Währenddessen in den Blogs

Ich habe für das Goethe-Institut eine neue Monatskolumne geschrieben. Etwas deprimierend, zugegeben, aber die Lage eskaliert bezogen auf die beschriebenen Zustände hier in diesen Monaten in furchtbarer Geschwindigkeit.

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Eine wichtige Ergänzung zum in der letzten Ausgabe verlinkten Text zum Thema Kirchenasyl.

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Frau Büüsker über die Diskussionen zum Klimawandel

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Heiko über die imaginäre Zukunft des gewendeten Verkehrs. Auf Mastodon machte er mich außerdem auf Napflix aufmerksam, die Plattform für einschläfernde Videos. Fand ich schön.

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Die Kaltmamsell über kleine Kulturunterschiede beim Kaffee und mit einer treffenden Anmerkung zu Ballspielen.

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Nehmen wir es als Hinweis zum Zeitgeschehen, dass die Frage, wohin auszuwandern sein, in noch scherzhafter Form hier auftaucht. Und nicht beantwortet wird. Auf Mastodon fällt dann gleich zweimal das Wort Dänemark, ich werde das beobachten und berichten.

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Weitere Links in nun schon liebgewonnener Tradition bei Kiki.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Am Mustersee

Sonnabend, der 29. Juli, Meran. Der letzte Tag in Südtirol. Wir fahren an den Montiggler See, aus Traditionsgründen, denn es ist für uns der See schlechthin, der Mustersee. Exakt so gehört ein schöner See, mit Bäumen, die halb gestürzt ins Wasser ragen, mit Felsen, von denen man in das sensationell klare Wasser hineinspringen kann, mit ein, zwei sandigen Stellen am Ufer, mit Wald ringsherum, mit Schatten auf den Wegen und dabei so abgelegen, dass es nie zu voll dort ist. Ein wahrer Traumsee.

Die beiden Söhne, man sieht sie von hinten, am Ufer des Montiggler Sees

Beim letzten Besuch kamen die Söhne dort enorm schnell aus dem Wasser, in dem sie gerade herumtollten, als neben ihnen eine Schlange elegant ins Wasser glitt, dieses Mal stellt sich mir beim Rundgang eine Misteldrossel in den Weg, kühnen Blicks und mit vorgereckter Brust, als wollte sie uns die weitere Passage verwehren. Misteldrosseln aus der Nähe sind großartig und sehr schön, um sie herum flogen Libellen in Hubschraubergröße, also fast jedenfalls. Doch, das ist eine feine Gegend da, mit interessanter Tierwelt.

Auf dem Rückweg gab es dann noch eine neue und originelle Fehlermeldung im Mietwagen, wie hart kann so ein Gerät nerven.

Am Abend unser Abschlussspaziergang durch Meran, noch einmal über die beiden Promenaden. Hier und da, selten nur, etwas Politik an den Laternenmasten und Bänken, Edding-Inschriften für oder gegen die Regierung, Anmerkungen zur speziellen Südtiroler Lage, alles dezent und zurückhaltend, wie um die Touristen nicht zu stören. Viel häufiger als Politik sehe ich Vornamen und Herzchen, man verewigt sich hier gerne als Pärchen, auch auf die altmodische Art, also geschnitzt, geritzt.

Die Herzdame und Sohn II; man sieht beide von hinte, spazieren durch Meran, an der Passer entlang

Es würde viel zu lange dauern, bis ich unsere Vornamen irgendwo ins Holz gearbeitet hätte, besonders mein Name ist bei so etwas herausfordernd. Das mal auf die Zeit als Rentner verschieben und vielleicht vorher an Frühstücksbrettchen üben.

Wie auch bei den vorherigen Besuchen haben wir in der Woche besondere Schwierigkeiten mit den Öffnungszeiten gehabt, mit den Ruhetagen, den Mittagspausen, den Nachmittagsschließzeiten und was es da noch alles in Südtirol gibt, man macht hier generell gerne zu. Das ist selbstverständlich auch in Ordnung, wir kommen nur aus einer Stadt, in der alles etwas länger und durchgehender geöffnet ist, und das passt nicht immer einfach zusammen.

„Wollen wir heute dies oder das machen?“

„Egal, es wird sowieso beides geschlossen sein.“

Ich denke, ich habe viel Verständnis für diese Öffnungszeiten hier, vielleicht sind sie mir sogar sympathisch. Ich bin nur vollkommen anders geprägt.

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In den Nachrichten geht es währenddessen weiter um eine rechtsextreme Partei in Deutschland. Ich bin mit der Art der Berichterstattung ohne sinnige Einordnung ganz und gar nicht einverstanden, ich bin ausdrücklich altmodisch demokratisch, und ich finde die Fehler der Medien, die eher Klicks und Abschreiberei als Werten verpflichtet sind und etliche Aussagen vollkommen unreflektiert wiedergeben, immer unübersehbarer und drastischer.

Immerhin fällt mir nebenbei aber eine historische Pointe ein, die mich eine Weile still amüsiert: Wenn die Rechten an die Macht kommen, werden sie Blogs nicht wie damals die Bücher verbrennen können. Blogs muss man löschen, und das eben ist die Weiterentwicklung, mehr haben wir gar nicht erreicht. Wir haben wohl nur gedacht, etwas erreicht zu haben.

In einer Broschüre für die Touristen hier wird die Zeit unter dem Duce sehr kurz als die „Leidenszeit Südtirols“ abgehandelt, zu allen anderen geschichtlichen Phasen gibt es wesentlich mehr Inhalt, und ich lese diesen Text, während neofaschistische Politikerinnen schon wieder das Land regieren. Was soll man noch sagen oder schreiben.

Abendlicht an der Promenade an Meran, eine erleichtete Laterne vor den Bergen im Hintergrund der Stadt, blaue Stunde

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Badetag

Freitag, der 28. Juli, Meran. “Heute wird ein Badetag“, sagt die Herzdame, kaum dass sie das Bett verlassen und aus dem Fenster gesehen hat, es wird sonnig. Ich sage „Moment“, ich sage „Ich bin noch nicht ganz fertig“, denn was ich in all den Jahren nie geschafft habe, das ist gleichzeitiger Urlaub in meinen verschiedenen Jobs. Die Aufträge und Deadlines reisen daher stets bei uns mit, und besonders schlimm ist das in der Regel nicht, so eine Reise wirft normalerweise nebenbei reichlich Content ab und Schreiben würde ich doch eh, ob ich nun Abgabetermine habe oder nicht. Also ist es eher kein Grund, sich den Kopf darüber zu zerbrechen oder zu jammern, denke ich mir. Vielleicht will ich es aber auch unbedingt denken, es ist immerhin einfacher so.

Wer schreibt, der sitzt außerdem still, stört nicht und hat keine Sonderwünsche, was das Tagesprogramm betrifft, das ist für andere aus der Familie manchmal auch praktisch.

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Gestern habe ich in den Pausenzeiten verschiedene Hörbücher angefangen und alle gleich wieder verworfen, es sind Zeiten der Ungnade. Ich hörte dann den Landarzt von Kafka, gelesen von Sven Regener. Ich komme ab und zu auf Kafka zurück, aber ich weiß auch nach vielen Jahren immer noch nicht, ob ich ihn nun gut finde oder nicht. Also abgesehen vom Schloss, das zumindest gefiel mir sehr. Beim Rest ist mir zu viel Deutungsaufwand dabei, das ist nicht meine Art zu denken oder zu schreiben. Ich bin vermutlich geistig viel zu schlicht und habe daher eine Aversion gegen literarische Rätselaufgaben.

Schließlich habe ich wieder in Katrin Seddigs Nadine gelesen und den Roman weiter gut gefunden.

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Ich reiche noch eben eine Szene der Zugfahrt von Hamburg nach München nach, sie fällt mit gerade wieder ein. Neben uns saß eine Gruppe junger Männer, die sich laut auf Englisch unterhielten, sie kamen wohl, wenn ich es richtig mitbekommen habe, aus verschiedenen europäischen Ländern. Es ging bei ihrem Gespräch auch um komplizierte philosophische Fragen, um Religion, sie hatten verschiedene Vorstellungen und Konstrukte im Kopf. Es kam schließlich die Frage auf, was mit dem Hirn nach dem Tod passiere, mit diesem fantastischen Wunderwerk, welches pausenlos unser Ich reproduziert, und einer sagte nach einigen Überlegungen: „I think it restarts.“

Was ich jetzt als Gruselvorstellung erst einmal mühsam wieder loswerden muss.


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Wir machen ansonsten nichts, gar nichts. Die Herzdame beschlagnahmt am Morgen eine muschelähnliche Konstruktion von Pool-Liege und verlässt diese dann für etliche Stunden nicht mehr, sie verweilt in ihrer Mupfel. Die Söhne sind mal in, mal am Pool und ich liege durchgehend im schattigen Zimmer auf dem Bett. Es werden Romane durchgelesen und Serien geguckt und Nickerchen gemacht, irgendwelche Ausflüge interessieren heute niemanden und ich finde, es ist ein sehr guter Tag.

Wir bestellen am Abend Pizza. Wir haben uns seit Ewigkeiten nichts liefern lassen, das gehört im Alltag nicht zu unserem Programm. Es klappt hervorragend, ist aber wegen des Müllbergs nach dem Mahl immer noch so abstoßend, wie ich es in Erinnerung hatte. Nein, das ist eher nichts für mich, beschließe ich erneut.

Die Herzdame und ich gehen am Abend, nach den Stunden der Sommerhitze, noch runter in die Stadt, an die Sommerpromenade, an die Winterpromenade und zum steinernen Steg (und da es gerade so zeitgemäß ist, man kann auch am kleinen Beispiel dieser Brücke lernen, was Faschisten so machen). Mir gefällt Meran weiterhin gut, eine sympathische Stadt in handlicher Größe. Da mal irgendwann Urlaub im Hotel machen und ein paar Tage entspannt nur so ziellos herumgehen, ohne Vorhaben und Pläne und Ausflüge, das wäre auch fein.

Vielleicht später einmal.

Blick auf den steinernen Steg in Meran von der Sommerpromenade aus

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Dahinten wird es heller

Donnerstag, der 27. Juli, Meran. Ich sehe zwischendurch den Wetterbericht für Hamburg, der aus Sicht der Urlauberinnen, die an die Strände im Norden Deutschlands gefahren sind, sicher grauenvoll ist. 18 Grad und Regen, da möchte man nicht unbedingt an der Nord- oder Ostsee sein und sich in einem aus dem Wind gedrehten Strandkorb in klammen Klamotten fragen, ob es vielleicht bald irgendwo heller wird, nur um sich dann doch wieder den ollen Brettspielen mit der Familie oder Freunden in der Ferienwohnung widmen zu müssen. Ich erinnere mich gut an solche Jahre, an solche Wochen, auch an solche Sommerferien. Aber einfach denken: „Nächstes Jahr in den Süden!“, das geht wohl auch nicht mehr. Oder es geht zumindest nicht ohne ein erhebliches Risiko, natürlich werden es dennoch viele Menschen so planen, es ist keine Frage.

Nebenbei gibt es in den Medien die nächste Rekordmeldung, der heißeste Juli seit nahezu immer ist es in diesem Jahr, zumindest aber seit wir Menschen auf das Wetter starren und es aufzeichnen.

Ich habe sehr schlecht geträumt, ungewöhnlich schlecht. Auf eine spektakuläre Art schlecht, der man ein ganzes Kapitel in einem Psychologiebuch widmen könnte. Das passiert mir erfreulich selten. Die etwas seltsame Kombination aus Seneca und Sinéad O’Connor gestern bekam mir wohl nicht, und die paar Folgen Friends am Abend kamen dann nicht mehr aufheiternd dagegen an. Zumal sich in dieser Woche auch noch der Todestag eines Bloggers jährt, Johannes Korten, über den ich unweigerlich etwas nachdenke, wie in jedem Sommer. Damals habe ich am Leuchtturm von Westerhever von seinem Tod erfahren, und ich habe mich schon mehrfach im Sommer vor ähnlich malerischer Kulisse daran erinnert, diesmal also wieder im Urlaub, mit Blick auf das Tal von Meran.

Es ist ein merkwürdiges Ritual, aber es gehört auch dazu, wenn man im Internet altert.

Ferner gibt weitere und noch neue Scherereien mit dem Mietwagen, wir steigen jetzt schon misstrauisch ein und haben insgesamt kein gutes Verhältnis zum Fahrzeug, um es sehr nett auszudrücken, wozu ich eigentlich gar keinen Anlass habe, angesichts der elenden Karre, die sich dauernd per Display-Meldung über sich selbst beklagt wie ein depressiver Roboter. Ach, was tut mir heute wieder alles weh, ach, was ist mir mulmig ums Blech.

Meine Laune bleibt daher eher zweitklassig, mit diesem Urlaub komme ich nicht so gut zurecht wie erwartet, aber als Elternteil kann man sich im Kopf erfreulich leicht umorientieren und die Woche einem anderen Primärziel widmen, nämlich den Söhnen ein paar nette Erlebnisse zu verschaffen. Wir reden mit ihnen nebenbei lange über unsere vergangenen Reisen und Erlebnisse, und es sind, das überrascht mich etwas, viel mehr, als uns zunächst bewusst ist. Uns fällt im Laufe des Gesprächs immer noch ein Trip und noch einer ein, das haben wir gemacht, dort waren wir auch, da war es doch schön und damals noch dieser eine Ausflug – es klingt insgesamt doch ein wenig nach Erfolgsbilanz. Sowohl die Herzdame als auch ich hatten die Erlebnisdichte zunächst nicht so reich in Erinnerung, nicht einmal annähernd, und ich habe auch bei diesem Thema den Verdacht, dass die langanhaltende graue Leere der Coronajahre das Bild der Zeit davor etwas verzerrt hat. Vermutlich ist auch das nicht nur bei uns so, die Zeit vor Corona ist viel länger her, als sie her ist.

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Heute jedenfalls Bogenschießen. Sohn II erweist sich dabei als verblüffende Robin-Hood-Begabung, wir stehen daneben und staunen.

Wobei wir für diese Aktion allerdings gemsenhaft im Gebirg herumklettern müssen (Burg Hocheppan). Der Parcours ist am Hang, im Wald, ganz oben, und es fordert uns sehr. Berge sind schön, aber Steigungen sind lästig, wir kommen eindeutig auch von der Kondition her aus dem Flachland und hängen bald zu viert in den Seilen, sowohl metaphorisch als auch tatsächlich, denn die Wege sind teils mit rettenden Tauen abgespannt. Und gerade, als ich mich frage, wer diese Wahnsinnsstrecke denn bitte ohne direkt nachfolgenden Kurbedarf bewältigen soll, gerade als auch die so fitten Söhne sagen, dass es jetzt aber echt allmählich schwer und herausfordernd werde, gerade da überholt uns ausgesprochen leichtfüßig eine Frau, die ihr Kleinkind in einer Kraxe auf dem Rücken trägt, neben ihr eine hochschwangere Freundin.

Die alte Regel, kein Tag ohne Demütigung.

Blick von der Ruine der Burg Hochepppan in die Landschaft

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Kleine Gelage von Zeit zu Zeit

Mittwoch, der 26. Juli, Meran. Der Überblick über die Nachrichtenlage am Morgen, die Meerestemperaturen vor Florida ähneln mittlerweile einem Whirlpool, lese ich, wie entsetzlich ist das. Aber man sieht auch schon, dass Meldungen dieser Art auf den Startseiten jetzt teils weit nach hinten oder unten rücken, denn die Lage bleibt ja dummerweise dauerhaft so und wird daher zügig immer weniger berichtenswert. Der Mechanismus ist dermaßen simpel.

Andere Meldungen rücken entsprechend vor, Innenpolitisches etwa, Wirtschaftsmeldungen, Promimeldungen, auch die Eröffnung in Bayreuth, so etwas. Ich sehe mir vergleichend die Seiten großer Medien weltweit an, dank Übersetzungstools kann man alles lesen, aber es ist überall gleich, in England, in den USA, in Italien, Frankreich, Spanien, Österreich ….

Ich sehe außerdem in einigen deutschen Berichten über den Tourismus, der mich situationsbedingt gerade besonders interessiert, den Begriff Revenge-Travel, der war mir noch nicht begegnet. Gemeint sind damit die Reisen, mit denen die Einschränkungen der Corona-Jahre aufgeholt werden sollen, die also spektakulärer, weiter, teurer ausfallen. Vermutlich werden Fernreisen im nächsten Jahr noch mehr gebucht werden, zu all den vermeintlich schönen Zielen, die jetzt gerade keine Schlagzeilen verursachen, wo es in diesem Sommer nicht oder noch nicht brennt, wo es nicht wochenlang über vierzig Grad sind usw.

Das Wetter klart währenddessen über Meran weiter auf, Sonne über den Bergen und nur noch einige dekorative, drollig-pummelige Wolken darüber, wandernde Schatten ziehen unter ihnen über die bewaldeten Hänge.

Wir fahren zum Gardasee, ein Sohn wollte ihn unbedingt einmal sehen. Riva del Garda, die nördlichste Station. Erwartungsgemäß pittoresk und erwartungsgemäß überlaufen. Ich denke lange über den Massentourismus nach und mache dabei mit, enthalte mich also aller Werturteile. Es gibt zwei Sichtweisen, ich habe beide schon schlüssig dargelegt gelesen und ich weiß nicht sicher, welche stimmiger ist. Man kann es so sehen, dass man an solche Orte wie die überrannten Städte am Gardasee auf keinen Fall mehr fahren sollte, um es dort nicht noch weiter zu verschlimmern; man kann es aber auch so sehen, dass man nur noch an solche Orte fahren sollte, um den Rest der Welt um Gottes willen in Ruhe zu lassen. Und man kann, versteht sich, auch zu dem sogar naheliegenden Schluss kommen, gar nicht mehr zu verreisen.

Ich weiß es nicht, was richtig ist und was am schlüssigsten durchdacht, aber die Masse an Menschen um mich herum legt zumindest mir die dritte Option an solchen Tagen nahe.

Die Altstadt von Riva del Garda am Hafen

Passend dazu zwei kurze Radiosendungen über Over-Tourism, einmal zu Barcelona, einmal zu Norderney.

Ich höre Seneca auf der Fahrt: Über die Kürze des Lebens. Es kommt das schöne Wort „Habsucht“ im Text vor, das ist leider aus der Mode gekommen, aber eigentlich ist es doch noch gut, man könnte es deutlich häufiger verwenden. Den Begriff „Gelage“ finde ich auch sympathisch. Seneca hat nichts gegen ein kleines Gelage von Zeit zu Zeit, er hat nichts gegen Gelage in Maßen.

Er kommt ansonsten zu dem Schluss, dass man sein Leben der Weisheit weihen sollte, dass nur das Streben danach keine verschwendete Zeit sei. Und ich habe es als eher unaufmerksamer Zuhörer vielleicht nicht mitbekommen, aber mir fehlte zum Schluss die Ableitung, warum denn diese Weisheit ein Wert in sich sein sollte. Was hat man denn von ihr? Wer weiser stirbt, ist durchdachter tot?

Aber wer bin ich, Seneca zu kritisieren. Vielleicht muss ich es bei Gelegenheit noch einmal hören, das gilt sicher auch für einige andere Hörbücher. Und man soll ohnehin, so sagt es Seneca, all den großen Weisen viel Zeit widmen, die uns vorausgegangen sind. Okay.

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Auf der Rückfahrt überrascht uns der Mietwagen mit unklaren Fehlermeldungen. Dabei nehmen wir doch extra einen Mietwagen, um einen fehlerfreien, topaktuellen Wagen zu fahren und unserem nun schon etwas gebrechlichen Auto keine Langstrecke zuzumuten. Der Plan ging also diesmal nicht auf, wir fluchen erheblich, lesen im Handbuch nach und fahren in wüster Stimmung besonders vorsichtig.

Mein Autohass wächst weiter vor sich hin, ich möchte mich definitiv um so etwas nicht kümmern müssen, das ist für mich alles komplett verkehrt so. Wir haben aber nur noch wenige Kilometer bis zur Pension, wir verschieben die Klärung der ominösen Vorkommnisse und Meldungen daher erst einmal auf den nächsten Tag. Ich sehe während der Fahrt dezent angespannt auf das Armaturenbrett, auf die Anzeige der Zeit bis zum Ziel und auf die Fehlermeldungen: Und noch 12 Minuten bis Buffalo.

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Kurz nachdem ich damals nach dem Abitur von Lübeck nach Hamburg gezogen bin, wohnte ich über zwei Frauen, Mutter und Tochter. Die Mutter hatte eine Ausstrahlung wie die Frau von Al Bundy, treffender kann ich es kaum schildern, die Tochter war ihr bemerkenswert ähnlich und eiferte ihr auch modisch nach, sie trugen beide viel Knappes und Glitzerndes. Sie feierten gemeinsam viele und vehemente Partys in ihrer kleinen Wohnung. An den Abenden, an denen nichts bei ihnen los war, keine Feier, kein Besuch, kein kleines Gelage, legten sie auch Musik auf und sangen die Songs dann zu später Stunde gemeinsam mit.

Besonders ein Lied, das sie, es waren leider nicht die begabtesten Sängerinnen, eher jaulten als sangen, lief damals in Endlosschleife. Es war als Nachbar einigermaßen schwer zu ertragen, obwohl es eigentlich ein gutes Lied war: Nothing compares 2 u. Ich habe es heute noch in der verheulten Version dieser oft angetrunkenen Nachbarinnen im Kopf, das ist ein wenig schade und wird der Sängerin der Originalversion sicher nicht gerecht.

Sie ist mir zuletzt auf Youtube zufällig begegnet, erinnere ich mich, als Backgroundsängerin, gemeinsam mit ihrer Tochter ist sie da aufgetreten. Sie sangen für den großen John Grant, bei einem seiner besten Songs: GMF, ich hatte schon einmal das Originalvideo im Blog. Einen hervorragenden Text hat das Lied, aber das nur nebenbei.


Und Kris Kristofferson, das denkt man wohl auch nicht sofort, hat ihr damals einen Song gewidmet, noch zu den heftigen Skandalzeiten: And maybe she‘s crazy and maybe she ain‘t, but so was Picasso and so were the saints.

Sie starb an diesem Mittwoch, sie war in meinem Alter.

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Wellen und Wehen

Dienstag, der 25. Juli, Meran. Um nicht noch weiter in der gebloggten Zeit zurückzufallen, poste ich hier und da etwas mehr, ich hänge sonst tatsächlich noch zu Weihnachten erst im Frühherbst und berichte von Pflaumenkuchen, während Sie schon in Lebkuchen beißen, das geht so nicht.

Im Schlafzimmer der Ferienwohnung hängt ein Bild an der Wand, auf dem seltsamerweise das Meer abgebildet ist, hoher Wellengang, ein schwerer Brecher. Ich sehe das ein paarmal im Vorbeigehen und wundere mich kurz, wieso denn das Meer, wieso hier, und erst beim sechsten oder siebten Hinsehen merke ich, dass da keine Welle zu sehen ist, sondern natürlich eine Schneewehe am Berg. Wenn Norddeutsche reisen! Die Herkunft bestimmt das Bewusstsein, da haben wir es also wieder.

Die Herzdame allerdings sagt, nachdem ich diesen Absatz geschrieben habe, das sei sehr wohl eine Welle, die Söhne sagen das auch und sehen mich wieder an, als sei ich nicht bei Verstand, und ich frage mich jetzt, ob ich nicht nur gesichts-, sondern neuerdings auch landschaftsbildblind sein könnte. Man macht was mit! Aber die Lehre ist am Ende wohl nur, dass man Hotelzimmerkunst besser gar nicht erst ansehen sollte, so wird es sein.

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Der Wetterbericht sagt uns einen weiteren Regentag voraus, aber das Wetter hält sich heute einfach nicht daran, es ist fast den ganzen Tag sonnig. Wir fahren mit einem Sessellift einen Berg hoch. Meine Höhenangst wird, warum auch immer, mit den Jahren wieder weniger. Ich kann so etwas jetzt also machen, ohne kurz vor der Panik zu sein. Mir bleibt nur das allerdings starke Gefühl, dass es vollkommen falsch ist, so etwas zu machen. Ich will da oben nicht in einer Gondel hängen; es ist etwas, das zwar geht – aber wenn es einfach zu vermeiden wäre, ich würde es auslassen.

Dem Rest der Familie macht es nichts aus, eh klar, und ich mache dann mit. Urlaubszeit immer auch Mitmachzeit, das gilt für alle.

Minigolf gespielt, souverän gewonnen. Nanu!

Wieder zurück am Pool der Pension ist neben uns eine Familie, deren Kinder dermaßen wohlerzogen sind und bei der die Eltern dermaßen pädagogisch perfekte, stets leicht belehrende Sätze von sich geben, dass es zunächst etwas loriothaft wirkt und dann bald aber so schlimm wird, dass ich lieber woanders hingehe. Es ist schwer zu beschreiben, aber es gibt eine Dimension der Artigkeit und Korrektheit, bei der ich umgehend zum Krawall-Punk werden möchte, obwohl ich gut weiß, wie konventionell und bürgerlich ich selbst bin und lebe. Aber es gibt so eine gewisse Eskalationsstufe der Streberhaftigkeit, die mich jedes Mal fertig macht, wenn ich ihr begegne.

Später steht ein kleines Mädchen vor der Tür einer anderen Ferienwohnung, sie klopft und will mit Dringlichkeit rein, denn sie war lange im Pool und nun ist sie also nass und erschöpft und friert ganz erbärmlich. Sie darf aber nicht rein, denn sie klopft etwas zu laut und die Eltern belehren streng von drinnen, dass sie sich gefälligst erst abregen müsse, bevor sie wieder hineindarf. Leise soll sie klopfen, dezent, was sie allerdings immer weiter aufregt, und ich flüchte auch vor dieser Szene und den weiteren Ausschreitungen.

Es ist schon klar, dass man das eigene Ich überall mit hinnimmt und seinen Problemen also auch im Urlaub nicht entkommen kann, allerdings kommen andere Menschen auch fast überall mit hin, und das ist manchmal das noch größere Problem.

Wolken über Bergen. gewittriges Licht

Später am Abend stehe ich mit den Söhnen auf dem Balkon und wir sehen zu, wie direkt vor uns, fast zum Greifen nah, grauschwarze Wolkenfetzen umgruppiert werden, wie sie zerfasern und sich umgehend wieder neu bilden, wie sie dünne Arme ausstrecken und diese wild herumschlenkern, wie sie sich von innen heraus komplett umstülpen, wie sie mit weißen, lichten Wolken aus anderer Richtung ineinanderjagen und sich tanzend vermischen – wir sind es nicht gewohnt, dass Wolken so etwas so schnell und schon gar nicht genau vor uns machen. Wie im Zeitraffer sieht es für uns aus, ein wenig allerdings auch wie in einem Horrorfilm, gleich bildet sich da oben sicher irgendetwas Unaussprechliches und greift dann womöglich langfingrig nach den staunenden Erdlingen aus dem Norden auf dem Balkon dort unten …das hört so leicht nicht auf, dass uns die Wolken hier faszinieren.

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Ich lese „Nadine“ von Katrin Seddig. Ich war auf einer Lesung, aus der sie daraus vorgetragen hat, ich fand es da schon sehr ansprechend und der Eindruck bestätigt sich jetzt. Es ist ein guter Roman, ich empfehle ihn ausdrücklich. Es ist gewiss nicht die leichteste Urlaubslektüre, was das Thema betrifft, aber so etwas suchen ja auch nicht alle. Wer etwas Härte in den Ferien verträgt, liest hier richtig.

Das Titelblatt des Romans Nadine von Katrin Seddig

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Auf Tiktok und Instagram sehe ich abends die Videos der Brände auf Sizilien, die Flammen vor Palermo, brennende Straßen, auch weiterhin die Horrorbilder von den griechischen Inseln, jetzt auch auf Kreta, Korfu und Euböa. Es brennt ebenfalls in der Türkei und in Algerien, darüber wird deutlich weniger berichtet, es gibt außerdem schwere Unwetter in Kroatien. Man muss nun nicht mehr doomscrollen, um in die entsprechende Stimmung zu kommen, es reichen schon zwei, drei Beiträge auf Tiktok oder wo auch immer.

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Währenddessen in den Blogs

Ich fühle mich Frau Novemberregen gerade tief verbunden, ein weiterer Mensch, der nicht enthusiastisch reist. Wir sind nicht viele. Reisen sind für mich oft eher anfallende Aufgaben, die bewältigt werden müssen, so wie alle To-Dos, sie sind nicht primär wie besondere Freuden, auf die man begeistert hinlebt. Zumindest im Vorwege ist das so, wenn ich erst unterwegs bin, geht es in der Regel und ich verhalte mich dann ab und sogar fast normal, wie alle anderen auch. Aber es ist eben eine Komfortzonensache, und dieses Konzept, dass man diese unbedingt verlassen müsse, obwohl man sie doch kaum definieren und so dermaßen selten wirklich genießen kann, es hat sich mir nie zur Gänze erschlossen. Ich wäre froh, wenn ich irgendwann einmal verlässlich in einer Komfortzone wäre.

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Früher war nichts besser.

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Kid37 verweist auf Paolo Ventura

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Auch die neuen Begriffe beachten, welche die in den Blogs geschriebene Chronik unserer Jahre bereichern und erläutern – etwa Hagelpanik. Wir haben im Urlaub in Italien übrigens rekordmäßig viele Autos mit durchschlagenen Scheiben gesehen, das waren die Unwetter am Gardasee und ihre Folgen, Sie haben vielleicht davon gehört. Und hier noch mehr über über Wortnachwuchs.

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Über das Kirchenasyl

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Über die Aufrichtigkeit.

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Was die Kaltmamsell hier im ersten Absatz schreibt, man kann es nicht oft genug wiederholen. Und gute Besserung gewünscht, versteht sich.

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Wenn der Urlaub nicht reicht. Ich kenne das.

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Weitere Links auch diesmal wieder bei Kiki. Hier sogar noch einmal, sie ist mir eine Nasenlänge voraus.

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Gehört: Diese Sonderausgabe der Lage der Nation zum Klimawandel, ein Interview mit Jochem Marotzke. Und auch das andere Sommer-Interview dort, mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer.

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In den Timelines wurde außerdem dieser Artikel über Alt-Texte für sehbehinderte Menschen vielfach verlinkt, und es ist so, dass man tatsächlich noch etwas lernt. Fand ich jedenfalls.

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Ferienhunger

Weiterhin Montag, der 24. Juli, Meran. Ich gehe am Morgen mit einem Sohn einkaufen, denn ich finde den Einkauf im Urlaub immer außerordentlich interessant. Endlich einmal andere Produkte! Zwanzig Sorten Mozzarella, vierzig Sorten Speck! Die Herzdame allerdings findet Einkaufen immer stressig, schon gar im Urlaub, deswegen kommt sie gar nicht erst mit. Der Sohn und ich staunen über die aus deutscher Sicht schier infernalischen Preise, einige sind glatt doppelt so hoch wie bei uns, denn die alte Regel, uns noch aus präpandemischen Zeiten bekannt, sie gilt wohl weiter: Das Essengehen ist hier günstiger bei oft viel höherer Qualität, sogar in den Imbissen, dass Einkaufen ist dagegen deutlich teurer als in Deutschland.

Es regnet, wir werden auf dem Rückweg nass, aber die Luft ist fantastisch, auf eine schwer zu beschreibende Art schmeichelnd. Und wir werden auch gar nicht richtig nass, wir gehen eigentlich nur durch eine Art schweren Moisturizer-Nebel mit Lavendelaroma und Bergkräuterduft, es fühlt sich merkwürdig gut an.

Sohn II erreicht altersgerecht einen deutlichen Höhepunkt der Loslösephase und verlässt uns schon am Morgen, er macht eine ausgedehnte Solowanderung durch die verregnete Berglandschaften um Meran und kommt erst am späten Nachmittag wieder, sehr zufrieden mit sich und allem, und wir merken, es war wichtig und richtig.

Der Rest der Familie chillt den ganzen Tag oder hadert stundenweise mit sich oder dem nassen Wetter. Es ist nicht ganz einfach, die Stimmung hängt hier und da etwas durch. Ich frage mich, was ich mich auf Reisen oft frage, nämlich warum ich eigentlich viel Geld dafür ausgeben soll, es anderswo weniger bequem als zuhause zu haben und die Familie noch wesentlich enger um mich herum, aber das sind nur Phasen, das kenne ich schon.

Nichts gegen die Familie, versteht sich, aber wir sind, ich will es positiv ausdrücken, vier starke Charaktere, wir haben alle einen gewissen Freiraumbedarf und sind nicht die besten in der Kompromissfindung auf engem Raum. Wir waren es nie, und in aller Regel sind Ferienwohnungen kleiner als die eigene.

Dagegen hilft es wieder, also mir jedenfalls, vermehrt aus dem Fenster zu sehen, Wie die Wolken dahinten am Berghang zerfließen und die hohen Tannen einhüllen, es hilft zuzusehen, wie ein Regenbogen über der Stadt entsteht und dann noch einer, oder wie ein ferner Gipfel im Nebel einfach verschwindet und nach Minuten wieder auftaucht, als würde er langsam pulsieren, atmende Erde. Das Gebirge ist zum Ansehen da, mehr muss ich damit gar nicht anfangen. Aber gut, das sehen viele anderes, auch in dieser Familie.

Über dem Tal bricht an einer Stelle gerade die Sonne durch, die sich teilenden Wolken sehen aus wie zerfließender Dampf über einem Topf, und wir könnten allmählich auch etwas essen, fällt mir dabei ein.

Währenddessen regnet es. Es regnet später noch einmal und es regnet dann wieder, zwischendurch schüttet es auch, manchmal nieselt es in den Pausen. Wir setzen uns an den Pool, in den die Söhne trotz des Wetters steigen, das Wasser darin ist auch bei bedecktem Himmel warm, pipiwarm. Ringsum die Apfelbaumreihen mit den schweren roten Früchten, daneben die Weinstöcke in Reih und Glied. Tropfen auf dem Sommerlaub, Tropfen im blauen Wasser des Pools, Tropfen auch auf meinen nackten Füßen, die unter der Markise über der Terrasse hervorsehen. Ich finde den Regen nach wie vor nicht schlimm und ich lese dauernd die Hitzemeldungen aus aller Welt auf dem Handy nach, die furchtbaren Brandberichte.

Dann doch lieber Regen, gar keine Frage.

Ein Swimmingpool im Regen, dahinter die Berge

Ich mache der Familie Spaghetti Bolo mit reduzierten Zutaten, ich habe im Supermarkt nicht alles gefunden, er war mir zu riesig. Es schmeckt dennoch, das ist der große Ferienhunger vom Schwimmen und Wandern oder vom Veratmen des Wetters.

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Goncourt verlinkte auf Mastodon Jane-Birkin-Wohnungsbilder.

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Es ist außerdem, ich schreibe das nur noch mäßig interessiert für die Chronik, der Tag, an dem Twitter als Marke und damit für viele endgültig stirbt. Um den großen deutschen Dichter Rio Reiser zu zitieren: „Doch jetzt tut’s nicht mehr weh, nee, jetzt tut’s nicht mehr weh.“

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Eine Dankespostkarte

Rückseite

Ich habe, wie fast immer leider stark verspätet, pardon, zu danken für mehrere zugesandte Puzzles, für eine rettende Espressokanne für die Laube, für ein erhellendes Gartenbuch und für eine besonders kräftige Astschere.

Ich habe außerdem wieder zu danken für jeden eingeworfenen Geldbetrag, ob groß oder klein, ob per Paypal oder per Überweisung, und zwar habe ich diesmal sogar ganz besonders zu danken, denn wir haben eine Premiere zu vermelden. Diesen Urlaub, den ich hier in den Artikeln vor und nach diesem gerade in Tagesfolgen schildere, den haben die Leserinnen dieses Blogs nämlich diesmal komplett bezahlt. Das gab es so bisher noch nicht und die Freude darüber ist nicht eben gering. Wir haben die Hutgelder eine ganze Weile angespart und es kam dann knapp hin, ist es denn zu fassen, wie außerordentlich nett von Ihnen.

Ich danke also auch im Namen der Herzdame und der Söhne, das war insgesamt wahrlich keine geringe Gabe. wir wissen das sehr zu schätzen und sparen ab sofort wieder neu an für weitere Abenteuer und Fahrten.

Ganz herzlichen Dank!

Vorderseite

Ich schildere Ihnen ein Bild von Fahrt nach München, aus dem ICE. Ich saß da mit Blick auf eine der Zwischentüren, es war eine dieser Türen, die automatisch aufgehen, allerdings tun sie das nur, wenn man weiß, was man dafür tun muss. Sie haben einen Bewegungsmelder an der oberen Leiste, und abgesehen von den wenigen Menschen, die so groß sind, dass ihr Kopf ohne weitere Verrenkungen diesen Melder betätigt, müssen alle anderen mit der Hand da oben etwas herumwedeln, um den Sesamöfffnedich-Effekt auszulösen. Allerdings weiß das so gut wie niemand, wie ich stundenlang beobachten konnte, denn ich saß so, wie sich ein Psychologe setzen würde, der die Szene als Versuchsanordnung vor sich haben möchte. Ich hatte den besten Blick auf scheiternde Menschen, wobei ich aufgrund der Häufigkeit des Scheiterns allerdings auch nicht ausschließen will, dass die Tür etwas klemmte.

Es geht mir hier nur um einen bestimmten Menschen für das Postkartenbild, aber ich möchte ein paar andere ebenfalls erwähnen, da es doch eine Art Typenlehre ergibt. Es gibt etwa Menschen, die an so einer Tür abprallen und sofort, ohne weiteres Bedenken, umkehren. Hier ist zu, hier geht es nicht durch, okay, Abmarsch. Es gibt andere, die an der Tür ruckeln und zerren und ziehen, mit sichtbarer Aggression, ich will hier durch, ich will hier jetzt durch, sofort, muss ich erst treten oder was. Es gibt solche, die mit den Händen geduldig und fast wie technisch interessiert den Rahmen der Tür entlangfahren, ob da irgendwo nicht irgendwas etwas auslöst. Eine Variante davon war ein sportlicher Bewegungsablauf, der Turnübung des Hampelmanns nicht unähnlich, einmal alle Gliedmaßen im Raum verstreuen, viel hilft viel. Es gibt auch die, welche kurz an der Tür scheitern und dann schlau zur Seite treten und warten, ob nicht bald jemand anderes kommt, der weiß, wie es geht. Es gibt Kinder, die keine Chance haben, weil sie da oben kategorisch nicht ankommen, Kinder, die geschlossene Türen in der Regel aber tapfer hinnehmen, vermutlich, weil sie sie gewohnt sind, so ist es eben in der Kindheit. Es gab ein Kind, ein kleines Mädchen, dass in den ganzen sieben Stunden der Fahrt der einzige Mensch war, der das tat, was eigentlich naheliegend war, nämlich andere zu fragen, wie es da durchkommen kann. „Machst du mir bitte die Tür auf?“ Eine kleine Hand an einem fremden Ärmel, der Zauber der sozialen Interaktion. Allzu gut sind wir in der Gesamtheit darin nicht mehr, wenn ich die Szenen da als Hinweis nehmen möchte.

Und es gab, darum geht es mir eigentlich, diesen einen Reisenden, der zwei Koffer hinter sich herzog und sehr müde aussah, vielleicht auch genervt von allem, vom Reisetag oder von der Woche, vom Monat, von wer weiß wie langer Zeit. Er hatte so etwas im Gesicht, das ihn gleich als Hauptfigur für einen Roman über gebrochene oder mindestens angeschlagene Typen qualifiziert hat. Er hob eine Hand zur Tür und drückte etwas dagegen. Die Tür ging nicht auf, natürlich ging sie nicht auf. Er blieb stehen, er sah die Tür eine Weile an, ausdruckslos. Dann lehnte er seine Stirn an das Glas der Tür und blieb einfach so stehen. Er hatte genau an dieser Stelle, genau in diesem Moment genug von allem und überhaupt keine Lust mehr, sich noch irgendwie Mühe zu geben. Jetzt nicht mehr, hier nicht mehr. Er ließ die Koffer los und die Schultern sinken. Er blieb so stehen, bis jemand kam, der ihm die Tür aufmachte, er nahm dann erst die Koffer wieder und ging seufzend weiter.

Ein Bild der Urlaubsreife könnte es gewesen sein, aber wir können es nicht genau wissen. Ich fühlte jedenfalls mit diesem Mann an der Tür, wie er dort kurz stand und nicht mehr wollte oder konnte, ich fühlte deutlich mit ihm. Etwas zu sehr vielleicht.

Ein Urlaubseinstiegsbild, es blieb mir in Erinnerung.

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Bloggen mit Bergblick

Montag, der 24. Juli, Meran. Bloggen mit Bergblick. Ich bin allerdings gar nicht da, wo ich gerade gelesen werde. Also blogtextlich. Irgendwie ist das auch komisch, aber das ist jetzt eben eine Weile so, wenn das Blog eine Woche nachgeht, und das wird sicherlich erst einmal so bleiben. In sieben Tagen etwa sind die Leserinnen dann auch wieder dort, wo ich bin, wenn nichts dazwischenkommt, und ich weiß gar nicht recht, warum ich das so seltsam finde. Würden die Texte hier gedruckt erscheinen, wie es früher üblich war, in Büchern oder in Zeitungen, Magazinen, oder würde ich Briefe schreiben, wie es noch früher Alltag war, wir wären doch erst recht in Zeit und Raum voneinander getrennt und es wäre gar nicht merkwürdig, sondern eine selbstverständliche und auch erwartete Entfernung.

Das Internet allerdings impliziert stets eine mindestens ungefähre Gleichzeitigkeit, so wird es wohl sein. Dem mal etwas entgegensetzen! Wobei ich den Verdacht habe, dass es für Blogs nur begrenzte Möglichkeiten der zeitlichen Diskrepanz gibt. Ich kann nicht beliebig weit zurückfallen, etwa monatelang. Wäre hier in den Texten gerade Weihnachten oder Silvester, Sie würden das mit hoher Wahrscheinlichkeit jetzt nicht lesen wollen, nicht wahr, es würde irgendwie nicht passen. Ich werde schon ungefähr im gleichen Erlebniszeitraum wie Sie bleiben müssen, aus Ihrer und aus meiner Sicht, und es ist auch in Ordnung so.

Die Gipfel dahinten jedenfalls, ich sehe eben vom Notebook und vom Tippen dieses Textes hoch, weil man sich im Urlaub doch nicht durchgehend wie im Alltag benehmen soll, sie sind in wallende Wolken gehüllt. Aus dem Tal mit der kleinen, schönen Stadt darin steigt der Dunst auf und es sieht sehr gut aus so, die fließenden Übergänge von Weiß zu Blau zu Grau. Landschaft können sie hier, und es ist eine angenehme Beschäftigung, sich das wandelnde Bild dieser Farbtöne anzusehen, damit kann man viel Zeit verbringen und wird dabei freundlich ruhig unterhalten. Jedenfalls als Erwachsener, für junge Menschen kommt das noch nicht ganz so hin. Wobei man, wenn man Kinder hat, auch interessiert beobachten kann, dass sie beim Heranwachsen mit jedem Jahr mehr in der Lage sind, Schönheit wahrzunehmen, in der Architektur, in der Kunst, in der Landschaft, Mode, Botanik, natürlich auch an Menschen – überall.

Als wir vor mittlerweile etlichen Jahren zum ersten Mal in Südtirol waren und auf der Fahrt hierher die Berge am bayerischen Horizont auftauchten, war das der vermutlich erste Familienmoment, in dem wir alle vier etwas in der Landschaft gleichzeitig sehr schön fanden. So etwas merkt man sich auch, und wir sind hauptsächlich hier, weil die Söhne das so entschieden haben, als wir uns gefragt haben, wohin es denn gehen soll, wenn nicht mehr nach Eiderstedt.

Auf Eiderstedt waren wir zehnmal oder sogar öfter, viel häufiger jedenfalls, als wir je gedacht hätten, aber wir haben uns da ganz nach den Söhnen gerichtet und es war so überaus bequem für uns Eltern, zumal wir es da auch noch schön fanden. Auf Eiderstedt fühlten die Herzdame und ich uns vom ersten Besuch an seltsam heimatlich, als gehörten wir einfach dorthin. Diese Phase ist jetzt aber durch, haben die Söhne beschlossen, natürlich auch zu Recht beschlossen. Und viele gemeinsame Familienurlaube wird es wohl nicht mehr geben, wenn ich an das Alter von Sohn I denke, der vermutlich bald schon eigene Wege gehen wird, auch in den Sommerferien.

Daher haben wir wiederum die Kinder, es wird allmählich etwas merkwürdig, die beiden Teenager weiter so zu nennen, für dieses vielleicht schon letzte gemeinsame Sommerurlaubsjahr entscheiden lassen. Das Ziel Südtirol war dann schnell klar, da wollten sie noch einmal hin, da fanden sie es gut, daran hatten sie angenehme Erinnerungen.

Okay.

Blick durch ein schmales Fenster über ein Dach mit Schornstein auf Berge im Hintergrund, bewölkter Himmel, Weinstöcke in der Landschaft

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