geht. Wirklich verstehen kann man es nicht. Vielleicht ist das die größte Stärke dieses bewegenden Buches: dass es seinen Helden nicht durchschaut, nicht zurechtdefiniert. Es stellt ihn in all seinen Stärken und Schwächen, in all seiner mittleren Menschlichkeit vor uns hin und sagt: Seht, euer Bruder!“

Das hat er gut gesagt, der Herr Greiner, so sollten wir unsere Taten wohl öfter sehen, das ist doch denkbar entspanntes Erwartungsmanagement: Was auch immer wir machen, es sind vermutlich alles bestenfalls Akte mittlerer Menschlichkeit. Ein beruhigender Gedanke.

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Knietief in der Woche

Montag, der 21. August. Die Wälder brennen weiter in Kanada, auf Teneriffa und in Griechenland, der Sturm Hillary landet in Mexico und Kalifornien und bringt dort Rekordregenmengen. Über der Schweiz steigt die Null-Grad-Grenze in unglaubwürdige Höhen, 5.300 Meter muss der Wetterballon hoch, damit es endlich kalt wird, null Grad.

Und sonst so? Barbenheimer-style gatherings blamed for Covid rise in Germany.

Ich sehe außerdem das Wort “Taupunkt” mittlerweile dermaßen häufig in den Meldungen zum Wetter, ich lese es endlich doch einmal nach, was es damit auf sich hat, auch wenn die eben verlinkte Wikipedia-Seite äußerst unangenehm nach Physiklehrbuch aussieht. Ich checke den Wert, ab dem es offiziell für den Durchschnittsmenschen unangenehm wird, im aktuellen Wetterbericht und leide ab jetzt viel berechtigter und wissender, mit Kennzahl dran und allem, das ist auch ein gewisser Fortschritt. Auf Mastodon wird sofort die Feuchtkugeltemperatur ergänzt – immer muss man noch weiter lernen.

Ansonsten Home-Office. Man dreht sich am Montagmorgen kurz um und steckt schon wieder knietief in der Woche, man macht eine Mail auf und es ist Montagmittag, schön ist das alles nicht.

Auf Spotify finde ich immerhin nebenbei Paté de Fuá, das ist eine mexikanische Gruppe, mit für uns sommerlich-südlich klingender Musik, schön passend zu den vorerst letzten Sonnentagen, es sind angenehme Augustrestmelodien. Ich höre mich durch das Best of und finde ungewöhnlich viele Titel speicherbar. Ich verstehe selbstverständlich kein Wort von den Texten, aber das ist mir recht, sonst könnte ich beim Hören auch nicht arbeiten. Italienisch, Spanisch und Portugiesisch also bloß nicht lernen, ich brauche manchmal solche Musik, an der ich sprachlich nicht hängenbleibe.

Auf die Gruppe gekommen war ich über Playlists der etwas obskuren Musikrichtung Dark Cabaret. Die dazugehörigen Songs klingen streckenweise wie der Soundtrack zum Blog des Herrn Kid37, und es sind auch dabei interessante Spezialitäten zu finden. Etwa diese hier, Evelyn Evelyn:

Das ist eine charmante und empfehlenswerte Freizeitbeschäftigung, in die Verästelungen der Musikgenres tiefer und noch tiefer hinabzusteigen, bis es immer seltsamer klingt. Man kann sich etwas länger damit beschäftigen, man schmutzt dabei nicht, man ist auch anderen Menschen nicht im Weg und man braucht kaum Ausrüstung dafür, es ist eine empfehlenswerte Angelegenheit, will mir scheinen. Abgesehen von den bekannten Nachteilen, die Streamingdienste nun einmal haben.

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Offen für Veränderungen

Sonntag, der 20. August. Waldbrände in Kanada, auf Teneriffa und in Griechenland, Überflutungswarnungen in Kalifornien im Tagesprogramm. Mir kommt es gerade passend vor, das fortlaufend zu notieren, denn das Hintergrundgeräusch der Zeit, auf jeden Fall dieses Sommers, es ist nun einmal die Unwetterwarnung, der Katastrophenbericht.

Die Reihe der sommerlichen Großveranstaltungen und Belästigungen ist doch noch nicht durch, heute finden hier die Cyclassics statt, das große Radrennen, lauter Leute in Lycraleibchen. Also steht wieder stundenlang der Hubschrauber überm Haus wie an den Himmel gepinnt, und ich müsste gerade etwas lauter tippen, um das nervtötende Dauerbrummen zu übertönen. Es scheint mir heute etwas zu warm für Sport zu sein, aber bitte, man kann das wohl anders sehen.

Auf Instagram und Tiktok sehe ich eine zunehmende Verherbstung der algorithmisch vorgeschlagenen Bilder und Filmchen. Es wird dort schon wieder Zeit für Dark Acadamia, Chopin am Klavier und Edinburgher Altstadtszenen im Regen. Okay, meinetwegen, der Sommer war sehr groß etc. etc., mir ist eh alles zu heiß und zu drückend, das kann jetzt abgeräumt werden. Ich bin offen für Veränderungen, sofern sie eine Abkühlung und eine Belebung des Kreislaufs mit sich bringen.

Vereinzelt auftauchende Christmas-Vibes in den Videos sind mir aber doch etwas zu früh, wir wollen nicht übertreiben. Ich habe in dieser Saison noch nicht einmal Pflaumenkuchen gegessen, und ich bin da konservativ.

Aud Mastodon werden die Auswanderungsmöglichkeiten ergänzt, sehe ich, neben Irland, Neuseeland, Dänemark und dem inneren Biedermeier werden nun auch Belgien und die Schweiz genannt. Wobei Dänemark weiterhin vor Neuseeland führt. Und ja, ich zähle mit.

Am Nachmittag will ein Sohn das Grillen erlernen, wir zelebrieren daher eine Lehrmahlzeit im Garten, wobei wir alle vier gleichzeitig dort sind und gemeinsam vor der Laube essen, das kam lange nicht vor und ist vielleicht sogar das erste Mal in diesem Jahr. Denn so geht es zu mit Teenagern. Ich sehe im Wetterbericht, dass der Somme gegen Ende der Woche vermutlich erst einmal eingestellt wird, vielleicht wird es für so etwas keine weitere Gelegenheit mehr geben.

Ein ausgesprochen netter Nachmittag ist das jedenfalls, und insgesamt war es verdächtigerweise schon das zweite recht gelungene Wochenende in Folge. Die Skepsis steigt.

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